In Peißenberg wird bald eine weitere Flüchtlingsunterkunft eröffnet – und zwar in einem der ehemaligen „Steigerhäuser“ an der Schachtstraße. Bei einer Anliegerversammlung, zu der das Landratsamt geladen hatte, gab es Kritik, aber auch Appelle, die Asylbewerber mit offenen Armen zu empfangen.
Peißenberg – Vor fünf Jahren schien das Schicksal des alten, aus der Bergwerkszeit stammenden Wohngebäudes an der Ecke Schachtstraße/Glückaufstraße (Hausnummern eins bis drei) bereits besiegelt gewesen zu sein: Im Marktrat wurde damals ein Vorbescheidsantrag durchgewunken, wonach ein Abriss und die Errichtung von zwei Mehrfamilienhäusern erfolgen sollte. Doch gebaut wurde nichts. Das Gebäude, eines von vier ehemaligen „Steigerhäusern“, fiel in einen Dornröschenschlaf. Nun aber zieht wieder Leben in die alten Gemäuer ein: Der Eigentümer hat dem Landratsamt die Immobilie zur Unterbringung von Flüchtlingen angeboten – und die Kreisbehörde sagte nicht nein.
Immobilie wurde angeboten
„Wir suchen händeringend nach Wohnraum“, erklärt Bernhard Pössinger, Mitarbeiter im Sachgebiet „Integration und Asyl“. Der Landkreis verfolgt die Strategie der dezentralen Unterbringungen mit Mischbelegungen (Familien, Einzelpersonen, unterschiedliche Religionen und Nationalitäten). Großunterkünfte und die Nutzung von öffentlichen Einrichtungen wie Turnhallen sollen vermieden werden. Der Wohnblock an der Schachtstraße passt da gut ins Konzept. Das Landratsamt hat mit dem Eigentümer einen bis 2027 befristeten Mietvertrag abgeschlossen – mit Verlängerungsoption. Die sechs abgeschlossenen Wohneinheiten sollen ab Anfang oder Mitte Mai peu á peu bezogen werden – je nach Sanierungsstand. Die Maximalbelegung würde theoretisch bei 50 Personen liegen. Laut Pössinger wird man jedoch „deutlich darunterbleiben“: „Es werden 38 bis 40 Personen einziehen.“
Fragwürdige Wortmeldungen
Das bestätigte Pössinger bei einer Anliegerversammlung, zu der auch die Presse eingeladen war. Im Landratsamt bemüht man sich um größtmögliche Transparenz. „Es werden viele Unwahrheiten erzählt beim Thema ,Asyl‘“, konstatierte Pössinger bei der Info-Veranstaltung im Bürgerhaus „Flöz“. Die Stimmung unter den rund 30 anwesenden Anliegern war durchwachsen. Trotz der Bitte Pössingers, keine politischen Statements abzugeben und sachlich zu bleiben, gab es die ein oder andere fragwürdige Wortmeldung, die bei manchen Versammlungsteilnehmern Kopfschütteln und Unmutsbekundungen auslösten. Ein Anlieger rief zum Beispiel dazu auf, bei der Europawahl die Partei zu wählen, „die wirklich für Deutschland da ist“. Auch war zu hören, dass durch die Flüchtlingsunterkunft die Häuser im Umkreis unverkäuflich und mindestens um ein Drittel im Wert sinken würden. Zudem war von einer „Racheaktion“ des Eigentümers die Rede, weil er aufgrund von Hochwasserschutzauflagen nicht so hätte bauen dürfen, wie er gewollt habe. Der Deal mit dem Landratsamt sei außerdem nichts anderes als eine „Geschäftemacherei“. Und überhaupt: Für junge deutsche Familien sei kein Wohnraum mehr vorhanden.
Mit Fakten dagegen gehalten
Pössinger hielt, flankiert durch Bürgermeister Frank Zellner, mit Fakten dagegen. So würden nur Verträge zu ortsüblichen Mietpreisen vom Landratsamt unterschrieben. „Da bereichert sich gar niemand“, so Pössinger. Zudem würde man sich bei der Akquise nach Flüchtlingsunterkünften auf leer stehende Immobilien beschränken. „Die Eigentümer würden an keinen anderen vermieten.“ Pössinger nannte die seit Jahren verwaiste Plötzbräu-Gaststätte an der Hauptstraße als Beispiel: „Die würde in zehn Jahren noch leer stehen, wenn nicht Flüchtlinge einziehen würden. Wäre Leerstand besser?“ Pössinger reagierte auch auf Kritik, wonach das Gebäude an der Schachtstraße baulich heruntergekommen und zu Wohnzwecken nicht mehr geeignet sei. Demnach seien die Wohneinheiten bereits zum größten Teil saniert. Alles werde in „bewohnbaren Zustand“ versetzt. Von Seiten des Landratsamts werde aber noch einmal eine Prüfung der Bausubstanz vorgenommen. Frank Zellner versicherte, dass der Eigentümer sehr wohl in den bestehenden Ausmaßen hätte bauen können. Das Projekt sei aber schlichtweg nicht weiterverfolgt worden – ohne, dass es eine Blockade durch die Gemeinde oder das Landratsamt gegeben hätte.
Pössinger betonte, dass keine zusätzlichen Containerbauten neben das Haus aufgestellt und die Unterkunft von den Behörden betreut werde. Auch die Anlieger würden „nicht alleine gelassen“. Pössinger bat darum, „nicht zu pauschalisieren“: „Es kommen nicht lauter Schwerverbrecher, sondern Menschen.“ Und: „Ihr werdet sehen: Es wird funktionieren.“ Pössinger verwies auf die Unterkunft an der Gümbelstraße. Dort gebe es keine Probleme und keinerlei Polizeieinsätze. Pössinger bot an, einen „Tag der offenen Tür“ zum gegenseitigen Kennenlernen in der neuen Flüchtlingsunterkunft zu organisieren.
Versöhnliches Ende
Die Versammlung fand schließlich ein versöhnliches Ende. Eine Besucherin bedankte sich beim Landratsamt für die Info-Veranstaltung und verwies darauf, dass die Integration ukrainischer Flüchtlinge am Ort bislang wunderbar funktionieren würde. Eine andere Teilnehmerin appellierte an die Versammlung, den Flüchtlingen offen zu begegnen – „und nicht von Anfang an zu sagen, ,wir wollen euch hier nicht‘. Schauen wir doch erstmal, wie es klappt.“ Auch Frank Zellner rief dazu auf, „solidarisch an die Sache ranzugehen“. Und dann meldete sich noch Anne Hosse als Vertreterin des benachbarten Seniorenwohnheims (Josef-Lindauer-Haus) zu Wort: „Wir müssen die Flüchtlinge aufnehmen. Ich gehe davon aus, dass alles in Ordnung geht. Und deshalb kann ich mich eigentlich gar nicht so darüber aufregen“, sagte die Vorständin der Paula-Lindauer-Stiftung.
Auch interessant
Kommentare
Liebe Leserinnen und Leser,
wir bitten um Verständnis, dass es im Unterschied zu vielen anderen Artikeln auf unserem Portal unter diesem Artikel keine Kommentarfunktion gibt. Bei einzelnen Themen behält sich die Redaktion vor, die Kommentarmöglichkeiten einzuschränken.
Die Redaktion