Als Zeichen der Solidarität: Bürgermeister aus Großweil und Murnau kehrten nach Lwiw zurück

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Frank Bauer (l.) und Rolf Beuting (Mitte) bei der Führung durch das Rehazentrum, Abteilung Kunst- und Ergotherapie, in Lwiw. © FKN

Da waren sie wieder, in Lwiw, in der Stadt im Westen der Ukraine, in der sich bereits vor einem Jahr Eindrücke in ihren Köpfen manifestiert haben. Der zweite Besuch in Lemberg im August hinterließ bei Großweils Bürgermeister Frank Bauer und Murnaus Bürgermeister Rolf Beuting wieder tiefe Spuren im Gedächtnis.

Murnau/Großweil - „Zwischen Himmel und Hölle“ ist auf der Titelfolie der Präsentation zu lesen. Vor wenigen Tagen gibt Murnaus Bürgermeister Rolf Beuting Rathaus-Mitarbeitenden einen Einblick in seinen Ukraine-Besuch. Der Titel der Vorstellung kommt nicht von ungefähr. Lwiw sei „eine unglaublich schöne alte Stadt“. Mit vielen jungen Menschen, vielen kleinen Brauereien, vielen Kneipen. „Man kann richtig gut essen“, erzählt Beuting. Auch würden dort gerade viele Inländer Urlaub machen. Schaue man sich aber genauer um, „begegnet einem der Krieg auf Schritt und Tritt“. Bretterverschläge vor Kirchenbuntgläsern, aufgetürmte Sandsäcke vor Kellerfenstern. Auf Plätzen sind Gedenkstätten mit Fotografien eingerichtet – sie erinnern an Gefallene. Diese werden als Helden bezeichnet, sagt Beuting. Diese Sprachfärbung, dieser Patriotismus wirke „auf uns oft befremdlich“, meint der Bürgermeister, der es „bitter“ findet, „was der Krieg mit einer zivilen Gesellschaft macht“. Doch „der Krieg schafft seine eigenen Realitäten und Denkmuster“. 20 Prozent des Stadthaushaltes werde in die Verteidigung investiert. Auf Murnau übertragen wären das zehn Millionen Euro, so Beuting.

Bürgermeister aus Murnau und Großweil zu Gast in Lwiw - Schule wieder renoviert

Binnen weniger Tage prasselten zahlreiche Eindrücke auf die Delegation nieder. Sie besuchte eine Prothesenwerkstatt, eine Kinderklinik, einen Wohnbau für Amputationspatienten und zwei Schulen, von welchen eine 2024 Opfer eines Raketenangriffes geworden ist. Doch „die Schule ist schon komplett renoviert worden“, sagt Beuting. Auch auf den Soldatenfriedhof kehrten Bauer und Beuting zurück. Das Gräberfeld ist seit ihrem letzten Besuch gewachsen. „Wenn man das sieht, wird man total still, weil es einen so bedrückt“, erzählt Beuting. „Inzwischen plant die Stadtverwaltung, einen zweiten Friedhof anzulegen.“ Als sie über den Friedhof schritten, „ging auf einmal ein Wind, der alle Flaggen bewegt hat. Und man hatte ein bisschen den Eindruck, als hätte der Tod ein Geräusch“. In einer psychotherapeutisches Reha-Einrichtung sprachen sie mit Menschen, die Kriegsgefangenschaft überlebt haben und nun andere Betroffene in Therapie unterstützen. In dem Mental Health Center wird unter anderem mit Kunsttherapie gearbeitet. Art unbroken. Das Projekt wolle man mit den Mitteln aus dem Hilfsprojekt „Das Blaue Land hilft“ unterstützen, verrät Beuting.

Auch im Großweiler Rathaus hallte der Ukraine-Besuch bereits nach. In der jüngsten Gemeinderatssitzung berichtet Bürgermeister Frank Bauer seinem Gremium von den Erlebnissen. „Wir hatten das Glück, das wir nicht einen Luftalarm erlebt haben.“ Beim Besuch im Rathaus von Lwiw wurden sie von den beiden Bürgermeistern empfangen. Beinahe jeden Tag fahre der Trauerzug am Rathaus vorbei. Dann ertönt eine Trompete. Die Hymne. Alle Menschen rundherum nehmen Haltung ein. „Da wird jeder einzeln ordentlich verabschiedet.“ 1.500 Menschen aus Lwiw seien bisher gefallen, „1.115 haben sie mittlerweile beerdigt“, sagt Bauer. Zum Besuch der Kinderklinik berichtet er, dass die jungen Patienten mit schwersten Brandverletzungen „eigentlich im Krankenhaus leben“. Denn die Narben wachsen nicht mit und „müssen ständig aufgeschnitten werden“. Kinder erleiden aber nicht nur Brandverletzungen. „Viele sind amputiert, weil sie Mienen aufheben.“ Was die Gebäude anbelangt, so betont Bauer: „Was da zerstört wird, wird in kürzester Zeit wieder aufgebaut. Das ist faszinierend, in welcher Geschwindigkeit die das machen.“

„Wie halten das die Ukrainer aus?“

„Sie versuchen schon auch, dass sie das Leben überall weiterleben“, sagt Bauer. Hier laden Kunstgalerien zur Besichtigung ein, dort Kneipen zu geselligen Stunden, während in der Stadt verteilt Plakate Soldaten akquirieren. „Jede Brigade wirbt für sich“, sagt Bauer. Auf das Leben in der Stadt kommt auch Beuting in zu sprechen. „Wie halten das die Ukrainer überhaupt aus, dass sie jeden Tag im Krieg leben müssen, dass sie jeden Tag in Angst leben müssen, dass sie selbst angegriffen werden oder Angehörige im Krieg umkommen? Sie halten es nur aus, weil sie ihr Leben in eine Balance bringen. Die genießen das Schöne, die Freude am Leben, die Sonne, den Sommer, die Kneipen.“ Beuting ermutigt dazu, weiter an die Ukraine zu denken und zu spenden. „Wir müssen es uns antun, dieses komplizierte System der Demokratie.“ Dieses sei die Grundlage für Freiheit, Frieden und Wohlstand und es wert, verteidigt zu werden.

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