Parteien setzen auf Staatsausgaben - Merz, Scholz und Habeck versprechen Geschenke – das kommt Sie teuer zu stehen
Mit der eingeplanten Niederlage bei der Vertrauensfrage im Bundestag hat Kanzler Olaf Scholz (SPD) nun den Weg zu Neuwahlen freigemacht. Schon vor der Abstimmung allerdings haben alle Parteien auf Wahlkampf umgeschaltet – und die Kandidaten von CDU/CSU, SPD und Grünen versprechen bereits vieles, was Geld kostet – und zwar den Steuerzahler.
Insofern sind „Wahlkampfgeschenke“ genau genommen niemals geschenkt. Irgendwann kommt die Rechnung. Und manche Vorhaben der Kandidaten standen schon öfter auf den Ankündigungslisten – regelmäßig in Vorwahlzeiten. Ebenfalls gern geübter Brauch: Der Amtsinhaber und bisherige Bundeskanzler sowie seine Koalitionspartner fordern etwas, was sie in der ablaufenden Wahlperiode durchaus mit Mehrheit hätten beschließen können.
Insofern dürfte das Wahlvolk eher skeptisch bleiben, was die Wahrscheinlichkeit einer Umsetzung in der nächsten Legislaturperiode angeht. Wie viel sich aus den Wahlprogrammen am Ende in einem Koalitionsvertrag und mit welchem Gewicht wiederfinden wird, das entscheiden zunächst die Wähler.
Die SPD kämpft weiter
Mit welchen Vorhaben also wollen die Kandidaten diesmal punkten? Der Bundeskanzler und seine SPD setzen auf den Werbeslogan „Wir kämpfen für…“. Den Bürger, das Land, für Soziales, und man rühmt sich dessen, wofür man bereits in den letzten dreieinhalb Jahren gekämpft – wenn auch nicht immer gewonnen – hat. Olaf Scholz setzt also auf drei Punkte.
Der „Deutschland-Bonus“
Gemeint ist damit: Eine neue Subvention, diesmal für Produktion und Produkte „Made in Germany“. Die SPD will statt diverser Förderprogramme, deren bürokratischer Aufwand für die Unternehmen man zur Kenntnis genommen hat, einen Steuerbonus einführen für jene Firmen, die in der Heimat produzieren. Zehn Prozent jeder Investition sollen den Unternehmen direkt über eine Steuererstattung gutgeschrieben werden.
Scholz verspricht sich davon, die heimische Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Voraussetzung, damit das klappt: Die grundgesetzlich verankerte Schuldenbremse soll gelockert werden. Damit verringern sich bereits die Chancen, dass dieses Vorhaben in der präsentierten Form Wirklichkeit wird. Die Zwei-Drittel-Mehrheit dafür ist aus heutiger Sicht nirgends zu sehen.
Der „Deutschland-Fonds“
Es geht weiter um Geld. Viel Geld. Einen 100 Milliarden Euro umfassenden „Deutschland-Fonds“ will der wahlkämpfende Kanzler auflegen, um Infrastrukturprojekte, Investitionen in Arbeitsplätze und weitere kostspielige Vorhaben zu finanzieren. Auch dieser Fonds würde aus weiteren Schulden des Staates gespeist. „Die SPD kämpft um jeden Industriearbeitsplatz“, so Scholz. Inwieweit auch die übrigen Ankündigungen zu sozialen Vorhaben aus diesem Fonds finanziert werden sollen, bleibt bislang unklar.
Mietpreisbremse, Steuersenkungen, Mindestlohn
Im Mittelpunkt der Sozialpolitik sollen nach der Vorstellung des SPD-Kanzlerkandidaten die Mieten stehen. Die Mietpreisbremse will Scholz auf Dauer beibehalten. Auch wenn deren aktuelle Auswirkungen nicht unbedingt vielversprechend sind – das Konzept, so die Kritik der Wohnungsverbände, verknappe den Wohnraum und löse keine Probleme.
