Schon seit Jahren hatte ich vor einem Bayern-Spiel im Oktober nicht mehr so viel Angst

Spielplanmacher denken sich ja etwas bei den Konstrukten, die sie im Sommer aufsetzen. Was sie diesmal nicht vorgesehen hatten: Dass der siebte Spieltag fast existentielle Bedeutung für den weiteren Verlauf der Saison einnimmt.

Vier Punkte liegt der FC Bayern vor Borussia Dortmund, am Samstagabend gastiert der BVB in München, und wenn es so läuft, wie es in den Vorjahren öfter lief, dann sind es am späteren Samstagabend sieben Punkte. (Ja, RB Leipzig kann auf fünf dranbleiben.)

Im Sinne einer Meisterschaft, die diesen Namen verdient, also mein halb entwaffnendes, halb verzweifeltes und natürlich augenzwinkerndes Geständnis: Lange hatte ich vor einem Bayern-Spiel im Oktober nicht mehr so viel Angst! Weil die Münchner gerade beängstigend gut sind.

Wie Kompany den FC Bayern weiter verbessert hat

Selbst für den ewigen Rekordmeister bedeuten zehn Siege aus zehn Pflichtspielen mit 38 erzielten Toren historische Bestmarken. 

Bayern-Trainer Vincent Kompany hat sich und sein Team in dieser Saison spürbar vorangebracht. Dabei sind die Anpassungen eher evolutionär.

Bayern-Trainer Vincent Kompany (l.) und BVB-Coach Niko Kovac.
Bayern-Trainer Vincent Kompany (l.) und BVB-Coach Niko Kovac. Getty

Kompany rotiert häufiger, nicht zuletzt dem engmaschigen Kader geschuldet, er dosiert Kräfte, verteilt Verantwortung und erhöht die Motivation. "Man muss sagen, dass alle funktionieren", meinte Joshua Kimmich vor der Länderspielpause.

Das Pressing – im Vorjahr teils eine extrem exerzierte Doktrin – adaptierte Kompany zu einem ökonomischeren, ausgewogeneren Stil. Die Bayern gewähren ihrem Gegner jetzt mehr Platz und trotzdem weniger Großchancen. 

In der Spieleröffnung legt Kompany großen Wert auf Details wie die richtigen Passwinkel. Wichtig ist ihm andauernde Aktivität und Variabilität in der Art und Weise, wie Ballbesitzphasen zu Torchancen führen sollen. 

Die Mechanismen greifen harmonisch ineinander, Einzelne stimulieren das Kollektiv und umgekehrt. Harry Kane, dem bereits 18 Pflichtspieltore gelangen, wähnt sich auf dem "Höhepunkt" seiner Karriere.

Kovac-Ansage: BVB muss gegen Bayern "wie eine Faust sein"

Hoffen dürfen die Nicht-Bayern-Fans auf die Dortmunder, bei denen sich der Vorjahrestrend in dieser Saison fortsetzt. Unter Coach Niko Kovac kassiert der BVB weniger Tore, schießt selbst aber mehr. Bisher holte der Kroate im Schnitt 2,1 Punkte pro Partie – kein BVB-Trainer hat eine bessere Bilanz. 

In einer "Kovac-Tabelle", also allen Bundesligaspielen seit seinem Amtsantritt im Februar, führt Bayern mit 49 Zählern vor dem BVB mit 42. Saisonübergreifend sind die Westfalen aktuell 14-mal in Folge ungeschlagen, sie wirken geschlossener, homogener und stabiler, besonders auswärts.

Jubel bei Borussia Dortmund nach einem Tor.
Jubel bei Borussia Dortmund nach einem Tor. Getty

Problemfälle wie Karim Adeyemi, Julian Brandt oder Yan Couto hat Kovac über Monate geduldig aufgebaut, zudem ist sein eigenes Auftreten ein anderes als früher, souveräner. "Man versucht ja, sich als Mensch zu verbessern. Als Trainer hat man sich sicher auch weiterentwickelt", sagte er. 

In Dortmund ist die anfängliche Skepsis gegenüber Kovac gewichen, die BVB-Bosse verlängerten seinen Vertrag bis 2027. 

Der BVB wisse "um die Wichtigkeit des Spiels" in München, wo Kovac zwischen Sommer 2018 und Herbst 2019 drei Titel gewann. "Die Bayern sind der Favorit, das kann keiner abstreiten, aber wir sind der Außenseiter, der dem Gegner schon wehtun möchte", sagte er und wählte ein durchaus interessantes Bild, um den Dortmunder Ansatz zu verdeutlichen: "Wir müssen wie eine Faust sein. Eine Faust tut mehr weh als eine Schelle."