In Barcelona verspürt Hansi Flick etwas, das er in Deutschland nie fand

Hansi Flick hatte im Sommer 2020 ein Monster in München erschaffen. Ein Monster, das im Champions-League-Viertelfinale den großen FC Barcelona 8:2 verprügelte. Am Ende der Spielzeit sollte der silberne Henkelpott in seinen Armen liegen, doch blieb ein anderes Bild des Fußballtrainers hängen.

Während seine Spieler Tor um Tor gegen die überforderte Barca-Elf um Superstars wie Lionel Messi, Suárez oder Gerard Piqué zelebrierten, saß Flick nahezu versteinert auf der Trainerbank. Sein Blick starr, fast leer. Es sollte sein Image als emotionslosen Roboter prägen.

Auch heute wird Flick noch mit den Bildern konfrontiert, nun, wo er doch an der Seitenlinie der Katalanen coachen darf. Bilder, die zeigen, „dass ich beim ersten, zweiten und achten Tor dieselbe Reaktion hatte: Die Leute sagten, ich würde nie lächeln“, sagte Flick kürzlich.

Flick über Barca: „Dieser Verein hat mich komplett verändert“

Barca-Fans kennen mittlerweile einen ganz anderen Hansi Flick. Einen emotionaleren, einen leidenschaftlichen. „Im Moment zeige ich mehr Emotionen, das stimmt“, sagte er auf die neuen Bilder von ihm angesprochen. Und lieferte gleich die Erklärung hinterher: „Dieser Verein hat mich komplett verändert.“

Hansi Flick und der FC Barcelona. Es ist ein Match, wie es neudeutsch so schön heißt. Bereits in Jahr eins krempelte er den lange Zeit kriselnden Klub um, holte das nationale Triple (Meisterschaft, Pokal, Supercup) und formte wie einst in München ein neues Monster: die „bestia blaugrana“. In der Champions League bekam es ironischerweise der FC Bayern beim 1:4 in der Ligaphase zu spüren. Aber auch der BVB ging im Viertelfinale 0:4 in Barcelona unter.

In seinem ersten Jahr beim FC Barcelona gewann Hansi Flick drei Titel
In seinem ersten Jahr beim FC Barcelona gewann Hansi Flick drei Titel Getty

Mit dem Titel in der Königsklasse sollte es dennoch nicht klappen, weil Inter Mailand im Halbfinale zwei sensationelle Tage erwischte. In dieser Saison gilt der spanische FCB aber wieder als einer der großen Favoriten auf den Henkelpott.

Alles wegen Flick. Dabei war seine Ankunft in Katalonien hierzulande noch belächelt worden. Als Bundestrainer der deutschen Nationalmannschaft war er krachend gescheitert, sein Ruf hatte zumindest in Deutschland stark gelitten. Doch er belehrte Kritiker und Zweifler eines Besseren.

Hansi Flick „liebt" den FC Barcelona

In Barcelona ist Flick angekommen. „Ich liebe diesen Verein wirklich, ich gebe mein Bestes. Ich lebe für den Verein“, schwärmte er nun. Barca hat ihn emotionalisiert, Barca hat etwas in Flick erweckt, was in München und beim DFB stets im Inneren verborgen blieb.

So entstehen neue Bilder von Hansi Flick. Manchmal entstehen aber auch Bilder, vor denen sich Flick selbst erschreckt. Wie kürzlich beim Ligaspiel beim FC Girona (2:1). 

Hansi Flick sieht vom Schiedsrichter Jesús Gil Manzano die Gelbe Karte
Hansi Flick sieht vom Schiedsrichter Jesús Gil Manzano die Gelbe Karte Getty

In der Nachspielzeit rastete Flick förmlich aus und zeigte eine obszöne Geste in Richtung von Schiedsrichter Jesús Gil Manzano. Dieser schickte den Coach mit einer Gelb-Roten Karte auf die Tribüne, nachdem er zuvor schon „wegen einer Geste der Missbilligung“ verwarnt worden war. 

Flick zeigte sich danach reumütig. „Ich mag es nicht, wenn ich mich so im Fernsehen sehe, und ich möchte nicht, dass meine Enkel ihren Großvater so sehen", sagte er und ergänzte: „Also muss ich wahrscheinlich mein Verhalten ändern.“

Flick im El Clásico gegen Real Madrid gesperrt

Wegen dieser unkontrollierten Emotion verpasst Flick am Sonntag (16:15 Uhr) das prestigeträchtige El Clásico gegen Real Madrid. Barca geht mit zwei Punkten Rückstand in das Spiel aller Spiele, will die Tabellenführung im madrilenischen Bernabeu zurückerobern.

Vier Clásicos hat Flick bereits an der Seitenlinie bestritten, alle vier hat er gewonnen. Wenn am Sonntag der Ball rollt, ist sein erster Erfolg auf den Tag genau ein Jahr her. 4:0 demütigte Barca damals die Königlichen im eigenen Stadion. Es folge ein 5:2 im Supercup-Finale und ein 3:2 im Endspiel der Copa del Rey. Zum Saisonabschluss gab es noch ein 4:3. Macht 16 Tore in vier Spielen. 

„Das war letzte Saison und liegt in der Vergangenheit“, stellte Flick jedoch klar: „Jetzt ist die Situation anders.“ 

Vor allem für ihn. Hansi Flick wird im Bernabeu auf der Tribüne Platz nehmen müssen. Ob er dort seinen Emotionen wieder freien Lauf lassen kann?