Streptokokken-bedingtes toxisches Syndrom - Tödliche Infektion: Was die „fleischfressenden Bakterien“ so gefährlich macht

Immer mehr Menschen in Japan erkranken derzeit am seltenen Streptokokken-induzierten toxischen Syndrom (STSS). 378 Menschen sind in den ersten zwei Monaten des laufenden Jahres daran erkrankt, im gesamten letzten Jahr waren es 941. Das Tückische: Das Syndrom, das durch eine Infektion mit den Bakterien Streptococcus pyogenes ("A-Streptokokken") verursacht wird, kann einer Grippe ähneln und Symptome wie hohes Fieber, Muskelschmerzen und Durchfall hervorrufen.

Allerdings kann es einen gefährlichen Verlauf nehmen und sogar tödlich enden. Insbesondere jüngere Menschen unter 50 Jahren scheinen betroffen zu sein. So starb nach Angaben der japanischen Gesundheitsbehörde National Institute of Infectious Diseases (NIID) in der zweiten Hälfte des Jahres jeder dritte Infizierte in dieser Altersklasse an dem STSS.

Ausbruch von Infektionskrankheit in Japan stellt Behörden vor ein Rätsel

Wie die Datenbank „ Orpha “, die über seltene Krankheiten aufklärt, schildert, ist die Mortalität bei Erwachsenen vergleichsweise hoch. Je nach Alter versterben 30 bis 80 Prozent der Infizierten. Bei Kindern ist die Mortalität deutlich geringer und beläuft sich auf fünf bis acht Prozent.

Was genau den Anstieg der hochansteckenden und virulenten Stämme der Streptococcus pyogenes verursacht hat, ist bislang unklar. „Es gibt noch viele unbekannte Faktoren im Hinblick auf die Mechanismen hinter den gravierenden und plötzlichen Formen der Streptokokken und wir sind noch nicht an einem Punkt angelangt, an dem wir diese erklären können“, teilte die NIID mit.

Professor „sehr besorgt“ angesichts der steigenden Fallzahlen

Ken Kikuchi, Professor für Infektionskrankheiten am Tokyo Women’s Medical University, ist angesichts der gestiegenen STSS-Fallzahlen „sehr besorgt“. Er stellt im Gespräch mit „The Guardian“ die Vermutung an, dass die Einstufung von Covid-19 als saisonale Grippe im vergangenen Jahr zu einer Vernachlässigung der grundlegenden hygienischen Schutzmaßnahmen wie Händewaschen geführt habe. Dies sei der wichtigste Faktor hinter dem Anstieg bei den Streptococcus-pyogenes-Infektionen.

Seinen Schätzungen zufolge hätte sich die Hälfte aller Japaner während der Corona-Pandemie mit Sars-CoV-2 infiziert – mit weitreichenden Folgen: „Der immunologische Status der Menschen nach der Genesung von Covid-19 verändert eventuell ihre Anfälligkeit für einige Mikroorganismen“, sagt Kikuchi. „Wir müssen den Infektionszyklus der schwer invasiven Streptococcus-pyogenes-Erkrankungen klären und sie sofort unter Kontrolle kriegen.“

Das Streptokokken-induzierte toxische Schocksyndrom wurde nach Angaben der „ Japan Times “ im Jahr 1992 das erste Mal in Japan gemeldet. Seitdem erkrankten jährlich 100 bis 200 Menschen daran. 2019 erlebte Japan schon einmal einen drastischen Anstieg der Fallzahlen, damals belief sich die Zahl der Betroffenen auf 894. 2023 dann der neue Negativrekord mit 941 Erkrankten.

Was sind Streptokokken genau?

Streptokokken sind Bakterien. Die meisten von ihnen sind dem Medizinportal „ Netdoktor “ zufolge harmlos und besiedeln den menschlichen Körper, etwa auf der Haut und den Schleimhäuten. Bei einigen Menschen können die Streptokokken Krankheiten auslösen, bei anderen wiederum nicht. Nach ärztlicher Auffassung liegt das am Immunsystem: Wenn es geschwächt ist, zum Beispiel durch Krankheit oder Stress, kann man eine Streptokokken-Infektion bekommen.

