„Ja, wir brauchen eine verpflichtende, flächendeckende Musterung für Männer. Wenn der Verteidigungsfall, den wir unbedingt verhindern wollen, doch eintreten sollte, tritt nach dem Grundgesetz die Wehrpflicht unmittelbar wieder in Kraft. Dann müssen wir wissen, wer einsatzbereit ist und wer nicht“, sagt Pistorius zu "Bild am Sonntag".
Es sei ein „schwerwiegender Fehler“ gewesen, die Kreiswehrersatzämter abgeschafft und Daten nicht mehr erhoben zu haben. Der Minister betonte: „Wir bauen jetzt neue, moderne Strukturen auf. Ab Mitte 2027 sind wir so weit. Dann können wir wieder flächendeckend mustern.“ Eine solche Rückkehr zur Musterung hätte auch eine Signalwirkung an Russlands Präsident Wladimir Putin: „Wenn wir wieder alle Männer eines Jahrgangs mustern und die Daten aller Wehrfähigen erheben, wird das auch in Russland wahrgenommen. Anders ausgedrückt: Auch das ist Abschreckung!“
Pistorius will weiter auf Freiwilligkeit setzen
Mit Blick auf den Gesetzentwurf, der seit Donnerstag im Bundestag liegt, sagte Pistorius, das Parlament müsse entscheiden, ob ein Losverfahren wie von der Union vorgeschlagen eingeführt werde. „Wir werden uns als Ministerium hier selbstverständlich ebenfalls einbringen“, sagte er.
Pistorius betonte, dass er weiter auf Freiwilligkeit setzen will: „Zwar haben wir in meinem Gesetz einen Mechanismus verankert, was passiert, wenn Freiwilligkeit nicht ausreichen sollte. Wir werden aber am Ende eine stärkere Verteidigung haben, wenn wir junge motivierte Menschen davon überzeugen, sich aus freien Stücken zu bewerben.“
Sicherheitslage hat sich seit Russlands Angriffskrieg verschärft
Der Verteidigungsminister ist überzeugt, genügend junge Menschen für den freiwilligen Wehrdienst gewinnen zu können. Er schilderte ein Treffen mit Vertretern der Bundesschülerkonferenz: „Sie wissen sehr wohl zu schätzen, dass wir in Freiheit und Wohlstand leben. Sehr viele sind bereit, dieses Leben in Deutschland zu verteidigen. Mir ist wichtig, dass wir unserer jungen Generation nicht nur einfach Pflichten aufbürden, sondern dass wir sie mit all ihren Fragen ernst nehmen.“
Nach der Vollinvasion Russlands in der Ukraine 2022 habe sich die Sicherheitslage verschärft. Pistorius: „Jede und jeder sollte sich fragen, was er oder sie zur Sicherheit des Landes beitragen kann. Das muss ja nicht zwingend nur bei der Bundeswehr sein.“
Bedrohung durch Russland: Pistorius setzt auf Zusammenarbeit mit Kanada und Großbritannien
Pistorius (SPD) hat außeerdem die Bedeutung der Zusammenarbeit mit den Nato-Verbündeten im Norden angesichts wachsender Bedrohungen durch Russland betont. Zu "Bild am Sonntag" sagte Pistorius im Vorfeld seiner Reise nach Island, Kanada und Großbritannien: „In der Arktis und im Nordatlantik verlaufen wichtige Handelsrouten und Kommunikationslinien. Diese müssen wir schützen. Heute mehr denn je. Denn Putin fordert unsere Sicherheit auch dort heraus. Er remilitarisiert die Arktis. Die russische Nordflotte ist eine potenzielle Gefahr für Kommunikations- und Transportwege zwischen den Nato-Alliierten.“
Mit nuklear bewaffneten U-Booten könne Moskau Ziele in Europa erreichen, warnte der Verteidigungsminister. „Dieser potenziellen Bedrohung setzen wir eine starke maritime Sicherheitspartnerschaft entgegen, zu der auch Kanada gehört“, so Pistorius. „Es gibt viele Möglichkeiten, künftig noch enger zu kooperieren. Durch gemeinsame Lagebilder, gemeinsame Übungen unserer Soldatinnen und Soldaten und durch gemeinsame Rüstungsprojekte mit gemeinsamer Wartung und Logistik.“
Pistorius hob zugleich die enge Zusammenarbeit mit Großbritannien hervor. „Berlin und London arbeiten aktuell an sage und schreibe 27 Projekten. Dazu zählt die Ausstattung unseres gemeinsamen Pionierbrückenbataillons mit modernen Systemen. Wir beschaffen gleiche Waffensysteme, wie den neuen Seefernaufklärer Poseidon P8A, und können dann auch gemeinsam trainieren und warten.“