Des Weiteren im Wahlkampfmix: Steuersenkungen „für 95 Prozent der Einkommen“, eine nicht näher bezifferte Steuererhöhung dagegen für Vielverdiener. Dazu ein höherer Mindestlohn von 15 Euro (ab 2026), Erhöhung des Kindergeldes und eine Garantie, dass die Rentenhöhe nicht sinken werde. Die von Olaf Scholz kürzlich ventilierte Senkung der Mehrwertsteuersätze auf Lebensmittel steht nicht prominent im Wahlprogramm.
Ein Balanceakt für die Union
Oppositionsführer Friedrich Merz vertritt in entscheidenden Punkten die glatte Gegenposition. Für den Kanzlerkandidaten der CDU/CSU ist das Versprechen von Wohltaten, und dabei die Beibehaltung der Schuldenbremse, ein Balanceakt. Zumal die Union keinesfalls als Steuererhöhungsfraktion im Wahlkampf stehen will. Denn, so der Merksatz von Manfred Güllner: „Jede Form von Steuererhöhung, egal für welche Gruppe, schreckt die Leute ab“ – das konstatierte der Politikforscher und Chef des Forsa-Meinungsforschungsinstituts schon bei früherer Gelegenheit. Will sagen: Auch die gar nicht Betroffenen trauen dem Braten nicht. Friedrich Merz setzt auf drei Schwerpunkte.
Keine Schulden, aber trotzdem Steuersenkungen
Der Kanzlerkandidat der Union fordert „Hände weg von der Schuldenbremse“. Traditionell kommt es beim Bürger gut an, wenn Politiker Selbstbeschränkung beim Schuldenmachen demonstrieren. Merz will allerdings gleichzeitig Steuersenkungen. Das kann nur gutgehen, wenn die Wirtschaft erheblich Fahrt aufnimmt und dadurch die Steuereinnahmen des Staates förmlich explodieren. Diese Einnahmen, falls es sie geben wird, folgen allerdings zeitversetzt, das beschreibt die sogenannte Laffer-Kurve: Der amerikanische Ökonom hatte damit beschrieben, dass sich Reformen am Ende praktisch selbst finanzieren.
Da CDU und CSU laut Wahlprogramm die Einkommensteuersätze senken, die Sozialbeiträge bei 40 Prozent (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberzahlungen) deckeln und dazu noch die Unternehmenssteuersätze bei maximal 25 Prozent festlegen wollen, stellt sich die Frage nach der Finanzierung natürlich sofort. Antworten darauf dürften in der Wahlkampfplanung der Union natürlich vorgesehen sein. Denn, so Friedrich Merz: „Wir dürfen den Menschen nichts versprechen, was wir nach der Wahl nicht halten können“.
Wohnungsbau statt Mietregulierung
Friedrich Merz sieht die Mietpreisbremse als gescheitert – viele Wohnungen kämen gar nicht mehr auf den Markt, da Vermieter keine auskömmliche Miete verlangen dürften. In der Tat gibt es Beispiele, dass eine staatlich regulierte Mietenhöhe zu Lasten der Sanierung und Erhaltung von Wohnraum geht. Merz setzt auf Wohnungsbau, um durch das erweiterte Angebot den Druck aus dem Markt zu nehmen.
„Bett, Brot und Seife“ für abgelehnte Asylbewerber
In der Migrationspolitik stellt der Kanzlerkandidat der Union ein entschlossenes Umsteuern in Aussicht. „Der Zuzug ist zu viel und nicht mehr stemmbar“, so die Union. Daher soll es Verschärfungen in der Asylpolitik geben. Eine strikte Begrenzung der Migration etwa könne durch Grenzkontrollen und „konsequente Zurückweisungen“ und beschleunigte Asylverfahren und natürlich Rückführungen erreicht werden. Die staatlichen Leistungen für abgelehnte Asylbewerber will Merz deutlich verringern. „Bett, Brot und Seife“ lautet der wenig attraktive Merksatz dazu.
