Massive Sicherheitslücken, fehlende Technologie und ignorierte Warnungen: Ein Enthüllungsbericht des israelischen Fernsehsenders N12, über den auch The Jerusalem Post berichtet, zeigt, wie die milliardenschwere Hightech-Barriere entlang des Gazastreifens am 7. Oktober versagte – mit katastrophalen Folgen.
„Die Grenze war weder smart noch tödlich – sie war eine Illusion“
Das Verteidigungsministerium hatte das 2021 fertiggestellte Projekt als „bahnbrechend“ gefeiert: Mit Robotern, Sensoren und autonomen Systemen sollte die Anlage jegliche Infiltration verhindern. Doch laut mehreren Projektbeteiligten blieb vieles davon Theorie. „Wo sind all die Technologien, die man uns versprochen hat?“, fragte ein hochrangiger Offizier. „Die Grenze war weder smart noch tödlich – sie war eine Illusion.“
Von den rund fünf Milliarden Schekel (etwa 1,25 Milliarden Euro) Budget floss der Großteil in unterirdische Tunnelsperren, während für den oberirdischen Zaun nur 122 Millionen Schekel blieben. Genau dieser Teil wurde später von Hamas-Kämpfern mit Sprengstoff und Bulldozern durchbrochen. Frühere Warnungen, dass ein Masseneinmarsch über Land die größte Gefahr sei, verhallten ungehört.
Israelischer Geheimdienst erhielt bereits 2018 ein detailliertes Angriffsszenario
Bereits 2018 hatte der israelische Geheimdienst den Hamas-Plan „Jericho Wall“ erhalten. Ein detailliertes Angriffsszenario, das einen massenhaften Übertritt über die Grenze vorsah. Trotzdem wurde die Barriere nicht angepasst. „Man bereitete sich auf den letzten Krieg vor, nicht auf den nächsten“, sagte ein Offizier des Südkommandos.
Besonders brisant: Laut dem Bericht führte Hamas Wochen vor dem Angriff Testexplosionen an der Mauer durch – ohne nennenswerte Reaktion des israelischen Militärs. Simulationsübungen, um mögliche Schwachstellen zu testen, seien nie durchgeführt worden.
„Sie wollten ein paar Pennies sparen und das System brach zusammen“
Auch die Einsatzbereitschaft der Armee war mangelhaft. Am Morgen des 7. Oktober waren nur 14 Panzer einsatzfähig. Einige wurden wegen „Sparvorgaben“ auf Transportern abgestellt, um Motorstunden zu sparen. Ein Vater eines Geiselüberlebenden kritisierte: „Sie wollten ein paar Pennies sparen und das System brach zusammen.“
Interne Streitigkeiten zwischen der Armeeführung verschärften die Lage. Während der damalige Südkommandeur Herzi Halevi (heute Generalstabschef) neue Detektionssysteme an der Gaza-Grenze forderte, ließ sein Vorgesetzter Aviv Kochavi sie im Norden installieren.
Verteidigungsministerium widerspricht
Trotz der massiven Kritik wurde Projektleiter Brig.-Gen. Eran Ophir jüngst zum Generalmajor befördert. Eine Entscheidung, die unter Veteranen für Empörung sorgt. Ein ehemaliger Ingenieursoffizier zog den bitteren Vergleich: „Wie die Maginot-Linie – teuer, beeindruckend, aber trügerisch. Sie schuf eine Illusion der Sicherheit.“
Das Verteidigungsministerium verteidigte sich: Die Barriere habe über 30 Tunnel blockiert und die Sensorik frühzeitig gewarnt. Die oberirdische Struktur sei jedoch nie für einen Massenangriff ausgelegt gewesen.
Auch die israelische Armee (IDF) reagierte mit einer Stellungnahme, in der sie auf „eingehende Untersuchungen zum Verteidigungskonzept an der Gaza-Grenze“ verwies. Gleichzeitig betonte sie, dass Versuche, aktuelle Fehler direkt mit früheren Geheimdienstinformationen zu verknüpfen, „manipulativ und unprofessionell“ seien.