Neue Putin-Bedrohung überschattet Selenskyj-Besuch in Berlin – Merz vor Taurus-Wende?
Selenskyjs Berlin-Besuch bei Merz steht unter dramatischen Vorzeichen: Russland startet eine neue Großoffensive, die Frage nach Taurus wird dringlicher.
Berlin – Friedrich Merz (CDU) ist erst seit kurzem Kanzler, aber schon zum dritten Mal trifft er am heutigen Mittwoch den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, diesmal im Kanzleramt in Berlin. Und das mitten in einer brisanten militärischen Lage an der Ukraine-Front, wo Russland wohl eine neue Großoffensive startet.
Neue Putin-Bedrohung überschattet Selenskyj-Besuch in Berlin bei Merz
Schöne Bilder und Worte, wie es sie beim Merz-Selenskyj-Treffen in Berlin heute sicher geben wird, nutzen dem ukrainischen Präsidenten in dieser dramatischen Situation nicht viel: Sein Land braucht Unterstützung in Form von Waffen zur Verteidigung gegen Wladimir Putins übermächtige Armee. Am Mittwochmorgen schlug der ukrainische Präsident Alarm, dass Russland an der Ukraine-Front bei Sumy mehr als 50.000 Soldaten zusammenzieht. Putin startet wohl aller Verhandlungsbemühungen zum Trotz eine neue Großoffensive.
Der Selenskyj-Besuch in Berlin steht heute also in einem ganz anderen Zeichen als Merz Besuch in Kiew vier Tage nach seinem Amtsantritt: Damals herrschte noch Optimismus, dass gemeinsam mit US-Präsident Donald Trump ein Waffenstillstand im Ukraine-Krieg möglich ist.
Mittlerweile ist diese Hoffnung gestorben. Im Gegenteil, es droht im Ukraine-Krieg eine weitere Eskalation durch Putin. Bei aller Tragik könnte das zumindest einen Vorteil für Selenskyj haben: Dass Putin an einem schnellen Ende des Ukraine-Krieges und an einem Kompromiss nicht interessiert ist, dürfte nun auch Donald Trump klar sein.
Bei Treffen mit Selenskyj in Berlin steht Merz unter Waffen-Druck – Taurus-Frage stellt sich
Während des hoffnungsvollen Ringens um eine Waffenruhe war die Frage nach neuen Waffen für die Ukraine für Merz weniger drängend. Jetzt aber steht sie wieder voll auf der Agenda: Merz wird beim Selenskyj-Treffen mit der Frage konfrontiert sein, ob er wie im Wahlkampf angekündigt Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine liefern wird.
Zumindest öffentlich will der Kanzler sich dazu jedoch nicht mehr äußern: Er wolle Putin nicht wissen lassen, über welche Waffen die Ukraine zu ihrer Verteidigung verfüge, lautet Merz‘ Begründung.
Merz könnte bei Selenskyj-Besuch in Berlin andere Waffen als Taurus auf Lager haben
Dem Vernehmen nach wird Merz Selenskyj aber trotzdem nicht mit leeren Händen empfangen, sondern weitere Waffen aus Deutschland in Aussicht stellen. Laut einem Bericht der Bild ist von Mars 2-Systemen die Rede. Fünf Mars 2-Mehrfachraketenwerfer lieferte Olaf Scholz bereits 2002. Merz könnte jetzt weiter zusagen, heißt es und damit ein wenig Druck aus der Debatte um Waffen nehmen. Auch weitere Iris-Flugabwehrsysteme zur Abwehr russischer Drohnen und Raketen könnte Merz Selenskyj versprechen, heißt es.
Am Montag (26. Mai) hatte Merz für internationales Erstauen gesorgt, als er verkündete, dass Reichweitenbeschränkungen für Waffen an die Ukraine nun aufgehoben sei – die ukrainischen Truppen sei es nun auch erlaubt, militärische Ziele im russischen Hinterland zu treffen.
Was genau Merz damit meinte, blieb aber unklar, denn Taurus-Raketen, die derart hohe Reichweiten erzielen könnten, hat Deutschland noch nicht geliefert. Mit Mars 2-Raketenwerfern lassen sich jedenfalls keine russischen Stützpunkte tief in Russland treffen. Sie haben eine Reichweite von 85 Kilometern, Taurus von 500 Kilometer.

Selenskyj-Besuch in Berlin: Merz könnte bei Taurus-Frage auf Umweg setzen
Merz könnte aber einen Umweg nehmen, um, der Ukraine doch noch Zugriff auf westliche Distanzwaffen zu ermöglichen: Nach Informationen der Bild will die Regierung eine Millionensumme an ukrainische Rüstungsfirmen abgeben, damit sie selbst Marschflugkörper entwickeln und bauen können, die bis zu 2500 Kilometer Reichweite hätten. Das geht allerdings nur, wenn die ukrainischen Rüstungsunternehmen nicht vorher von russischen Bomben getroffen werden, die zu den Hauptzielen der Angriffe Russlands im Ukraine-Krieg gehören.
Während Merz-Selenskyj-Treffen in Deutschland ist Außenminister Wadephul in USA
Während Selenskyj heute zum vierte Mal seit Beginn des Ukraine-Kriegs in Berlin ist, befindet sich der deutsche Außenminister Johann Wadephul (CDU) in den USA. In Washington trifft er Donald Trumps Außenminister Marco Rubio.
Wadephul will in den USA alles daran setzen, Trump an der Seite der Ukraine und der europäischen Verbündeten zu halten und für eine gemeinsame Strategie im Umgang mit Putin werben. „Damit Putin endlich an den Verhandlungstisch kommt, damit Russland endlich in ernsthafte Verhandlungen einsteigt, müssen wir den Druck aufrechterhalten“, erklärte der CDU-Politiker vor dem Abflug nach Washington.
Die Hoffnung ist, dass sich Trump oder zumindest der US-Kongress im Alleingang doch noch zu schärferen Sanktionen gegen Russland durchringt. (smu)