Altersbedingte Mutation - Forscher entdecken neuen Herz-Risikofaktor – doch der lässt sich einfach behandeln

Herz-Kreislauf-Erkrankungen, also die Erkrankungen des Herzens und der Blutgefäße, zählen zu den häufigsten Todesursachen – noch vor Krebs. Laut Statistischem Bundesamt starben allein in Deutschland im vergangenen Jahr 348.318 Menschen daran – an Krebs 230.292. 

Die Risikofaktoren für Arteriosklerose

Zu den Hauptursachen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zählt Arteriosklerose, also Ablagerungen von Fett und Kalk in den Blutgefäßen. Sie verengen die Gefäße und rufen gefährliche Entzündungen hervor. Ursache für die Erkrankung sind wiederum Faktoren wie

  • Bluthochdruck
  • Diabetes
  • Fettstoffwechselstörungen
  • Übergewicht
  • sowie ungünstige Lebensstilfaktoren wie Rauchen, Bewegungsmangel und ungesunden Ernährung.

Klonale Hämatopoese als weiteren Risikofaktor für Arteriosklerose

Doch nun haben Forscher des Centro Nacional de Investigaciones Cardiovasculares (CNIC) in Madrid einen neuen Risikofaktor gefunden, der Arteriosklerose begünstigt: die sogenannte

  • klonale Hämatopoese.

Dabei handelt es sich um ein Phänomen, bei dem Mutationen in den Genen der Blutzellen auftreten – diese stehen auch beispielsweise mit Leukämie, also Blutkrebs, in Zusammenhang. Laut Deutscher Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie (DGHO) treten diese Mutationen bei etwa 20 Prozent der älteren Bevölkerung auf.

Zwar werden diese Mutationen schon länger auch mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung gebracht. Doch bisher war es unklar, ob die klonale Hämatopoese eine Ursache dafür ist oder eher die Folge davon.

Die Studie der spanischen Forscher, die im Fachmagazin „Nature Medicine“ veröffentlicht wurde, schafft nun Klarheit und benennt die klonale Hämatopoese tatsächlich als einen weiteren Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bzw. für die häufige Ursache dafür: Arteriosklerose.

Menschen mit Mutationen in Blutzellen erkrankten häufiger an Arteriosklerose

Für die Studie wurden Daten aus der PESA-CNIC-Santander-Studie (PESA=Progression of Early Subclinical Atherosclerosis) analysiert. Daran beteiligt waren über 4000 vermeintlich gesunde Probanden mittleren Alters, die seit 2010 regelmäßigen Untersuchungen mit modernster Bildgebungstechnologie unterzogen wurden, um das Vorhandensein und das Fortschreiten Arteriosklerose festzustellen.

Die Ergebnisse der Studie zeigten deutlich, dass Teilnehmer, die zu Beginn der Studie Mutationen aufwiesen, die mit klonaler Hämatopoese in Zusammenhang stehen, in den folgenden Jahren häufiger an Arteriosklerose erkrankten, heißt es in einer Mitteilung des Forschungsinstituts. Wenn jemand jedoch Arteriosklerose hatte, egal welchen Ausmaßes, zeigte dies keinen Einfluss auf die Ausbreitung der mutierten Blutzellen. „Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Mutationen zur Entwicklung von Arteriosklerose beitragen, aber keine Folge davon sind“, erklärt Co-Erstautorin Miriam Díez-Díez.

Nichtsdestotrotz könnten auch andere Faktoren sich auf die Entstehung der klonalen Hämatopoese auswirken. „Es bleibt möglich, dass andere Faktoren wie das genetische Profil oder der Lebensstil die Auswirkungen der klonalen Hämatopoese modulieren“, schränkt Beatriz L. Ramos-Neble, die andere Co-Erstautorin der Studie, weiter. Künftige Studien seien daher geplant, um diese Möglichkeit zu untersuchen.

„Billiges Medikament“ kann Entwicklung von Arteriosklerose verhindern

Dennoch liefern die spanischen Forscher anhand einer zweiten Studie in Zusammenarbeit mit dem Broad Institut in Bosten gleich Möglichkeiten, die Entstehung von Arteriosklerose in Zusammenhang mit klonaler Hämatopoese zu verhindern. Sie wurde im „European Heart Journal“ veröffentlicht. Demnach lässt sich die Auswirkung der Mutationen durch das entzündungshemmende Medikament Colchicin mildern.

Untersucht wurde die Wirksamkeit des Medikaments in Bezug auf die sogenannte TET2-Mutation. Schon in Studien aus 2017 zeigte sich in Tierversuchen, dass diese Mutation Arteriosklerose beschleunigt. Das CNIC-Team konnte aktuell nachweisen, dass die Verabreichung von Colchicin an Tiere mit TET2-Mutationen die Entwicklung von Arteriosklerose auf eine ähnliche Geschwindigkeit verlangsamt wie bei nicht mutierten Tieren.

Begleitend dazu zeigten die Wissenschaftler des Broad Instituts, die Auswirkungen durch das Medikament beim Menschen: „Individuen mit TET2- Mutationen, die wegen anderer Erkrankungen mit Colchicin behandelt wurden, hatten ein geringeres Risiko für einen Herzinfarkt als unbehandelte Patienten mit ähnlichen Mutationen“,  heißt es weiter in der Mitteilung.

Colchicin ist billig und auf der ganzen Welt erhältlich

Der Vorteil von Colchicin läge laut den Wissenschaftlern auf der Hand: „Colchicin ist ein sehr billiges Medikament, das auf der ganzen Welt erhältlich ist und von der Europäischen Arzneimittelagentur und der FDA in den USA zur Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zugelassen ist. Es gibt daher kein großes Hindernis für seinen Einsatz zur Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Menschen mit TET2- Mutationen“, betont María Ángeles Zuriaga, die die experimentellen Studien am CNIC durchgeführt hat. Pflanzenpräparate mit Colchicin werden zudem seit Tausenden von Jahren in der traditionellen Medizin verwendet. In der modernen Medizin wird das Medikament  zur Behandlung entzündlicher Erkrankungen wie Gicht eingesetzt.

Herzerkrankungen mit sechs Punkten vorbeugen

Neben einer ausgewogenen Ernährung mit viel Obst und Gemüse sowie Vollkornprodukten und wenig Fleisch empfiehlt die Deutsche Herzstiftung weitere sechs Maßnahmen, die das Herz gesund halten:

  1. Reduzieren Sie Stress!
  2. Bewegen Sie sich ausreichend, am besten beim Wandern, Radfahren, Joggen oder Schwimmen!
  3. Rauchen Sie nicht!
  4. Vermeiden Sie Alkohol!
  5. Achten Sie auf Ihren Blutdruck!
  6. Nehmen Sie bei Ihrem Arzt Vorsorgeuntersuchung zur Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wahr!