Auf 1724 Metern Höhe hat zum 43. Mal eine der, wenn nicht die besinnlichste Weihnachtlesung Bayerns stattgefunden: der Advent auf dem Wendelstein.
Osterhofen – Obwohl die TV-Kameras auch heuer fleißig mitliefen beim Advent auf dem Wendelstein: Der kleine Einblick, den die BR-Abendschau all jenen gönnt, die es nicht geschafft haben, eine der insgesamt rund 200 Karten zu ergattern, wird der Kraft und Wirkung der Veranstaltung nicht gerecht. Die muss man erleben.
Die Auffahrt auf den Wendelstein. Die Stille am Berg. Die Fernsicht über die schneebedeckte Alpenkette, hunderte Kilometer gen Süden. Das Abendrot, vor das am Samstag der Wind höchst spektakulär wilde Wolkenfetzen schob. Die vier Flintsbacher Alphornbläser, die die Gäste am Bahnsteig der Zahnradbahn im Berg mit Weisen empfangen, die einem durch und durch gehen. Die warme, festlich dekorierte Stube des Panoramarestaurants, wo Wirt Domenico „Mimmo“ Mossa und sein Team die rund 100 Gäste mit Lebkuchen, Platzerl und Stollen, Glühwein, Kaffee und Bier vom Rosenheimer Auerbräu versorgte. Und freilich die Lesung selbst, mit feinster Musik und Gesang: Der Advent auf dem Wendelstein ist ein spirituelles Erlebnis.
Zumal wenn – wie dieses Jahr – wieder Ludwig Thomas „Heilige Nacht“ auf dem Programm steht, die sich mit heiteren und besinnlichen Adventsgeschichten abwechselt. So wie Radiomoderator Andreas Estner und der Haushamer Bergwachtgsang in Begleitung von Maria Holzer (Zither), Heiner Oberhorner (Gitarre) und Veronika Estner (Harfe) die Thoma-Geschichte nach dem Lukas-Evangelium nacherzählen, kommentieren und durchleben, ist das ein einzigartiges Gesamtkunstwerk – geschaffen aus dem Augenblick, aus dem Empfinden der Künstler heraus und in Korrelation mit dem Eindruck, den die Natur, den die Perspektive vor den Panoramafenstern bietet.
Wie Estner die bairischen Verse liest, wie er seine warme Bass-Stimme moduliert, ihr Klangfarben verleiht und so die Emotionen der Charaktere erlebbar macht, wie er mal Tempo und dann wieder lange Pausen macht und so die Dramaturgie beherrscht, wie sich sein Timbre mit den zarten Harfenklängen, die seine Frau Veronika ihrem Instrument entlockt, verbindet, ist großartige Sprechkunst. Die Weisen von Hans Auer und die Menuette, die Veronika Estner für die Lesung auswählte und teilweise für die Harfe bearbeitete, vertieften die Aussage der Verse.
Der fein abgestimmte Gesang von Anderl Leidgschwendner senior, Andreas Leidgschwendner junior, Sepp Grundbacher und Martin Riedl und das harmonische Spiel von Zither und Gitarre öffneten die Sinne und Herzen. Und so kam es wieder zu dieser feierlichen inneren Stille, die eben nicht wiederholbar ist. Weshalb Estner auch dieses Mal erklären musste, warum es davon keine Aufnahme und keine CD geben wird.
Zu dieser einzigartigen Stimmung mag wohl auch die Gewissheit beitragen, mit der Teilnahme etwas Gutes zu bewirken. Denn wie Florian Obermair, Betriebsleiter der Wendelstein-Zahnradbahn, bei der Begrüßung der Gäste und Mitsponsoren erklärte: „Der Reinerlös kommt über den Miesbacher Merkur und dem OVB karitativen Einrichtungen vor Ort zu Gute. Mit Ihrer Teilnahme leisten Sie einen wertvollen Beitrag, Menschen zu helfen, die besondere Herausforderungen zu meistern haben.“