Wirtschafts-Booster Olympia? Das sagt die Wirtschaft selbst dazu

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Viel wird über eine mögliche Kandidatur Münchens für Olympische Spiele gestritten. Ein Knackpunkt: Die möglichen Folgen für die Wirtschaft. Die betroffenen Betriebe haben eine klare Meinung.

München – Egal, ob als Austragungsort der European Championships 2022, der Fußball-EM 2024 oder des Champions-League-Finales 2025: Kaum eine andere Stadt stand in den letzten Jahren so sehr im Sport-Rampenlicht wie die bayerische Landeshauptstadt München. Geht es nach Plänen der Stadtführung, soll bis 2044 ein weiteres Highlight hinzukommen: Olympia. „Wir können von Olympischen Sommerspielen viel profitieren“, erklärt Oberbürgermeister Dieter Reiter auf Instagram. Er selbst befürwortet eine Kandidatur Münchens als Austragungsort der Spiele, entweder 2036, 2040 oder spätestens 2044.

Die Olympischen Ringe im Olympiapark München: Geht es nach Plänen der Stadtführung, sollen bis 2044 noch einmal Sommerspiele in die bayerische Landeshauptstadt kommen.
Die Olympischen Ringe im Olympiapark München: Geht es nach Plänen der Stadtführung, sollen bis 2044 noch einmal Sommerspiele in die bayerische Landeshauptstadt kommen. © IMAGO/Frank Hoermann / SVEN SIMON

Bevor die Kandidatur wirklich beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) eingereicht wird, müssen sich am 26.10. jedoch zunächst die Einwohner Münchens per Abstimmung dafür aussprechen. Damit das auch geschieht, macht die Stadt fleißig Werbung für das Vorhaben: „Für Leidenschaft & Wirtschaftskraft“ solle Olympia laut der Website olympiabewerbung-muenchen.com zum Beispiel sorgen, der Wirtschaft durch „langfristige Entwicklung“ ein Schub verpasst werden. Olympia als Wirtschafts-Booster für München – ist das realistisch?

„Wichtiger Anschub für die Infrastruktur“: Große Hoffnungen ruhen auf den Stadt-Plänen

Die Wirtschaft solle besonders durch eine verbesserte Infrastruktur profitieren, meint die Stadt im Netz. Auf der Website sind die Bauprojekte aufgelistet, die im Zuge der Olympiade vorangetrieben werden sollen: So soll etwa das U-Bahn-Netz um eine Linie U9 erweitert werden, außerdem ein lange erwarteter S-Bahn-Ringschluss im Norden endlich realisiert werden.

Laut Marc Wißmann, Geschäftsführer des Planungsverbands Äußerer Wirtschaftsraum München, könnte Olympia für die Entwicklung der Region ein Segen sein: „Für den Ausbau der Infrastruktur in München könnten die Olympischen Spiele einen wichtigen Anschub bringen“, erklärt er auf Anfrage von IPPEN.MEDIA. Das läge auch daran, dass der Bund und das Land Bayern hohe Investitionen zugesagt hätten, sollten die Spiele tatsächlich nach München kommen. „Die Investitionen werden der regionalen Bevölkerung langfristig zugutekommen“, ist sich Wißmann sicher.

„Halte ich für wenig attraktiv“: TUM-Professor zweifelt an Infrastruktur-Projekten

Wißmanns Verband, der PV Äußerer Wirtschaftsraum München, ist ein Zusammenschluss der Landeshauptstadt München mit den umliegenden Kommunen und berät seine Mitglieder in vielen Planungsaufgaben. Dass er bei den Vorbereitungen auf Olympia eine besondere Planungsrolle übernehmen wird, sei möglich, zurzeit aber noch nicht sicher abzusehen, erklärt Wißmann auf Nachfrage der Redaktion.

Doch nicht alle sind so restlos von den Infrastruktur-Vorhaben der Stadt überzeugt. Prof. Dr. Alain Thierstein, emeritierter Professor am Lehrstuhl für Raumentwicklung der TU München, erklärte im Gespräch mit IPPEN.MEDIA seine Vorbehalte: „Die von der Stadt angedachten ÖPNV-Projekte sind differenziert zu betrachten. Die Errichtung der U9 sowie der Ausbau der U4 halte ich für wenig attraktiv, da es meiner Meinung nach auch günstigere und schneller realisierbarere oberirdische Alternativen per Bus oder Tram gegeben hätte.“ Für deutlich sinnvoller halte er hingegen den geplanten S-Bahn-Nordringschluss: Dieser könne eine wichtige Querverbindung zwischen großen Arbeitgebern und den Beschäftigten schaffen, sagt Thierstein.

Viele neue Aufträge: Die Bauindustrie setzt auf Olympia

Wie groß der wirtschaftliche Nutzen dieser neuen ÖPNV-Projekte am Ende wirklich ist, steht also noch nicht endgültig fest. Sicher ist nur: Jedes dieser Projekte muss erst noch gebaut werden. Profitiert also am Ende besonders die bayerische Bauindustrie? Ja, sagt Thomas Schmid, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Bauindustrieverbands: „Ein gewisser Schub für die bayerische Bauwirtschaft ist tatsächlich zu erwarten“, erklärt er gegenüber IPPEN.MEDIA.