Die Grünen ziehen positive Habeck-Bilanz
Kanzlerkandidat der Grünen ist Wirtschaftsminister Robert Habeck , der seine Bilanz der vergangenen dreieinhalb Jahre weitaus positiver sieht als seine – zahlreichen – Kritiker. Habeck setzt derzeit auf direkte Kontakte zu Wahlberechtigten, an deren Küchentisch er sich regelmäßig einfindet. Und mit den Betroffenen über die Zukunft plaudert. Unumstößliche und wichtigste Ziele des Grünen-Kandidaten:
Das Klimageld soll kommen
Die Habeck-Kampagne stellt die soziale Abfederung der Kosten für den Klimaschutz in den Mittelpunkt. Nachdem bisherige Gesetze und Gesetzesvorhaben angesichts der Kosten breite Kritik hervorriefen, wollen die Grünen Förderprogramme mit sozialer Staffelung auflegen. Das bereits seit längerem versprochene Klimageld soll nun tatsächlich kommen und die Kosten für CO2-sparende Maßnahmen mildern helfen. Auch den Kauf von elektrisch betriebenen Autos will Habeck (wieder) unterstützen.
Strompreise sollen sinken
Die Strompreise müssen sinken, so Robert Habeck. Dazu verspricht er entsprechende Initiativen, die den hohen Preis für Elektrizität bei den Privathaushalten kompensieren könnten. Allerding ist die bisherige Marschrichtung die: Strom- und Netzabgaben werden teils aus der Berechnung der Stromkunden herausgenommen, um dann allerdings auf die Steuerzahler umgelegt zu werden – die Kosten sind ja nicht weg, sie sind nur woanders.
„Milliardärssteuer“ und Schuldenbremsen-Reform
Zur Finanzierung dieser und diverser anderer Vorhaben will auch Habeck eine „Reform“ der Schuldenbremse, also Kreditfinanzierungen. Beitragen soll auch eine „Milliardärssteuer“ auf Vermögen, von der sich die Grünen bis zu sechs Milliarden Euro Zusatzeinnahmen versprechen. Angesichts hunderter Milliarden, die für Infrastruktur und andere staatliche Grundaufgaben gebraucht werden, ein nicht so beeindruckender Betrag – ob der sich überhaupt so realisieren ließe, ist erfahrungsgemäß keineswegs ausgemacht.
Öko-Bürgerfonds für die Renten
Zur Zukunftsfrage der gesetzlichen Renten plant die Partei eine Ergänzung des aktuellen Umlageverfahrens durch einen „Bürgerfonds“, finanziert durch Mittel des Bundes und Kredite. Der Fonds soll bei seinen Aktivitäten strikt auf ökologische und soziale Anlagen setzen, außerdem das 1,5-Grad-Klimaziel des Pariser Klimaabkommens fördern und beachten.
Fazit: Alle setzen auf Staatsgeld gegen die Probleme
Allen Kandidaten und ihren Parteien ist gemeinsam, dass sie auf staatliche Ausgaben setzen, um der drängendsten Probleme Herr zu werden. Die Unterschiede finden sich in den Schwerpunkten, teils allerdings sind die jeweiligen Finanzierungspläne nicht kompatibel, was kommende Koalitionsverhandlungen schwierig und womöglich langwierig machen dürfte.
Angesichts der wirtschaftlichen Schwerpunkte der Parteiprogramme äußerten sich vor allem Ökonomen und Wirtschaftsvertreter zu den Plänen. Während das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung vor allem das CDU/CSU-Programm kritisierte, das einseitig Wohlhabende bevorzuge und außerdem eine Milliardenlücke in den Etat reiße, befürworten Wirtschaftsvertreter wie der Bundesverband der Deutschen Arbeitgeberverbände alles, was einen „aktivierenden Sozialstaat“, weniger Regulierung und einen modernen Arbeitsmarkt fördere. Der Verband der Chemischen Industrie VCI, der die aktuell unter besonders starkem Druck stehenden deutschen Chemieunternehmen vertritt, forderte vor allem konkurrenzfähige Strompreise, dazu endlich Bürokratieabbau und stärkere Investitionen in Wachstum, Sicherheit und Infrastruktur. Spuren von allem lassen sich in den wohltönenden Wahlprogrammen natürlich finden.