Übertragen werden Streptokokken über Tröpfchen, etwa beim Husten, Niesen oder Küssen, oder durch direkten Kontakt mit einer infizierten Person oder einem kontaminierten Gegenstand übertragen. Sie können über kleine Verletzungen in der Haut und den Schleimhäuten in den Körper eindringen.

„Fleischfressende Bakterien“ können Weichteilinfektion hervorrufen, die zum Absterben von Gewebe führt

Die Streptococcus pyogenes, auch Streptokokken der Gruppe A genannt, können typischerweise Mandel-, Mittelohr-, Nasennebenhöhlenentzündungen oder Scharlach hervorrufen.

Außerdem können die Erreger Weichteilinfektionen verursachen. Dazu zählt neben Borkenflechte und Wundrose auch die nekrotisierende Fasziitis. Bei dieser Krankheit befallen die Streptokokken Haut, Gewebe und in schweren Fällen auch die Muskeln. Die betroffenen Stellen färben sich rot, werden heiß, schwellen an und werfen mitunter Gasbläschen. Patienten klagen darüber hinaus über Schmerzen, Fieber und Schüttelfrost.

Durch die bakterielle Infektion verstopfen die Blutgefäße und die betroffenen Bereiche werden nicht mehr richtig durchblutet. In der Folge können Haut und Gewebe absterben. Insbesondere A-Streptokokken verursachen diese Erkrankung. Da sie ein Toxin absondern, dadurch das Gewebe verflüssigen und so in das Unterhautgewebe eindringen, werden sie als „fleischfressende Bakterien“ bezeichnet.

Toxisches Schocksyndrom ist lebensgefährlich

Aus der nekrotisierenden Fasziitis kann sich ein Streptokokken-bedingtes toxisches Schocksyndrom entwickeln. Das ist der Fall, wenn die Bakterien in das Blut gelangen und es zu einer Blutvergiftung kommt. Das STSS ist potenziell lebensgefährlich und kann ohne Behandlung schnell zum Kreislauf- und Multiorganversagen sowie zum Tod führen.

Personen, die am STSS erkranken, berichten laut „Orpha“ von folgenden Symptomen:

  • plötzlich einsetzender Schmerz im Bereich des Bauches oder an Armen und Beinen
  • hohes Fieber
  • Akute Atemnot (mehr als jeder 2. Patient)
  • Muskelschmerzen
  • Übelkeit
  • Durchfall
  • Erbrechen
  • zu niedriger Blutdruck

Darüber hinaus kann ein STSS laut dem Fachportal „ MSD Manual “ Gerinnungsstörungen, Leberschädigungen und eine Beeinträchtigung der Nierenfunktion hervorrufen.

Behandlung vom Streptokokken-bedingten toxischen Schocksyndrom

Wird bei Betroffenen das STSS festgestellt – etwa durch Probennahme von Wunden oder Rachen und Blutproben –, müssen sie sofort in intensivmedizinische Behandlung. Die behandelnden Ärzte verabreichen dann

  • Antibiotika
  • Blutdrucksteigernde oder -stabilisierende Medikamente (Vasopressoren)
  • Intravenöse Gabe von Immunglobulin (Eiweiße, die bei der Abwehr von fremden Substanzen im Körper eine wichtige Rolle spielen)
  • Kortikoide (Hormone, die in der Nebennierenrinde gebildet werden)

Sollten die Patienten unter dem akuten Atemnotsyndrom leiden, werden sie künstlich beatmet. Bei einer nekrotisierenden Fasziitis erfolgt für gewöhnlich die Entfernung von abgestorbenem Gewebe (Débridement).

Präventionsmaßnahmen

Damit es erst gar nicht erst so weit kommt, sollte man bestimmte Schutzmaßnahmen ergreifen. Dazu hat jetzt auch das japanische Gesundheitsministerium die Bevölkerung aufgerufen. Es empfahl den Bewohnern des Landes, dieselben Hygienevorschriften wie zu Corona-Zeiten zu befolgen. „Wir möchten, dass die Menschen vorbeugende Schritte wie das Händewaschen unternehmen und sich in der Hust-Etikette üben“, sagte Gesundheitsminister Keizo Takemi Anfang des Jahres.

Damit ist das Husten in die Armbeuge oder in ein Taschentuch gemeint. Zudem sollte der Kontakt zu Infizierten gemieden werden.