„Überaus unglücklich“: Experte rechnet nach Hamas-Razzia mit deutschen Behörden ab
Die islamistische Samidoun-Vereinigung und Hamas waren vor Wochen verboten worden. Jetzt erst gab es eine Razzia. Da lief viel schief, sagt ein Experte – und warnt vor einer weiteren Entwicklung.
Berlin – Was du heute kannst besorgen, das verschiebe lieber nicht auf irgendwann in drei Wochen. Ein Merksatz, der grundsätzlich nach einer guten Idee klingt – vor allem aber für Sicherheitsbehörden im Kampf gegen Extremisten und Terrorismus-Unterstützer. Doch zwischen dem Verbot der islamistischen Hamas und des Netzwerks Samidoun durch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und der Razzia am Donnerstag vergingen ganze drei Wochen. „Das ist überaus unglücklich gelaufen“, sagt Terrorismus-Experte Hans-Jakob Schindler vom Counter Extremism Project (CEP). Und er betont: Eine Razzia allein könne nur der Anfang sein.
Razzia gegen Hamas-Anhänger und islamistische Samidoun-Gruppierung
Bei der Razzia am Donnerstag wurden 21 Objekte unter anderem in Berlin, Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen untersucht. So durchsuchten die Ermittler in NRW die Wohnungen eines 50-Jährigen in Münster und eines 48-Jährigen in Bochum. Sie „sollen in die organisatorischen Abläufe möglicher Terrororganisationen der Hamas maßgeblich eingebunden sein“, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU).
Terrorismus-Experte: „Wer jetzt noch Dokumente hatte, ist dumm oder arrogant“
Ziel der Aktion sei es, Beweise zu sammeln und gegebenenfalls weitere Schritte einzuleiten. Nur genau das werde jetzt schwierig, sagt Schindler im Gespräch mit IPPEN.MEDIA. „Die Hamas-Anhänger hatten jede Menge Zeit, sich vorzubereiten. Wer von denen jetzt noch belastende Dokumente oder Gelder hatte, ist entweder dumm oder arrogant.“

Normalerweise werde in solchen Fällen eine Razzia an dem Tag durchgeführt, an dem Verbote gegen Vereine oder Gruppierungen ausgesprochen werden. „Das Vorgehen war sehr ungewöhnlich, denn eigentlich sind solche Verbotsvorgänge gut eingeübt“, so Schindler. Aus Insiderkreisen heißt es, es habe Kommunikationsprobleme gegeben. So soll den Behörden einiger Bundesländer der Verbotsbeschluss wochenlang nicht zugestellt worden sein – ohne den ist eine Razzia aber nicht möglich.
Samidoun und Hamas-Anhänger befürworten Gewaltanwendung
Die 2012 in den USA gegründete linksextreme Organisation Samidoun bezeichnet sich selbst als „Solidaritätsnetzwerk für palästinensische Gefangene“. Seit dem Beginn des Kriegs in Israel ist sie besonders aktiv. Sie befürworte Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung politischer Ansichten und unterstütze Vereinigungen, die Anschläge androhen, hieß es aus dem Bundesinnenministerium. Öffentlich aufgefallen waren am 7. Oktober Anhänger der islamistischen Szene im Berliner Stadtteil Neukölln, als sie Süßigkeiten als Ausdruck der Freude über den Hamas-Terrorangriff verteilt hatten.
Antisemitische Propaganda für die Hamas im Netz
Ein Verbot könne jetzt nur der allererste Schritt sein, sagt Experte Hans-Jakob Schindler: „Der Clou an solchen Verboten: Antisemitische Symbole der Gruppierung sind auch im Internet rechtswidrig.“ In den sozialen Medien hatte Samidoun verstärkt Propaganda für die Terrororganisation Hamas und Werbung für Demos gemacht, bei denen antisemitische Slogans skandiert worden waren. Das sei jetzt schwieriger. Allerdings müssen solche rechtswidrigen Posts angezeigt werden: „Da müssen die Behörden jetzt gezielt drauf achten und verhindern, dass die Leute unter neuem Namen einfach weitermachen.“
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Verbot von Generation Islam? Noch keine Antwort von Nancy Faeser
NRW-Innenminister Herbert Reul kündigte bereits an, „gegebenenfalls auch weitere Schritte einzuleiten. Das könnten dann zum Beispiel weitere Verbote sein.“ So hatte Reul vor Wochen gegenüber Bundesinnenministerin Nancy Faeser ein Verbot der islamistischen Gruppierungen „Generation Islam“ und „Muslim Interaktiv“ ins Spiel gebracht. Eine Antwort sei die Ministerin bislang schuldig geblieben, heißt es auf Nachfrage von IPPEN.MEDIA aus dem NRW-Innenministerium.