Rund 1100 Kilometer non-stop durch die Alpen: Michael Hickisch hat sich an das Bikepacking-Event „Sneak Peaks“ gewagt und die Herausforderung gemeistert.
Berg – Wenn schon ein Abenteuer, dann bitte auch mit der passenden Bezeichnung. Michael Hickisch wählte für seine Tour denn gleich einmal die „Adventure“-Strecke, die mit Abstand längste Distanz bei der Bikepacking-Expedition „Sneak Peaks“.
1100 Kilometer und rund 40 000 Höhenmeter waren dabei zu schaffen. Die galt es, ähnlich dem weltberühmten „Race across America“, non-stop zu absolvieren. Eine krasse Aufgabe – die Hickisch tatsächlich löste. Letztlich bewältigte nicht einmal die Hälfte der insgesamt 110 Teilnehmer das „Sneak Peaks“-Event.
Hickisch kam nach 219 Stunden (entspricht neun Tage und drei Stunden) am Zielort Bozen an, dort war auch der Start erfolgt. Der zehnte Platz war das für ihn. Der Erste im Ziel war der Franzose Florent Rodot, der die „Adventure“-Strecke in nur 143 Stunden gepackt hatte. „Für mich ist das ein Rätsel, wie die das schaffen“, blickte Hickisch mit Erstaunen auf die Top-Leute. Dem Vernehmen nach fuhr Rodot die letzten beiden Tage ohne große Pause durch.
Athlet ist auf sich selbst gestellt
Hickisch hatte mit fünf, sechs Stunden Schlaf pro Tag geplant, der Aspekt „Regeneration“ spielte für ihn eine wichtige Rolle. Und er hatte es tatsächlich immer geschafft, sich eine Unterkunft zu organisieren. Einmal übernachtete er auf einem Campingplatz im Biwak-Sack. Das ist bei solchen Bikepacking-Veranstaltungen eben auch die Herausforderung: Es ist keine Unterstützung von außen erlaubt; jeder muss selbst zusehen, wo er schläft, wie er sich verpflegt und wie er mit technischen Defekten zurechtkommt. „Man muss immer was organisieren. Es wird nicht langweilig“, sagt Hickisch.
Er selbst hatte zu Beginn des Rennens mit einem Tubeless-Reifen zu kämpfen, der stetig Luft verlor. Das Problem bekam er, unter anderem mit Hilfe der späteren Frauen-Siegerin Martka Popiel (Polen/9:19 Tage), die einen Schlauch zur Verfügung stellte, in den Griff. Ansonsten blieb der 33-Jährige von größeren Problemen verschont.
Die Anstrengungen waren aber auch so genug. Allein das Gewicht des Bikes samt Kleidung, Schlafutensilien und Verpflegung betrug zwischen 20 und 25 Kilo. „Man erlebt extreme Höhen und Tiefen“, berichtet Hickisch. Die längste Zeit, die er durchgehend auf dem Rad verbrachte, waren 17:30 Stunden; nur unterbrochen von Essenspausen. Apropos Verpflegung: „Man stopft den ganzen Tag ungesunde Sachen in sich rein“, berichtet Hickisch. Er verdünnte Honig mit Wasser und nahm so übers Trinken viele der benötigten Kalorien auf. Der stete Zuckerzufluss strapazierte allerdings die Mundhöhle. Irgendwann war die Zunge blutig, Hickisch musste zwischenzeitlich auf Semmeln und dergleichen ausweichen.
Lange Strecken schieben und tragen
In vielen Phasen der Tour „habe ich unglaublich gefroren“ – eine Folge der körperlichen Belastungen. Gerade zur Nachmittagszeit „bin ich müde geworden“. Befand er sich dann an einem der Check-Points, die auf Berghütten lagen, „musste ich mich sehr anstrengen, weiterzufahren“.
Nun ja, das mit dem Fahren ist beim „Sneak Peaks“ so eine Sache: Da es quer durch und über die italienischen Alpen geht, gibt es auch Schiebe- und Tragepassagen. Die längste derartige Strecke am Stück maß um die 23 Kilometer, insgesamt kamen um die 50 Kilometer zusammen. Das sei nicht zuletzt mental anstrengend gewesen, so Hickisch. „Man hat das Gefühl, man kommt gar nicht vom Fleck.“ Die Route erhielt jeder Teilnehmer per GPS-Track, außerdem gibt‘s ein Roadbook. Da Hickisch kurz vor dem Event beruflich ziemlich eingespannt war, hatte er das Roadbook eher beiläufig zur Kenntnis genommen und eben jene lange Passage, als es in Richtung Schweiz ging, übersehen.
Die „Adventure“-Strecke führte von Bozen aus nach Süden, der erste Checkpoint bildete das Albergo Brenta. Über Madonna di Campiglio geht es nach Westen über die Rifugio Eita ein klein wenig durch die Schweiz (mit dem Berninapass) wieder nach Italien. Von Livigno ging es ostwärts in Richtung Cortina d‘Ampezzo und südlich davon durch die Dolomiten zurück nach Bozen. Der höchste Punkt befand sich auf 3150 Metern Höhe.
Eineinhalb Jahre hatte sich Michael Hickisch auf das „Sneak Peaks“ mittels Trainingsplan vorbereitet. In dieser Zeit verlor er fünf Kilo Gewicht. Davor hat er schon zwei solcher Bikepacking-Veranstaltungen absolviert, darunter 2024 das „Italy Divide“, das von Neapel an den Gardasee führt. Bei solchen Ultradistanzen komme es etwa zu einem Drittel auf die körperlichen Fähigkeiten an, sagt Hickisch. „Den Rest macht der Kopf aus.“
Ausdauer als große Stärke
Vor rund vier Jahren hatte sich Hickisch, in Berg bei Oberhausen wohnend, ein Gravelbike zugelegt. Danach gerieten die Ultradistanzen in seinen Blick. „Ich fand das spannend.“ Und so sei er „in die kleine Blase dieser Langstreckenfahrer“ geraten, erzählt der 33-Jährige. Wobei die Zahl an derartigen Events weltweit zunimmt.
Hickisch, der als Ingenieur für energieeffizientes Bauen und als Energieberater arbeitet, ist im Training naturgemäß viel auf dem Rad unterwegs – pro Woche um die acht, neun Stunden. Die Lebensgefährtin ist bei Ausfahrten auch des Öfteren dabei. Darüber hinaus mag er es abwechslungsreich: „Ich mache viel Krafttraining, gehe gern zum Laufen.“ Fit ist Hickisch also, wenngleich er betont: „Ich bin nicht schnell unterwegs.“ Bei einer Radtour habe er „noch nie einen 30er-Schnitt gehabt“. Auf der anderen Seite kann er ein gewisses Tempo ultralange durchhalten: „Ich werde halt nicht müde.“
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Die nächste Bikepacking-Tour ist schon im Visier: Im Juli 2026 möchte Hickisch das „Three Peaks Bike Race“ absolvieren, das von Wien nach Barcelona führt. Der Name „Three Peaks“ leitet sich von den drei Gipfeln her, die unbedingt passiert werden müssen: der Mangart-Sattel in Slowenien, das Kitzbüheler Horn in Österreich und der Col de la Loze in Frankreich. Den Rest der Route dürfen die Teilnehmer selbst planen.