Situation in Gaza spitzt sich: Israels Sicherheitskabinett streitet über Hilfsgüter
Situation in Gaza spitzt sich: Israels Sicherheitskabinett streitet über Hilfsgüter
Während im Gazastreifen nach 60-tägiger israelischer Blockade eine Hungersnot droht, kann sich die Regierung mit den UN nicht einigen. Und die Lage wird schlimmer.
Tel Aviv/Gaza – Keine Lebensmittel, kein Treibstoff, keine Medikamente – als „unerträglich“ beschreiben Hilfsorganisationen die humanitäre Lage in Gaza. Der Grund: Nach rund 60 Tagen, in denen Israel keinerlei Hilfsgüter mehr in den Gazastreifen gesendet hat, spitzt sich die Lage dramatisch zu. Denn die israelische Einfuhrblockade führt zu einer Hungersnot.
Humanitäre Katastrophe in Gaza: UN fordert internationale Gemeinschaft zum Handeln auf
Zahlreiche Berichte von der Lage vor Ort zeigen das Ausmaß. Muneer Alboursh, der Generaldirektor des Gesundheitsministeriums von Gaza, berichtete der New York Times, dass je länger Israels totale Belagerung der Enklave andauert, desto häufiger rufen Ärzte an und fragen, wo sie Medikamente finden können, um Patienten am Leben zu erhalten. Wenn es keine Medikamente gibt, was können sie sonst versuchen? Das harte Fazit: „Ich kann ihnen keinen Rat geben“, sagte er. „In den meisten Fällen sterben diese Patienten.“
Andere Bilder, die in den letzten Tagen um die Welt gingen: Hungrige Kinder suchten in Abfallbergen nach Essensresten und Brennmaterial. Humanitäre Helfer appellieren deswegen an die internationale Gemeinschaft, die von Israel im Gazastreifen vor zwei Monaten verhängte Blockade von Hilfsgütern zu durchbrechen.
Streit in Israels Sicherheitskabinett über Gaza-Hilfsgüter: UN lehnt Vorschlag privater Sicherheitsfirmen ab
Tatsächlich scheint die weltweite Empörung, die die Bilder von hungernden Kindern ausgelöst hat, etwas zu bewirken. Denn bei der nächtlichen Sitzung des israelischen Sicherheitskabinetts war die Aufhebung der Blockade Thema. Nach Berichten mehrerer Medien kam es darüber wohl zum Streit. Das Kabinett billigte demnach trotzdem einen Plan, Hilfsgüter mithilfe privater Sicherheitsunternehmen zu verteilen. Die UN lehnen dieses Vorgehen aber bislang ab.
„Die internationale Gemeinschaft hat die Wahl: Entweder sie schaut sich weiterhin die grausamen Bilder des erstickten und ausgehungerten Gazastreifens an oder sie bringt den Mut und die Moral auf, Entscheidungen zu treffen, die diese gnadenlose Blockade durchbrechen.“
Die Times of Israel berichtete, es habe eine „hitzige Diskussion“ zwischen dem rechtsextremen Polizeiminister Itamar Ben-Gvir und dem Militärchef Ejal Zamir gegeben. Ben-Gvir habe gesagt, es sei „nicht nötig“, die Hilfslieferungen in den Gazastreifen wieder aufzunehmen. Die Menschen dort hätten genug. „Die Lebensmittellager der Hamas sollten bombardiert werden“, sagte Ben-Gvir demnach weiter. „Ich verstehe nicht, warum jemand, der gegen uns kämpft, automatisch Hilfe bekommen sollte.“ Eine weitere Ministerin habe ihm zugestimmt.
Der Generalstabschef habe dagegen gesagt, solche Vorstellungen gefährdeten Israel. Ben-Gvir verstehe nicht, wovon er rede. „Es gibt internationales Recht, dem wir verpflichtet sind“, sagte Zamir demnach. „Wir können den Gazastreifen nicht aushungern.“
Im Kampf gegen die Hamas: Israel beschließt Ausweitung der Angriffe im Gazastreifen
Hintergrund: Das Militär blockiert seit rund zwei Monaten humanitäre Hilfslieferungen in das abgeriegelte Gebiet, in dem etwa zwei Millionen Menschen leben. Hilfsorganisationen sprechen von katastrophalen Zuständen. Israel wirft der Hamas vor, die Hilfsgüter abzugreifen und gewinnbringend an die Zivilbevölkerung zu verkaufen, um so wiederum ihre Kämpfer und Waffen zu finanzieren.

Und wie am Montag (5. Mai) bekannt wurde, will Israel seine Offensive im Gazastreifen gegen die islamistische Hamas sogar noch weiter ausweiten. Dies sei ebenfalls bei der Sitzung des Sicherheitskabinetts um Ministerpräsident Benjamin Netanjahu einstimmig beschlossen worden, berichteten verschiedene israelische Medien in der Nacht unter Berufung auf Beamte. Ziel sei es, den Druck auf die Hamas zu erhöhen, um die Freilassung weiterer Geiseln zu erzwingen.
Es werde erwartet, dass der Plan zur Ausweitung der Offensive erst nach dem Besuch von US-Präsident Donald Trump in der Region in der nächsten Woche umgesetzt werde, berichtete die Times of Israel. Bis dahin würden Anstrengungen unternommen, um eine Vereinbarung mit der Hamas über eine Waffenruhe und ein Geiselabkommen zu erreichen.
Trump vermutet „geringere Zahl“ von überlebenden Geiseln in Gaza – Zahlen nach Hamas-Überfall unklar
Nach israelischen Angaben befinden sich weiterhin 24 Geiseln und die Leichen von 35 Verschleppten in der Gewalt der Hamas. Ehemalige Geiseln berichten von unmenschlichen Bedingungen. Trump erklärte kürzlich, die Zahl der Überlebenden sei womöglich geringer als bisher angenommen.
Der Gaza-Krieg begann nach dem beispiellosen Überfall der Hamas und anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober 2023. Damals wurden rund 1.200 Menschen in Israel getötet und mehr als 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums wurden seither mehr als 52.500 Menschen im Gazastreifen getötet – mehr als 2.400 davon allein seit Wiederaufnahme der Angriffe am 18. März (bg/dpa).