England-Insider: „Mit United oder Liverpool wäre das Interesse an der Klub-WM größer“
Premier-League-Topklub FC Chelsea träumt vom Sieg bei der Klub-Weltmeisterschaft. Wie wird der Werdegang des Turniers in England verfolgt?
London – Die FIFA Klub-Weltmeisterschaft geht in die ganz heiße Phase. In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch hat Borussia Dortmund durch einen 2:1-Erfolg gegen Monterrey das Teilnehmerfeld für das Viertelfinale komplettiert. Neben dem BVB stehen der FC Bayern München, Real Madrid, Paris Saint-Germain, Fluminense, Al-Hilal und Palmeiras und der FC Chelsea in der Runde der letzten acht Teams.
Euphorie rund um das Turnier? Sie kommt vor allem in einigen Teilen Europas noch nicht auf. Auch in England herrscht eine gewisse Zurückhaltung gegenüber dem millionenschweren Wettbewerb. Das Aus von Manchester City gegen Al-Hilal? Es wurde eher achselzuckend zur Kenntnis genommen.
Diese Skepsis gegen eine neue Turnierform ist jedoch keineswegs neu – sie zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte des englischen Fußballs.
Historische Vorbehalte gegen neue Wettbewerbe
Matthew Ford ist freier Journalist mit den Schwerpunkten deutscher und europäischer Fußball, Sportbusiness und Fankultur. „Der englische Fußball ist aus der Historie heraus neuen Wettbewerben gegenüber schon immer sehr skeptisch gewesen“, erklärte der Branchenkenner im Gespräch mit Absolut Fussball, dem Fußball-Portal von Home of Sports.
Diese abweisende Haltung hat also Tradition: England nahm nicht an der ersten Weltmeisterschaft 1930 teil (zu dieser Zeit waren die britischen Fußballverbände noch nicht bereit, Profi-Spieler zu den Weltmeisterschaften zu entsenden) und zeigte sich in den 1950er Jahren zunächst desinteressiert am neu geschaffenen Europapokal.
Besonders bemerkenswert ist die Episode um Chelsea, dem die FA einst die Teilnahme am Europapokal verbot (1955/56). Manchester United hingegen missachtete ein ähnliches Verbot und nahm trotzdem teil – ein früher Akt des Aufbruchs gegen die konservative Haltung des englischen Fußballverbands.
Auch bei der ersten Klub-WM im Jahr 2000 zeigte sich diese Skepsis: „United wollte eigentlich nicht an der ersten Klub-WM teilnehmen“, so Ford. Letztendlich schickte die FA die Red Devils jedoch nach Brasilien – allerdings nicht aus sportlicher Begeisterung, sondern „um die eigene Bewerbung für die WM 2006 zu unterstützen“.
Die Red Devils schieden am Ende sang- und klanglos aus, die Weltmeisterschaft landete in Deutschland.
Fehlende Zugkraft der aktuellen Vertreter
Bei der aktuellen Klub-WM darf Chelsea vom Gewinn der über 100 Millionen Euro schweren Trophäe träumen, die Citizens hingegen sind raus. Ford hat generell eine klare Meinung: „Mit Manchester United oder dem FC Liverpool wäre das Interesse größer.“
Besonders in den USA, einem wichtigen Markt für die FIFA, scheint die Anziehungskraft der Klubs begrenzt: „Wie Chelsea und City in den USA ankommen, kann ich gar nicht sagen. City scheint ein paar unkritische jüngere Amerikaner anzuziehen, eventuell durch die Verbindung mit New York, die man in den USA ja gar nicht hinterfragt.“
Zur Einordnung: New York City FC und Manchester City gehören zur City Football Group, die mehrere Fußballklubs unter sich vereint. Aber das soll nur ein Randaspekt bleiben und keine größere Rolle einnehmen.
So oder so gilt für Ford: „Die beiden Klubs sind, bei allem Respekt, einfach nicht vergleichbar mit der Anziehungskraft von United und Liverpool“. Es wäre für die Zukunft ratsam nachzudenken, ob die Tür für die Klub-WM auch weiteren bekannteren Klubs wie Barcelona, Galatasaray oder eben den englischen Giganten geöffnet wird.
Die begeisternden Bilder lieferten vor allem die Anhänger aus Südamerika, was allerdings auch am Austragungsland USA liegen könnte. FIFA-Präsident Gianni Infantino wird nach dem Abschluss des Turniers dennoch in die Analyse gehen und an weiteren Stellschrauben drehen müssen.
Die Frage, ob sich das Interesse auch in Ländern wie Deutschland, England oder Spanien steigern lässt, bleibt offen. Der Freelancer Ford ist sich nicht sicher, ob das Mitwirken von United oder Liverpool in der öffentlichen Wahrnehmung „wirklich den ganz großen Unterschied machen würde“.
Tradition vs. Innovation
Die englische Fußballkultur steht somit erneut vor dem Spagat zwischen Tradition und Innovation. Während die FIFA mit ihrer erweiterten Klub-WM neue Wege beschreitet, bleibe in England „immer eine gewisse Skepsis“.
Diese Haltung spiegelt eine tiefer liegende Philosophie wider: Der englische Fußball, stolz auf seine Traditionen und etablierten Wettbewerbe, tut sich schwer mit Neuerungen, die von außen kommen. Die Klub-WM wird somit zum Testfall dafür, ob sich diese historische Skepsis auch in der modernen, globalisierten Fußballwelt behaupten kann.