„Herablassend“: Speisekarte löst kontroverse Diskussionen aus

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Ein Restaurant verbindet Gerichte mit einem überraschenden Zusatz – und entfacht damit Diskussionen. Ein Gastro-Experte erläutert, was dahinter steckt.

„Cremige Zoodles“, „Hausgemachte Brezenknödel“ und „Geschmorter Chinakohl mit Ingwer“ – in der Speisekarte eines Restaurants können die Gäste zwischen drei vegetarischen und zwei veganen Gerichten wählen. Unerwartet ist jedoch, was darunter als Empfehlungen aufgeführt ist: Zu den fleischlosen Gerichten können die Restaurantbesucher gegen Aufpreis unter anderem fränkische Bratwürste, paniertes Schweineschnitzel oder gebratenes Zanderfilet bestellen. Im Online-Forum Reddit wird die Speisekarte heftig diskutiert.

„Stark angefangen und stark nachgelassen“, schreibt eine Nutzerin in Bezug darauf, dass es überhaupt vegane Optionen gibt. Ein anderer Nutzer schreibt: „Für alle, die meinen: ‚Andere Gäste wollen halt Fleisch essen.‘ Dafür ist die ganze restliche Speisekarte da“ und in einem weiteren Kommentar heißt es: „Klingt wie dieser billige Witz: ‚Bei der Zubereitung von Tofu empfehle ich, den Tofu kurz vor dem Verzehr durch ein blutiges Steak zu ersetzen‘“. Ein Nutzer wird deutlich: „Bin kein Vegetarier, aber bei der Nummer wäre ich glaub’ ich direkt raus. Ich find’ diese passiv-aggressive Sch*** unerträglich.“

In der Kommentarsektion kommt es zu Diskussionen zwischen Veganern und „herablassenden Omnis“. Einige Nutzer sehen die Fleisch- und Fischempfehlung zu den vegetarischen und veganen Gerichten weniger kritisch. „Das sind nicht wirklich vegetarische und vegane Gerichte, um Veganer anzusprechen, sondern eher ‚zufällig‘ vegetarisch/vegane Gerichte, die Omnis ansprechen sollen“, schreibt ein Nutzer. Auch in einem anderen Kommentar heißt es, das sei „einfach nur Restaurantsprache“: Es ginge darum, mehr zu verkaufen, wenn man den Gästen eine Beilage oder einen Wein empfehle.

Zu vegetarischen und veganen Gerichten wird in diesem Restaurant Fleisch empfohlen. © Reddit / Montage

Experte: Speisekarten sind Spiegel der Gesellschaft

Michael Bauer, Hotel- und Service-Spezialist, bestätigt die Vermutung einiger Reddit-Nutzer: „Eine Gastronomie ist ein profitorientiertes Unternehmen. Ziel ist es, mit der Speisekarte möglichst viele Menschen zu erreichen“, sagt er BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA. Restaurant und Speisekarten seien auch „Spiegel unserer Gesellschaft“, erklärt der Experte. Anhand der Gerichte sei davon auszugehen, dass es sich bei dem Restaurant, zu dem die Speisekarte aus dem Reddit-Beitrag wohl gehört, um eine eher rustikale, ländliche Gaststätte mit entsprechendem Publikum handle. Wenn eine durchschnittliche Familie dort Essen ginge und der Mann kein Schnitzel bekomme, „kommt er nicht mehr“.

Bauer nennt als weiteren Grund, dass früher Kellnerinnen und Kellner Empfehlungen direkt am Tisch ausgesprochen hätten – von der passenden Beilage bis zum Dessert. Diese Kommunikation sei in der Gastronomie jedoch kaum noch üblich, deshalb werde „heute alles direkt in die Karte geschrieben.“ Auch das Küchenpersonal bringe persönliche Vorlieben mit ein. In einem veganen Restaurant sei es „sinnvoll, einen Koch zu haben, der sich aus Überzeugung mit der Ernährung beschäftigt“, sagt Bauer.

Gastro-Spezialist: Auf dem Land hat ein veganes Restaurant schlechte Aussichten

Es sei wirtschaftlich vorteilhaft für Restaurants, Vielfalt in der Karte zu bieten. „Ein rein vegetarisch-veganes Restaurant würde nur eine bestimmte Zielgruppe ansprechen“, sagt Bauer. In Großstädten könne ein solches Konzept funktionieren, auf dem Land würde solch ein Lokal jedoch kaum bestehen. Zwischen zehn und 15 Prozent der Deutschen leben vegetarisch und zwei Prozent vegan – diese Zahlen spiegeln sich auch im Gastro-Angebot wider: In Deutschland gab es im Jahr 2024 rund 117.000 Restaurants, Gaststätten und Imbisse – davon waren nur etwa 390 rein vegan.

Insgesamt gebe es einen Trend zu mehr pflanzenbasierten Gerichten. Besonders das Bewusstsein für gesunde Ernährung sei bei vielen Menschen heute stark ausgeprägt. „Früher war die Currywurst jahrzehntelang auf Platz eins beim Kantinenessen, heute rutscht sie auf Platz vier. Pommes mit Currywurst sind eben nicht gesund“, erklärt Bauer den Abstieg. Besonders junge Frauen würden sich verstärkt mit Themen wie Gesundheit und Lifestyle beschäftigen und deshalb auch gesündere Gerichte in der Gastronomie bestellen. „Ernährung ist altersabhängig – junge Menschen essen anders als ältere“, sagt Bauer.

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