„14 Euro nötig“: Deutschland hinkt beim Mindestlohn in Europa hinterher

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Vor zehn Jahren hat Deutschland den gesetzlichen Mindestlohn eingeführt. Doch im Vergleich mit anderen EU-Ländern schneiden wir schlecht ab, kritisiert ein Experte.

Seit dem 1. Januar 2015 gibt es in Deutschland den gesetzlichen Mindestlohn. Vor zehn Jahren hat das Bundeskabinett 8,50 Euro als Mindestlohn beschlossen. Mittlerweile ist er um einiges gestiegen: Seit dem 1. Januar 2024 liegt der gesetzliche Mindestlohn bei 12,41 Euro brutto je Stunde. Die nächste Erhöhung ist bereits für 2025 geplant – dann steigt der Mindestlohn auf 12,82 Euro.

Reicht das? Immerhin diskutieren Politiker immer wieder darüber, dass sich Arbeiten im Vergleich mit Bürgergeld nicht mehr lohne. Malte Lübker aus dem Referat Tarif- und Einkommensanalysen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI), findet bei BuzzFeed News Deutschland, einem Portal von IPPEN.MEDIA, Deutschland sollte beim Mindestlohn dringend nachbessern. Mit der Höhe des Bürgergelds hat seine Ansicht aber nichts zu tun.

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Mindestlohn: Bereits 2023 wäre Erhöhung auf „13,61 Euro nötig gewesen“

„Mit der Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro hat Deutschland einen großen Schritt hin zu einem angemessenen Mindestlohn gemacht, wie ihn auch die europäische Mindestlohnrichtlinie fordert“, sagt Lübker zu BuzzFeed News Deutschland. Allerdings hätten erst vor kurzem die Arbeitgeber gegen die Stimmen der Gewerkschaften in der Mindestlohnkommission durchgesetzt, dass der Mindestlohn nur sehr „schwach“ wachse. Damit sei die Mindestlohn-Erhöhung 2024 für viele „absolut unzureichend“.

Das werde deswegen zum Problem, weil die Bundesregierung die EU-Mindestlohnrichtlinie in nationales Recht umsetzen muss – dazu haben die Mitgliedsstaaten nur noch bis zum 15. November 2024 Zeit. Die Richtlinie fordert für einen angemessenen Mindestlohn unter anderem mindestens 60 Prozent vom Medianlohn im jeweiligen Land oder 50 Prozent vom Durchschnittslohn. Um dieses Ziel zu erreichen, wäre bereits 2023 ein Mindestlohn von „13,61 Euro nötig gewesen“, im laufenden Jahr 2024 rund 14 Euro, heißt es im WSI-Mindestlohnbericht, an dem Lübker mitwirkte.

Gerade im Vergleich mit anderen europäischen Ländern hinkt Deutschland deutlich hinterher: Während der Mindestlohn hier zum Jahreswechsel nur um 3,4 Prozent anstieg, waren es in allen 22 EU-Staaten im Mittel (Median) 9,7 Prozent. Besonders stark erhöhten viele osteuropäische Länder, aber auch die Niederlande (+12,9 Prozent) und Irland (+12,4 Prozent). Nur in Belgien (+2,0 Prozent) stieg der Mindestlohn noch langsamer als in Deutschland – hier steht jedoch eine erneute Erhöhung ab 31. März an, wie belgischen Medien berichten.

Dies ist ein Artikel von BuzzFeed News Deutschland. Wir sind ein Teil des IPPEN.MEDIA-Netzwerkes. Hier gibt es alle Beiträge von BuzzFeed News Deutschand.

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Experte sieht Mindestlohnkommission am Zug

Werden die gestiegenen Lebenshaltungskosten gegengerechnet, fällt der Mindestlohn in Deutschland sogar um ein Prozent. Der Grund: Gemessen am Verbraucherpreisindex stiegen die Preise hierzulande zwischen Oktober 2022 (Zeitpunkt der vorangegangenen Anpassung) und Januar 2024 um 3,6 Prozent, also 0,2 Prozent mehr, als sich der Mindestlohn erhöhte.

Auch bei der langfristigen Entwicklung des Mindestlohns seit seiner Einführung 2015 schneidet Deutschland schlecht ab: Seit 2015 stieg der deutsche Mindestlohn real um 15,2 Prozent. Dieser Kaufkraftgewinn sei aber fast vollständig der außerordentlichen Erhöhung auf zwölf Euro im Oktober 2022 zu verdanken.

Was also tun? „Jetzt kommt es darauf an, dass die Mindestlohnkommission an den vorherigen Kurs stärkerer Erhöhungen anknüpft“, sagt Lübker zu BuzzFeed News Deutschland. „Dazu sollte im Mindestlohngesetz die Schwelle von 60 Prozent des Medianlohns als Zielvorgabe verankert werden – wie auch Hubertus Heil und Olaf Scholz das 2021 gefordert haben.“

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