Sicherheitsbehörden warnen - Tod von Nasrallah könnte deutsche Hisbollah-Szene weiter radikalisieren
Der Chef der libanesischen Schiitenmiliz Hassan Nasrallah kam am Freitag bei einem Raketenangriff der israelischen Armee in Beirut ums Leben. Das könnte weitreichende Folgen haben – auch für Deutschland. Denn der mutmaßliche Tod Nasrallahs könnte die ohnehin aufgewühlte deutsche Hisbollah-Szene weiter radikalisieren.
Nasrallahs Tod könnte Hisbollah-Anhänger „noch stärker emotionalisieren“
Das befürchten laut „Welt“-Informationen die deutschen Sicherheitsbehörden. Bereits vor Wochen hieß es demnach aus Sicherheitskreisen, ein möglicher Anschlag auf Nasrallah könnte die bereits durch den Gaza-Krieg aufgeheizte Stimmung in der Szene „noch stärker emotionalisieren“ und zu einer Mobilisierung der Anhänger führen könnte. Denn Nasrallah, der seit 1992 die Hisbollah anführte, war in den Augen seiner Anhänger ein Held des Widerstands gegen Israel und den Westen. Der Personenkult um ihn ist stark ausgeprägt. Sein möglicher Tod könnte auch in Deutschland verheerende Folgen nach sich ziehen.
Denn nach Informationen des Bundesamts für Verfassungsschutz zählt die Hisbollah in Deutschland bereits etwa 1250 Mitglieder und Unterstützer. Diese Anhänger der libanesischen Terrormiliz leben überwiegend in Ballungsgebieten in Nordrhein-Westfalen, Berlin und Hamburg. Beobachter gehen jedoch davon aus, dass die tatsächliche Zahl der Unterstützer noch deutlich höher liegt. Insbesondere Menschen mit Migrationshintergrund aus dem Südlibanon und deren Nachkommen bilden das Rückgrat der Miliz in Deutschland.
Deutschland als „zentraler Aktions- und Operationsraum“ des islamischen Gottesstaates
Nach „Tagesspiegel“-Informationen beobachteten die Sicherheitsbehörden schon vor dem Tod Nasrallahs eine zunehmende Radikalisierung innerhalb der Szene. Darauf wiesen auch einige Politiker immer wieder hin. Im Gespräch mit der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung stellte der CDU-Innenexperte Christoph de Vries beispielsweise alarmiert fest, dass Deutschland „ein zentraler Aktions- und Operationsraum“ des islamischen Gottesstaates sei.
Tatsächlich gibt es in Deutschland nach Recherchen von FOCUS online nach wie vor zahlreiche Moscheen und Vereine, die der Hisbollah ideologisch nahestehen. Besonders problematisch war lange Zeit das Islamische Zentrum Hamburg (IZH), das bis zu seiner Schließung im Juli 2024 als wichtigste Drehscheiben für die Hisbollah in Deutschland galt.
Die deutschen Sicherheitsbehörden verschärften ihren Kurs gegenüber Unterstützern der libanesischen Terrororganisation zuletzt deutlich. Im April 2020 untersagte das Bundesinnenministerium jegliche Aktivitäten der Hisbollah in Deutschland. Im Juli erhob der Generalbundesanwalt Anklage gegen ein mutmaßliches Mitglied der Miliz wegen Kriegsverbrechen in Syrien.
„Die Zukunft der Hisbollah ist ungewiss“
Kurz zuvor wurde in Salzgitter ein Mann verhaftet, der verdächtigt wird, in Deutschland Bauteile für militärische Drohnen gekauft zu haben, die bei Terrorangriffen in Israel eingesetzt werden sollten.
Wie die Anhänger der Hisbollah in Deutschland nun auf die Nachricht von Nasrallahs Tod reagieren, bleibt abzuwarten. Dass gezielte Tötungen hochrangiger Anführer von Terrororganisationen häufig kurzfristig zu Vergeltungsschlägen oder gewalttätigen Reaktionen führten, ist nicht neu.
Langfristig können sie die Bewegung aber auch schwächen, indem die zentralisierte Führungsstruktur ins Wanken gerät: „Die Zukunft der Hisbollah als mächtigster Militärverband in der arabischen Levante ist ungewiss“, so Tobias Schneider vom Global Public Policy Institute in Berlin zum „ZDF“. „In den vergangenen sechs Wochen hat die Miliz nicht nur ihre oberste Führungsrige, sondern auch viele Dutzende ihrer wichtigsten Offiziere und Verwalter, sowie tausende Soldaten in Attentaten und Luftschlägen verloren."