Einzelne Schrauben kaufen? Oder diese ganz spezielle Unterlegscheibe? Wer solche ‚Unikate‘ braucht, für den ist Eisenwaren Jehle in der Malteserstraße die perfekte Adresse. Ab dem 6. Dezember ist das aber Geschichte: Das Geschäft in der Malteserstraße schließt seine Pforten – nach fast 100 Jahren.
Landsberg – Die leeren Plätze in den Regalen und an den Wänden werden mehr, die Waren Stück für Stück weniger. „Total-Räumungsverkauf“ steht auf gelben Transparenten an der Fassade, „20 Prozent auf alle Artikel“ auf roten Schildern an den Fenstern. Noch bis zum 6. Dezember ist „Eisenwaren Jehle“ geöffnet, dann schließt Stefan Jehle die Eisenwarenhandlung für immer – nach 94 Jahren.
Eisenwaren Jehle in Landsberg schließt - vom Großvater in der Alten Bergstraße gegründet
„Ich führe das Geschäft ungefähr seit 1995, und es hat sich trotz der Konkurrenz durch die Baumärkte gut entwickelt und gehalten“, sagt Jehle. „Es hatte auch immer seine Daseinsberechtigung“, fährt er fort, allerdings habe es in den letzten Jahren einen spürbaren Wandel gegeben, bedingt durch den Onlinehandel und die generelle wirtschaftliche Veränderung. So seien auch einige der Firmen, von denen er lange Zeit Waren bezogen habe, mittlerweile pleite gegangen. „Mein Geschäft trägt sich wirtschaftlich zwar noch“, so Jehle, „ist aber nicht mehr sinnvoll. Ich sage immer: Die analoge Kundschaft stirbt aus und die digitale geht einfach andere Wege.“
An Digitalisierung dachte jedoch noch niemand, als der Großvater von Stefan Jehle am 14. November 1931 ein Geschäft in der Alten Bergstraße in Landsberg erwarb und damit die 94 Jahre dauernde Geschichte von „Eisenwaren Jehle“ begründete. Nach ihm übernahmen seine beiden Söhne den Betrieb und zogen damit an den heutigen Standort in der Malteserstraße um. Bei der Verwandlung des ursprünglich landwirtschaftlichen Anwesens in einen Laden half Stefan Jehle tatkräftig mit, indem er unter anderem „in jugendlichem Alter Kanäle gegraben“ hat, wie er erzählt. „Ich bin im Geschäft aufgewachsen, es war immer um mich herum.“ Deshalb entschied Jehle sich auch bewusst dafür, in die Fußstapfen seines Vaters und seines Onkels zu treten und den Betrieb weiterzuführen – auch wenn seine Mutter ihn lieber im Finanzamt gesehen hätte.
Als er schließlich das Geschäft übernahm, waren nicht Steuerbescheide, sondern Eisenwaren, Beschläge, Werkzeuge, Haushaltswaren und Imkerartikel sein täglich Brot – Letztere „eine Liebhaberei von meinem Vater, die ich auch weiterführen durfte … musste“, sagt Jehle und lacht. Ein Schritt, den er nie bereut hat, auch wenn das Leben ihm den einen oder anderen Stein in den Weg gelegt hat. „Steine sind dazu da, dass man sie aus dem Weg räumt oder umgeht“, so sein Credo, mit dem er immer gut gefahren ist.
Eisenwaren Jehle in Landsberg schließt die Pforten - aber Stefan Jehle arbeitet noch weiter
Deshalb ist Stefan Jehle auch nicht verbittert darüber, dass seine Söhne das Geschäft nicht übernehmen und die Ära „Eisenwaren Jehle“ im Dezember zu Ende geht. Er habe seine Söhne nie dazu gedrängt, den Betrieb weiterzuführen. „Es war damals schon abzusehen, dass es immer schwieriger wird und man sich immer mehr anstrengen muss und es für meine Söhne vielleicht andere Wege gibt.“
Ganz aufzuhören kommt für Jehle aber nicht in Frage, auch wenn er kürzer treten will und die Freizeit mehr Gewicht bekommen soll. Er werde sich zwar vom Sortiment, dem „Klotz am Bein“, wie er es ausdrückt, trennen, aber den Betrieb in den gleichen Räumen als Schlüsseldienst und Sicherheitsfachgeschäft weiterführen. „Ich werde nur noch das machen, was ich alleine tun kann“, sagt Jehle, „vielleicht mit ein wenig mehr Service vor Ort.“
Ob er die dunkelbraune deckenhohe Schrankwand behalten wird, deren zahlreiche Schubfächer vom Schließzylinder über Beschläge bis zu Scharnieren alle möglichen Kleinteile enthalten und die dem Geschäft einen ganz besonderen Flair gibt, steht noch in den Sternen. „Die ist 150 Jahre alt“ erzählt Stefan Jehle. „Mein Vater und mein Onkel haben sie gebraucht gekauft, und beim Zusammenbauen hat mein Onkel auf manchen Fächern die unterschiedlichsten Dinge vermerkt, zum Beispiel, wie das Wetter an jenem Tag war.“
Trotz dieser Erinnerungen fällt es Jehle nicht schwer, den Schritt zu gehen und „Eisenwaren Jehle“ zu schließen. „Ich bin guter Dinge“, sagt er mit einem Lächeln, „und ich freue mich auf das Neue, das jetzt kommt.“
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