„Bei uns brennt es in der Pflege“
Vorsitzende Marita Heßmann hat in der Mitgliederversammlung der Nachbarschaftshilfe Wörthsee für nächstes Jahr ihren Rücktritt angekündigt – aus Altersgründen. Bis dahin lenkt sie die Institution weiter durch schwere Zeiten, mit einem zweiten Defizit in Folge.
Wörthsee – Knapp 60 Mitglieder haben an der Jahreshauptversammlung der Nachbarschaftshilfe (NBH) Wörthsee am Freitagabend teilgenommen. Dabei bestätigten sie einstimmig den Vorstand in aktueller Besetzung für ein weiteres Jahr. Angesichts weniger erfreulicher Umstände im Großen und Kleinen appellierte die Vorsitzende, Maria Rita Heßmann, in ihrer Begrüßung: „Nicht unterkriegen lassen und eine positive Einstellung behalten und verbreiten.“ Sie lobte in diesem Zusammenhang die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Ehrenamtlichen. „In allen Bereichen arbeiten Menschen, die ihren Job gerne und mit viel Empathie machen, die motiviert und verantwortungsvoll handeln, auf die wir uns und Sie sich verlassen können.“
Für Heßmann steht fest: „Es braucht – gerade heute – Institutionen wie die kleinen Nachbarschaftshilfen, um ein wenig Menschlichkeit zu vermitteln.“ Wie dies bei der NBH Wörthsee gelebt wird und wie der Pflegealltag aussieht, schilderte Pflegedienstleiterin Beatrix Gerlach eindrucksvoll anhand eines Beispielfalls: Die Anfrage einer Frau, dem Vater „mal eben schnell“ beim Anziehen der Stützstrümpfe zu helfen, entwickelte sich zu einem intensiven Pflegefall mit täglich vier Besuchen des wachsamen und feinfühligen Pflegeteams, regelmäßigen Beratungsleistungen und umfangreicher Dokumentation. Diese Unvorhersehbarkeit erschwere die Planbarkeit: „Bei uns brennt es in der Pflege. Wir haben aktuell keine Kapazitäten“, betonte Gerlach. Sie bat um Verständnis dafür, dass Anfragen auch von Mitgliedern nicht immer sofort umgesetzt werden könnten – „ein oder zwei Wochen später kann es wieder anders aussehen und wir können unterstützen.“
Vor allen Dingen die Teams in der ambulanten Pflege und Tagespflege erarbeiteten den größten Teil der Einnahmen von 795 785,97 Euro im vergangenen Jahr. In dem Betrag enthalten sind die Beiträge der aktuell 524 Mitglieder, Spenden sowie Zuschüsse des Landkreises und des Freistaats. Die Ausgaben stiegen im Vergleich zum Vorjahr um rund 40 000 Euro auf 843 344,25 Euro. Die NBH Wörthsee erzielte damit das zweite Jahr in Folge ein hohes Defizit. „Die Gemeinde hat ihr Versprechen gehalten. Die Gemeindevertreter und unsere Bürgermeisterin haben einstimmig entschieden, uns das Defizit des vergangenen Jahres zu erstatten“, erklärte Heßmann.
Auch die Mitglieder unterstützten die NBH Wörthsee: „Die Erhöhung des Jahresbeitrags auf 30 Euro wurde ohne Widerspruch angenommen. Im Gegenteil, viele haben den Beitrag nochmals freiwillig erhöht, und die Spendenbereitschaft war enorm. Damit konnten wir unsere Rücklagen wieder auffüllen, und es schaut heuer etwas besser aus.“
Gemeinderat Peter Hopmann lobte: „Ich bin überwältigt von der Arbeit, die Sie leisten.“ Er zeigte sich zuversichtlich, dass die Gemeinde auch in Zukunft im Bedarfsfall finanziell einspringen werde. Er wandte sich aber zugleich an die Mitglieder: „Jeder kann etwas beitragen.“ Unter der Wahlleitung von Hopmann bestätigten die Mitglieder den Vorstand in der bestehenden Zusammensetzung. Für die Vorstandswahl 2025 kündigte Heßmann jedoch eine Veränderung an: „Nächstes Jahr werde ich 77, das ist ein schönes Alter, um aufzuhören.“ Der Abschied betreffe nur die Vorstandschaft, versicherte Heßmann: „Den Kleiderbasar und das Mittwochstreffen mache ich weiter.“
Petra Baier