Thomas Schöberl erweckt das historische Erding in Animationsfilmen zum Leben

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Erding anno dazumal in Farbe und 3D: Animationen wie diese zeigt Thomas Schöberl auf YouTube © Thomas Schöber You Tube

Der Animationsfilmer visualisiert das mittelalterliche Erding und begeistert mit seinen YouTube-Videos eine wachsende Community.

„Wie haben die Menschen im Mittelalter in Erding gelebt?“: Diese Frage stellte sich Thomas Schöberl, der dazu mittlerweile zahlreiche Animationsvideos erstellt hat. Auf Facebook diskutieren in der von ihm gegründeten Gruppe „Historisches Erding“ bereits über 2200 Mitglieder leidenschaftlich über alte Fotos aus der Herzogstadt. Die erste Begegnung mit der Erdinger Vergangenheit hatte er in seiner Kindheit.

An der Infotafel zum Reihengräberfeld an der Moosinninger/Ecke Merowinger Straße zeigt Thomas Schöberl auf das Bild der fünf Buben, die vor 60 Jahren den spektakulären Fund machten.
Verewigt: An der Infotafel zum Reihengräberfeld an der Moosinninger/Ecke Merowinger Straße sind die fünf Buben verewigt. © Gerda Gebel

Aufgewachsen an der Münchener Straße, spielte der kleine Thomas vor 60 Jahren mit seinem Bruder Hermann und drei Spezln an einer Kanal-Baustelle an der Liegnitzer Straße. Knochenstücke im Erdreich weckten das Interesse der Buben, die schließlich neben den Knochen auch drei Schädel, ein Langschwert und Pfeilspitzen zutage förderten. „Wir haben die Fundstücke mit heimgenommen und bei uns im Gartenhäuschen abgelegt“, erzählt der heute 68-jährige Erdinger.

Bahnbrechender Fund begeistert Fachwelt

Am nächsten Tag informierte Mutter Else Schöberl den damaligen Kreisheimatpfleger Eugen Press. Die Fachwelt war begeistert über den bahnbrechenden Fund des bajuwarischen Reihengräberfeldes, für die fünf Schulbuben folgte ein Presseinterview mit Fotos, „dann war für uns das Thema erledigt“, konstatiert Schöberl.

Nach dem Schulabschluss wurde er Bankkaufmann und war 42 Jahre bei der örtlichen Hypobank tätig. Als vor 25 Jahren eine alte Tante ins Altenheim zog, sichtete der Neffe alte Unterlagen und Fotos, arbeitete sich durch Kirchenbücher und Archive, um eine ausführliche Familienchronik mit Stammbaum zu erstellen. Das Interesse an der Vergangenheit war geweckt.

In Erding erinnert sich noch mancher Einwohner an das Seilergeschäft von Seilermeister Georg Schöberl neben dem Frauenkircherl und später am Kleinen Platz, das dann von seinen Eltern weitergeführt wurde. An Schöberls Arbeitsplatz in der Bank hing ein großer Stich von Michael Wenning mit einer Stadtansicht von Erding aus dem Jahr 1723, der den Banker oft beschäftigte.

Wie könnte die Stadt aus einer anderen Perspektive aussehen? fragte sich der EDV-affine Tüftler und machte sich an die Arbeit. Mithilfe alter Stadtpläne, Fotos und dem Animationsprogramm Cinema 4D erstellte er einen virtuellen Stadtplan am Computer, „baute“ auf den Grundrissen Häuser. Um die Proportionen weitgehend realistisch darzustellen, war Schöberl sogar mit dem Meterstab unterwegs, um Fixpunkte wie das Frauenkircherl abzumessen.

86 000 Zugriffe auf 20 Filme

Nach mehreren Monaten intensiver Arbeit präsentierte er 2014 den ersten Film „Stadtrundgang 1865“ auf YouTube. „Es hat sehr viel Spaß gemacht, selber eine Stadt zu erschaffen“ meint der EDV-Spezialist, der inzwischen 20 Filme zu der Thematik erstellt hat. Auf seinem Account bei YouTube verzeichnet er über 86 000 Zugriffe. Auch die Geschichte der Stadt Dorfen hat Schöberl visualisiert, inzwischen werden die alten Filme aufgefrischt, um sie zum Beispiel im Aktivtreff der Senioren vorzuführen.

Schöberl und Genossen: obere Reihe v.l.: Gerhard Fischer, Hermann Schöberl, Robert Reiter, untere Reihe v.l. Manfred Schneider und Thomas Schöberl (EA-Archiv)
Die Buben mit dem spektakulären Fund: (hinten, v.l.): Gerhard Fischer, Hermann Schöberl, Robert Reiter, (unten, v.l.) Manfred Schneider und Thomas Schöberl. © EA-Archiv

Historisch aktiv ist der Unruheständler beim Archäologischen Verein und im Museum Erding. Dank Türmerin Doris Bauer begleitet Schöberl auch Führungen in der Stadt und auf den Stadtturm. Mithilfe einer Drohne hat Schöberl nun einen Film über die Sempt von der Quelle bis zur Mündung erstellt. „Das ist mein bisheriges Meisterwerk“.

Zusammen mit Gattin Anita hat Schöberl schon viel von der Welt gesehen, ist aber immer noch fasziniert von der Geschichte seiner Heimatstadt. „An den derzeitigen Ausgrabungen an der alten Stadtmauer schaue ich täglich vorbei“, sagt er. Mit den alten Schulfreunden verbindet ihn eine lose Freundschaft, 2015 erhielten sie den Archäologiepreis für ihren Fund. Auch beim Umbau seines Elternhauses wurden Bodenlöcher eines keltischen Langhauses gefunden – die Vergangenheit ist bei Thomas Schöberl immer präsent.