Unbeholfene Aktion - Warum Söders Kniefall nicht die Tiefe hatte wie Willy Brandt

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glomex Grünen-Frau nennt Söders Kniefall in Warschau einen „absoluten Tiefpunkt“
Dienstag, 17.12.2024, 10:46

Ein Kniefall beinhaltet eine symbolträchtige Botschaft. Was Markus Söders unbeholfene Aktion im Gegensatz zu Willy Brandts Geste 1970 ans Tageslicht bringt, erläutert Konflikt-Spezialist und studierter Bewegungslehrer Christoph Maria Michalski.

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Willy Brandts Kniefall: Eine Geste wahrer Demut

Willy Brandts Kniefall von 1970 vor dem Denkmal des Warschauer Ghettos war kein geplanter Akt für die Kameras, sondern eine spontane Geste tiefer Reue und Verantwortung.

Als Bundeskanzler eines Landes, das sich mit den Verbrechen der Nazi-Diktatur konfrontiert sah, kniete Brandt mit beiden Knien nieder. Die Symbolkraft seiner Handlung lag in der absoluten Hingabe: Körpersprachlich signalisiert der Kniefall auf beiden Knien die maximale Reduktion der eigenen Macht. Es ist ein Zustand der Unterwerfung, der im Kontext von Brandts Geste nicht als Schwäche, sondern als moralische Größe wahrgenommen wurde.

Psychologisch betrachtet übernahm Brandt Verantwortung für die gesamte deutsche Nachkriegsgesellschaft. Dieses Eingeständnis von Schuld auf höchster Ebene war ein historischer Meilenstein, der weltweit Anerkennung fand. Seine Geste wurde zu einem Symbol für Demut und den Willen zur Versöhnung.

Über Christoph Maria Michalski

Über Christoph Maria Michalski
Christoph Maria Michalski

Christoph Maria Michalski ist „Der Konfliktnavigator“, Vortragsredner und Coach für Entscheidungsträger im Beruf. Es gibt zwar viele Instrumente für eine bessere Kommunikation, aber kein System, wie diese Werkzeuge konkret angewendet werden können. Dafür hat er KonfliktFLOW entwickelt - 6 Wegpunkte als Checkliste für eine erfolgreiche Vorgehensweise. Die Grundzüge dieser Idee hat er 2018 in „Die Konflikt-Bibel“ veröffentlicht. Als Marathonläufer weiß er, dass Erfolg das Ergebnis eines kontinuierlichen Trainings ist.

Kritik an Söders Kniefall: Inszenierung statt Authentizität?

Markus Söders Kniefall wurde hingegen als inszeniert und oberflächlich wahrgenommen. Die Wahl, nur auf einem Knie niederzuknien, minderte die symbolische Tiefe und Demut der Geste. Zudem wurde die Aktion von einer umfangreichen Social-Media-Präsenz begleitet und folgte auf den Besuch eines Weihnachtsmarktes, was die Authentizität weiter infrage stellte.

Claudia Roth, die Kulturstaatsministerin, bezeichnete den Vorgang als einen „absoluten Tiefpunkt“. Andere Kritiker warfen Söder vor, ein tief emotionales Zeichen für PR-Zwecke zu instrumentalisieren. Die fehlende Zurückhaltung und der vermeintliche Versuch, mediale Aufmerksamkeit zu erzeugen, führten zu einer Welle der Empörung.

Die symbolische Bedeutung des Kniefalls in verschiedenen Kulturen

Der Kniefall hat in der Menschheitsgeschichte und in verschiedenen Kulturen stets eine vielschichtige Bedeutung getragen.

  1. Im Mittelalter war er ein Zeichen von Unterwerfung und Treue gegenüber einem Monarchen.
  2. In religiösen Traditionen symbolisiert er Demut und Hingabe: Im Christentum steht er für Buße und Anbetung, im Islam für die höchste Form der Hingabe an Allah.
  3. In asiatischen Kulturen zeigt das Knien Respekt und Höflichkeit,
  4. In afrikanischen Gesellschaften gilt es als Zeichen von Dankbarkeit und Ehrfurcht .

Moderne Protestformen nutzen den Kniefall ebenfalls als starkes Symbol. So steht der „Take a Knee“-Protest von Colin Kaepernick nicht für Unterwerfung, sondern für stillen Protest und die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit. Der Kniefall wird hier zum Ausdruck von Solidarität und Widerstand gegen Ungerechtigkeiten.

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Kontext und Authentizität: Was eine Geste kraftvoll macht

Die Wirkung einer symbolischen Geste hängt entscheidend vom Kontext und der Authentizität ab. Willy Brandts Kniefall bleibt ein zeitloses Beispiel für die Kraft einer körpersprachlichen Botschaft, die nicht nur Worte, sondern ganze politische und gesellschaftliche Haltungen transportiert. Seine Geste war frei von Inszenierung und tief in echter emotionaler Betroffenheit verwurzelt.

Markus Söders Versuch, an diese Symbolkraft anzuknüpfen, zeigt, dass eine solche Geste mehr erfordert als den körperlichen Akt. Sie verlangt nach einem Kontext, der die Tiefe der Botschaft verstärkt, und nach einer Haltung, die ohne Inszenierung auskommt. Ein Kniefall ist kein politischer Schnellschuss, sondern eine moralische und emotionale Verpflichtung, die über den Moment hinauswirken muss.

Dieser Content stammt vom FOCUS online EXPERTS Circle. Unsere Experts verfügen über hohes Fachwissen in ihrem Bereich. Sie sind nicht Teil der Redaktion. Mehr erfahren.