So machen es andere Länder - Wollen wir die Rente für die Zukunft fit machen, haben wir fünf Optionen
Immer weniger Beitragszahler müssen im deutschen Rentensystem immer mehr Rentner versorgen. Allein der demographische Wandel sorgt dafür, verschärft wird die Situation dadurch, dass immer mehr ältere Arbeitnehmer vor Erreichen der Regelaltersgrenze in den Ruhestand eintreten und dafür oft lieber Abschläge auf ihre Renten hinnehmen. Mehr als 500.000 Rentner, mehr als die Hälfte aller Neu-Ruheständler, nutzten 2023 nach Zahlen der Deutschen Rentenversicherung die Möglichkeit, mit oder ohne Abschläge vorzeitig aus dem Erwerbsleben auszuscheiden.
Für die Rentenversicherung ergibt sich damit ein immer größeres werdendes Finanzierungs-Dilemma. Auf der einen Seite sinken die Einnahmen mit der sinkenden Zahl an Erwerbstätigen, auf der anderen Seite steigen die Ausgaben mit der Zahl der Rentner. Politiker und Ökonomen suchen deswegen auf beiden Seiten nach Möglichkeiten, die Bilanz der Rentenkasse aufzubessern – möglichst ohne Renten kürzen oder Rentenbeiträge erhöhen zu müssen.
Die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer, Chefin des Fünfer-Rates, der die Bundesregierung in wirtschaftlichen Fragen berät, schlug zuletzt vor, das allgemeine Rentenniveau beim Einstieg in den Ruhestand zwar auf dem heutigen Niveau von etwa 48 Prozent des derzeitigen Durchschnittslohns zu belassen, folgende Rentenerhöhungen aber zu begrenzen.
Bisher sind diese in Deutschland an die allgemeine Lohnentwicklung gekoppelt. Größtenteils bestimmt die Veränderung der durchschnittlichen Bruttolöhne in einem Jahr, wie weit die Renten im Folgejahr steigen. Dazu gibt es zusätzliche Parameter wie die Veränderung des Verhältnisses von Beitragszahlen zu Rentenempfängern. Schnitzer argumentiert, dass dieses System zu zu starken Rentenerhöhungen führt und international kaum genützt würde. Doch wie berechnen andere Länder die Rentenerhöhungen ihrer Senioren dann? Wir haben uns verschiedene Systeme angesehen und beschreiben deren Vor- und Nachteile für deutsche Rentner.
1. Lohn-Indexierung
Wie funktioniert es? Beim System der Lohnindexierung werden die Renten an die Entwicklung der allgemeinen Löhne gebunden. Im Detail kann sich dieser Grundsatz aber unterscheiden. In Deutschland gibt es etwa den erwähnten Nachhaltigkeitsfaktor, der das Verhältnis von Beitragszahlern und –empfängern berücksichtigt, andere Länder ziehen eine pauschale Prozentpunktzahl von den Lohnsteigerungen zu den Renten ab oder lassen die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung des Landes mit einfließen.
Wer nutzt dieses System? Schnitzer hat Recht, wenn sie sagt, dass außer Deutschland kaum andere Länder ihre Renten ausschließlich an die Löhne koppeln. Außer uns machen das zum Beispiel Luxemburg, Dänemark, Norwegen und Schweden, wobei letztere beide pauschal 0,75 bis 1,6 Prozent Erhöhung von den Lohnsteigerungen abziehen, um die Rentenerhöhung zu errechnen.
Was sind die Vorteile? Der große Vorteil der Lohn-Indexierung ist, dass die Einkommenszuwächse und damit die finanziellen Möglichkeiten von Arbeitnehmern und Rentnern stets im gleichen Verhältnis bleiben. Haben sich nach einigen Jahrzehnten die durchschnittlichen Löhne verdoppelt, gilt das bei strenger Lohn-Indexierung auch für die Renten. In Dänemark und Norwegen hat sich das Rentenniveau seit 2000 durch das System laut OECD sogar um zehn Prozentpunkte verbessert.
Was sind die Nachteile? Schnitzer argumentiert, dass dieses System zu stets hohen Rentenerhöhungen führt, vor allem in Jahren wie diesem, in denen die Löhne durch gute Tarifabschlüsse stark steigen. Damit steigen auch die Kosten für den Staat rasant an. In einer überalternden Gesellschaft wie der unsrigen könne sich der Staat dies nicht leisten, argumentiert die Ökonomin.
2. Inflations-Indexierung
Wie funktioniert es? Bei der Inflations-Indexierung werden die Renten an die allgemeine Preisentwicklung gekoppelt. Meist werden dazu die Daten aus dem Vorjahr genommen. Liegt die Teuerungsrate in einem Jahr also bei 5 Prozent, steigen die Renten im kommenden Jahr um eben diese 5 Prozent.
Wer nutzt dieses System? Inflations-Indexierungen sind in vielen Ländern zumindest ein Teil der Rentenberechnung. Den größten Einfluss hat diese Methode etwa in den USA, Frankreich, Kanada, Belgien, Südkorea, Mexiko, Spanien, die Türkei und Italien. Italien schwächt die Erhöhungen für hohe Renten dabei aber ein bisschen unter die Inflationsrate ab.
Was sind die Vorteile? Der Vorteil für Rentner ist, dass durch die Inflations-Indexierung ihre Kaufkraft stets erhalten bleibt. Konnten sie sich in diesem Jahr von Ihrer Rente Ihren Lebensunterhalt und einen Sommerurlaub leisten, dann sollte das rein rechnerisch nächstes Jahr genauso möglich sein. Steigen die Löhne langsamer als die Inflation, ist das ein Vorteil. So hat sich das Rentenniveau etwa in den USA und Italien dadurch seit der Jahrtausendwende um rund 10 Prozentpunkte verbessert.
Was sind die Nachteile? In der Regel steigen Löhne - zumindest in Deutschland - höher als die Teuerungsrate. Deswegen führt eine Inflations-Indexierung dazu, dass das Niveau der Renten in einem Land langsam abrutscht. Die OECD hat das etwa seit 2000 in Chile beobachtet, das eine reine Inflations-Indexierung benutzt. Auch in Polen, Japan, Lettland, Litauen und Tschechien, wo die Inflationsrate stark in Mischsystemen (siehe unten) genutzt wird, sank das Einkommen von Rentnern im Vergleich zur allgemeinen Bevölkerung stark.