Die geplanten Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur versprächen viele neue Aufträge, zudem müssten einige Sportstätten erneuert oder gar ganz neu gebaut werden. Und: „Das Olympische Dorf von 1972 ist mittlerweile stark sanierungsbedürftig - die Ausrichtung von Olympia würde diese Sanierung erheblich beschleunigen“, behauptet Schmid. Auch das könne der derzeit angeschlagenen Branche helfen.

Doch kein Bau-Boost? Warum Merz` Schuldenhammer den Bau-Hoffnungen im Wege stehen könnte

Doch auch hier bestehen Zweifel: Prof. Dr. Wolfgang Maennig, Wirtschaftsprofessor an der Universität Hamburg und selbst ein ehemaliger Olympionike, äußerte IPPEN.MEDIA gegenüber Bedenken: Die höheren Investitionen würden der Branche nur dann helfen, wenn die Kapazitäten der Bauindustrie nicht ohnehin schon ausgelastet wären. „Dies dürfte aber angesichts des sogenannten Sondervermögens durchaus der Fall sein“, mahnt Maennig. Der Gedanke: Anstatt mehr würde nur etwas anderes gebaut werden – der Effekt für die Branche sei somit doch nur gering.

Thomas Schmid sieht das anders. Auf Nachfrage unserer Redaktion antwortet er: „Die bayerische Bauindustrie verfügt über hinreichende Kapazitäten, um die durch Olympia anfallenden, zusätzlichen Baumaßnahmen umsetzen zu können.“ Es bestehe keine Gefahr, dass es anderswo zu Verzögerungen oder Engpässen kommen könnte. „Diese Sorge ist also unbegründet“, versichert Schmid.

„Die ganze Welt zu Gast in Bayern“: Hotels und Gaststätten freuen sich auf Olympia

Olympia bedeutet auch, dass hunderttausende Sportfans aus aller Welt die Reise nach München antreten wollen. Wenig überraschend erklärt deshalb der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga Bayern gegenüber unseren Zeitungen seine Unterstützung für die Spiele: „Olympia bietet unseren Betrieben und unseren Gästen nicht nur in München, sondern in ganz Bayern langfristige Chancen“, sagt Dr. Thomas Geppert, der Landesgeschäftsführer des Verbandes. „Für die Auslastung der Betreibe ist es selbstverständlich eine große Chance, schließlich wird die ganze Welt zu Gast sein.“

Die ganze Welt zu Gast in Bayern? Das könnte ganz schön viel Arbeit machen. Deshalb solle Olympia auch für neue Jobs sorgen, meint Oberbürgermeister Reiter auf Instagram. Auch Geppert sieht das so: „Olympia wird sicherlich positive Beschäftigungseffekte haben“, sagt er. Die Arbeitsagentur stimmt ihm zu: „Bei sportlichen Großveranstaltungen ist es üblich, dass es einen höheren Bedarf an Arbeitskräften gibt“, sagt Susanne Schnieber von der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Das hätte man bereits im letzten Sommer im Zuge der Fußball-EM deutschlandweit sehen können.

Rollt dank Olympia eine Job-Welle? Warum die Arbeitsagentur hier Zweifel hat

Jedoch bremst Schnieber die Hoffnungen, dass Olympia langfristig neue Jobs sichern könnte: „Ob sich daraus langfristige Jobchancen ergeben, hängt auch davon ab, ob und wie es in der Region gelingt, anknüpfende Folgeevents zu veranstalten.“ Denn auch, wenn München bereits jetzt jede Woche viele Sport-Highlights bietet; dass der Bedarf an mehr Arbeitskraft nach Olympia gleich bleiben wird, ist zweifelhaft.

Schaut er auf die Hotellerie, sieht Wirtschaftsprofessor Prof. Dr. Wolfgang Maennig ebenfalls Zweifel: „Die Hotels können dank Olympia zweifelsohne höhere Preise verlangen“, sagt er. Jedoch kämen diese besonders bei großen Hotelketten vor allem den Aktionären zugute, die in einigen Fällen außerdem im Ausland säßen. Zudem sei er nicht überzeugt davon, dass durch Olympia die Auslastung der Hotels wachsen würde: Oft kämen zu solchen Ereignissen lediglich mehr Sportfans, während andere Touristen die Stadt zu der Zeit meiden würden.

Ernüchterndes Gesamtfazit: Diesen Schluss ziehen die Ökonomen

Doch wie sähe der gesamtwirtschaftliche Effekt für den Austragungsort München aus? Maennig ist auch hier zurückhaltend: „Ökonomen haben ansonsten wenig Konsens. Was die langfristigen Auswirkungen auf Einkommen, Beschäftigung, Steuern und mehr betrifft, sind sie sich jedoch einig, dass keine signifikanten langfristigen Wirkungen nachzuweisen sind.“

Ihm stimmt das renommierte Münchner Ifo-Institut zu, das erst im vergangenen Sommer eine Studie „Zu den wirtschaftlichen Effekten von sportlichen Großereignissen“ verfasste. Die Kernaussage hier: „Unsere Forschungsergebnisse zeigen eher kleine Effekte, die auf wenige Sektoren begrenzt und selten nachhaltig sind.“ Die Zweifel an dem „Wirtschafts-Booster“ Olympia bleiben also - und dürften wohl bis zum möglichen Entzünden des olympischen Feuers in einigen Jahren bestehen bleiben. (lf)