Krieg, Eiserner Vorhang! Neujahrsempfang in Mittenwald mit deftiger Rhetorik
Eiserner Vorhang, Krieg, Wehrhaftigkeit – beim Neujahrsempfang in Mittenwald sparten die Redner nicht mit martialischen Ausdrücken. Die viel zitierte Zeitenwende mit ihren Krisen und Kriegen ist endgültig in der politischen und gesellschaftlichen Rhetorik angekommen.
Mittenwald – Neujahrsempfänge der Marktgemeinde und der Bundeswehr waren trotz gelegentlicher kritischer Sentenzen zumeist eine reine Wohlfühloase. Auch am Donnerstag tauschten sich die geladenen Gäste in Zivil und Uniform in lockerer Atmosphäre aus. Doch die Reden von Kommandeur Eike Gudat und des SPD-Bundestagsabgeordneten Christoph Schmid hatten es diesmal dagegen in sich. Im altehrwürdigen Saal des Standortoffiziersheims wurde verbal aufgerüstet – Zeitenwende.
Damit uns das nicht passiert, müssen wir wieder eine glaubhafte militärische Abschreckung erreichen.
In solch bewegten Phasen, in denen die Konflikte in der Ukraine oder in Nahost zu einer immer tieferen Spaltung der westlichen Welt mit Russland oder China führen, müssen viele Dinge in der Bundesrepublik neu justiert werden, findet Gastgeber Oberstleutnant Gudat. „Die Zeitenwende muss auch und vor allem eine Mentalitätswende sein und Deutschland auf einen Verteidigungskrieg vorbereiten“, betonte der Chef der Gebirgs- und Winterkampfschule. Stille im Saal. „Wachen Sie auf! Wir müssen vorbereitet sein und wenn nötig bereit sein, die Stärke, Robustheit und Resilienz einer Gesellschaft zu zeigen.“
Gudat will mit diesen denkwürdigen Formulierungen keinen Waffengang der NATO, die demnächst zum Großmanöver nach Norwegen ruft, heraufbeschwören. „Damit uns das nicht passiert, müssen wir wieder eine glaubhafte militärische Abschreckung erreichen.“
Und zwar vor potenziellen Feinden wie Russland. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Christoph Schmid spricht es in seinem 20-minütigen Gastbeitrag zwar so explizit nicht aus, doch auch seine Wortwahl erinnert an die Rhetorik des Kalten Krieges. „Wir werden einen neuen Eisernen Vorhang bekommen“, so die düstere Prognose des drahtigen Schwaben. Der Mann aus Donauwörth, dessen Markenzeichen die knallroten Turnschuhe sind, sitzt seit 2021 im Bundestag. Bemerkenswert: Der einstige Kriegsdienstverweigerer und Zivildienstleistende sitzt im Parlament im Verteidigungsausschuss. Von der von den Grünen überstrapazierten These der 1980er „Schwerter zu Pflugscharen“ ist Schmid, der „Verteidiger“, wie sich die Mitglieder seines Ausschusses spaßeshalber bezeichnen, inzwischen meilenweit entfernt. Er fragt in Mittenwald stattdessen in die Runde: „Was ist unsere Gesellschaft wert, wenn sie sich nicht verteidigen kann?“ Und gibt auch gleich die Antwort: „Nichts!“ Daher müssten Deutschland und seine europäischen Partner mehr denn je wehrhaft sein. „Wir alle wissen doch, was passiert, wenn Donald Trump wieder Präsident wird.“ In der Tat: Als überzeugter Transatlantiker ist der umstrittene Republikaner nicht bekannt.
Den Satz seines Parteifreundes Boris Pistorius würde Schmid auf jeden Fall unterschreiben. „Krieg führen können, um verteidigen zu können“, so zitiert Kommandeur Gudat seinen obersten Dienstherrn, den Bundesverteidigungsminister.
Wie sehr die Zeitenwende und der Wunsch nach Wehrhaftigkeit im einstigen Wohlfühlkontinent Europa durchschlagen, zeigt die dauerhafte Stationierung einer 4500-köpfigen Brigade in Litauen. Und was bedeutet die verstärkte Militarisierung für die Menschen im Oberen Isartal? „Wir werden wieder vermehrt Üben im freien Gelände“, sagt Oberstleutnant Gudat. „Sie werden Hubschrauber sehen und hören.“ Also mehr Lärmbelästigung. Nicht zu vergessen Bahnverladungen, Marschkolonnen, Alarmierungsübungen. Also das volle Programm – wie schon im Kalten Krieg.