Tarif-Konflikt eskaliert - Gemüse, Klopapier, Braten: Drohen leere Regale im Supermarkt an Weihnachten?

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Volle Regale sorgen für eine gute Kaufstimmung und dafür, dass Menschen im Supermarkt mehr einkaufen. Weil die Vorweihnachtszeit für den Einzelhandel besonders wichtig ist, suchen viele Filialen Zusatzpersonal, die Waren in die Regale stellen. Doch Rewe, Edeka und andere Supermarktketten kämpfen derzeit mit großen Regallücken, die bei Kunden an die Corona-Engpässe von 2020 erinnern. Wie kann das sein?

In einer Edeka-Filiale im Münchner Stadtteil Sendling finden Kunden aktuell kein Toilettenpapier, kein Mehl und nur wenige Joghurtprodukte. Ein Schild informiert überraschte Kunden über die Lage. „Leider kann es aufgrund von Streiks in unseren Zentrallagern zu Fehlartikeln im Sortiment kommen.“ Ein paar Hundert Meter weiter finden Rewe-Kunden in der dortigen Filiale keine Haferflocken. Hinweisschilder sucht man hier allerdings vergeblich.

Seit Monaten gehören leere Regale zum Alltag in deutschen Supermärkten. Die Auswirkungen der Streiks in der Warenverteilung sind für die Kunden vielerorts spürbar. Grund sind die seit Monaten festgefahrenen und ergebnislosen Tarifverhandlungen zwischen dem Handel und der Gewerkschaft Verdi. Eine baldige Lösung ist nicht in Sicht. Die Kunden müssen wohl noch länger mit Einschränkungen beim Wocheneinkauf leben.

Welche Produkte sind betroffen?

Nach Informationen aus der Branche kommt es vor allem bei Lebensmitteln mit kurzer Haltbarkeitsdauer wie Obst, Gemüse, Fleisch und Tiefkühlwaren immer wieder zu Engpässen. Gegenüber FOCUS online bestätigen Mitarbeiter unterschiedlicher Filialen, dass es auch bei Pflegeprodukten, Reinigungsmitteln und Kosmetika zu Einschränkungen kommt. Gestreikt wird seit Monaten in unterschiedlichen Formen und je nach Bundesland in unterschiedlicher Intensität. Mal dauerten die Streiks einige Stunden, mal zogen sie sich über Tage hin. Betroffen sind vor allem Lager und Logistik, dadurch fehlen häufig Kommissionierer und Fahrer. Verdi zufolge sind vor allem Nordrhein-Westfalen und Bayern betroffen. In NRW befinden sich seit vergangener Woche Lagerstandorte von Edeka und Rewe erneut im Streik.

Wie stark Kunden betroffen sind, hängt laut Handelsexperte Jörg Funder auch vom Wohnort ab. Im ländlichen Räumen und in kleineren Mittelstädten, wo es oft nur kleine und mittelgroße Filialen mit weniger Lagerflächen gebe, seien die Lücken in den Regalen oft sichtbarer.

Engpässe zu Weihnachten?

„Wir hatten vor wenigen Wochen Probleme, Gänse und Enten in die Tiefkühltruhen zu bekommen“, sagt eine Mitarbeiterin einer Rewe-Filiale in Köln auf Anfrage von FOCUS online. „Das war schon heftig.“ Ein Mitarbeiter einer Edeka-Filiale im Münchner Süden sagt sogar: „Wir hatten vor einer Woche mehrere Paletten Lebkuchen und Adventskalender bestellt. Wir warten noch immer noch darauf.“

Die Situation ist angespannt. Handel und Gewerkschaft hatten schon vor Wochen hinter vorgehaltener Hand betont, dass eine Einigung vor Weihnachten schwierig sei. Eine gute Nachricht gibt es aber: Der Handelsverband Deutschland (HDE) und die Gewerkschaft Verdi trafen sich kürzlich in Berlin zum Spitzengespräch und einigten sich auf das weitere Vorgehen. Zumindest sollen die bisher gescheiterten Verhandlungen auf Landesebene nun wieder aufgenommen werden.

Kommt es nicht bald zu einer Einigung, drohen sogar verschärfte Streiks. Die wären vor allem im Dezember für Haushalte spürbar. „Zu Weihnachten kommt die Familie zusammen und will sich etwas gönnen, zum Beispiel einen guten Braten. Der Kunde hat kein Verständnis dafür, wenn der nicht verfügbar ist“, sagt Martin Fassnacht, Handelsexperte von der Wirtschaftshochschule WHU.

Händler spielen Situation herunter - Filialen schlagen aber schon Alarm

Wie schlimm ist die Situation? Nicht dramatisch, das ist die offizielle Kommunikation der Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels, berichtet die Deutsche Presseagentur. Es gebe keine Engpässe, die Versorgung sei gesichert. Nur in Einzelfällen seien Produkte vorübergehend nicht verfügbar. Für die Verbraucher gebe es kaum Auswirkungen, so heißt es auf Nachfrage bei Rewe, Edeka und anderen Supermarktketten. „Alles im Griff“, so die Botschaft.

Aus Sicht von Handelsexperten Funder ist das Strategie. „Die Unternehmen wollen natürlich nicht zugeben, dass die Situation schwierig ist, alles andere wäre ein Erfolg für die Gewerkschaft“, sagt er. Die Unternehmen wollten weder die andere Seite unnötig stark machen noch Kunden abschrecken, deshalb spiele man die Situation bewusst herunter. Handelsexperte Fassnacht sagt: „Volle Regale wecken Kauflust und führen zu mehr Käufen, leere sorgen bei den Kunden für schlechte Stimmung, und es wird weniger gekauft.“

Welche Produkte sind besonders betroffen? Während die Zentralen von Rewe, Aldi und andere Händler zu Detailfragen schweigen, sind die Händler vor Ort auskunftsfreudiger. Die Auswirkungen des Streiks seien gravierend, es gebe große Probleme bei der Warenversorgung, sagt ein Händler, der im Großraum Dortmund mehrere Filialen betreibt. Er will aber namentlich nicht zitiert werden, weil er sonst Ärger mit seiner Regionalgesellschaft bekommen könnte.