Hallbergmooser Erfolgsreihe „erstKlassiK“: „Am Ende zählt, ob es ehrlich war“

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„Sie alle kommen gern, weil sie hier mit Freunden spielen können, was ihnen am Herzen liegt“: Komponist und musikalischer Leiter von „erstKlassiK“, Vladimir Genin (M.), hat schon viele fantastische Musiker nach Hallbergmoos geholt. © Hendrik Köhler

Mit „erstKlassiK“ hat Hallbergmoos ein hochrangiges Format für orchestrale Musik. Die Macher erklären ihr Erfolgsrezept, und warum Pannen positiv wirken können.

Hallbergmoos - Der Name ist Programm: Seit 17 Jahren bietet der Freundeskreis erstKlassiK in Hallbergmoos klassische Musik auf einem Niveau, wie es ansonsten nur großen Sälen in Metropolen vorbehalten ist. Und weil das hervorragend ankommt, haben die Veranstalter in diesem Jahr das traditionelle Sommerfest zu einem kleinen Musikfestival erweitert. Im Interview mit dem FT berichten Vladimir Genin, Künstlerischer Leiter von erstKlassiK, und Marion Lamina, Koordinatorin des Helfer-Teams, worin ihr Erfolgsrezept besteht, was sie antreibt, und warum gerade die Abende, an denen nicht alles perfekt läuft, oft am besten in Erinnerung bleiben.

Frau Lamina, Herr Genin, erstKlassiK gibt es mittlerweile 17 Jahre – eine sehr lange Zeit. Was ist Ihr Erfolgsrezept?

Vladimir Genin: Unsere Konzertreihe lebt nicht von Größe, sondern von Nähe. Nähe zwischen Musikerinnen und Musikern, zwischen Bühne und Publikum. Wir wollten nie beeindrucken, sondern berühren. Kein großes Marketing, kein Etikett, sondern Qualität, Kontinuität und das Vertrauen, dass sich echte Musik durchsetzen darf.

Marion Lamina: In unserem eher kleinen Rahmen geht es um das Live-Erlebnis von Musik und das gemeinsame Hören der Klänge, Harmonien und Melodien. Dank der hervorragenden Akustik in unserem Gemeindesaal sind alle Zuhörer sehr aufmerksam. Es entsteht eine Energie, die wiederum die Musiker spüren und die sie weiter beflügelt.

Sie bieten jedes Jahr mehrfach hochkarätige Acts an, die auch internationale Töne setzen. Wie gelingt es Ihnen, diese hochrangigen Virtuosen nach Hallbergmoos zu locken?

Genin: Meine berufliche Haupttätigkeit ist die Komposition. Viele der Musiker kenne ich seit Jahren durch gemeinsame Projekte oder über meine Musik. Manche sind international unterwegs, unterrichten an großen Hochschulen. Andere sind eher unbekannt, obwohl sie fantastisch spielen. Sie alle kommen gern, weil sie hier mit Freunden das spielen können, was ihnen wirklich am Herzen liegt – Kammermusik in ihrer ursprünglichsten Form, in einer Atmosphäre, in der sie frei gestalten können. Ohne Vorgaben, ohne Druck.

Lamina: Und viele reisen gemeinsam an – als kleine Ensembles, alte Bekannte, Kolleginnen und Kollegen. Sie sehen sich oft lange nicht und nutzen unser Konzert, um wieder miteinander zu spielen. Solche Gelegenheiten gibt es im regulären Konzertbetrieb nur selten.

Wie weit im Voraus müssen solche Klassik-Events geplant sein?

Genin: Wir planen alles rund ein Jahr im Voraus – das diesjährige Sommerfestival ist überhaupt unser erstes. Vieles entsteht unterwegs: Programme, Ideen, Begegnungen.

Und oft sind es gerade diese Abende, die am meisten bleiben, weil dann alle zusammenhalten.

Lamina: Wir sind sehr dankbar, dass Vladimir Genin seine Kontakte in die Musikszene nutzt. Ohne diesen persönlichen Kontakt wäre die Konzertreihe mit diesen herausragenden Musikerinnen und Musikern überhaupt nicht möglich.

Genin: Ich würde das umgekehrt genauso sagen: Ohne ein so engagiertes Team wäre das alles organisatorisch gar nicht zu stemmen.

Was waren in all den Jahren die größten Herausforderungen?

Genin: Die Pandemie war hart. Aber wir haben weitergemacht. Kleinere Besetzung, Streaming, reduzierte Plätze – aber kein Konzert ist ausgefallen. Die Gemeinde hat die Technik bezahlt. Die Musiker waren dankbar, und wir auch. Ein ganz besonderes Erlebnis war ein Konzert mit hochbegabten ukrainischen Kindern, die mit ihren Müttern aus London, Zürich, Ljubljana und ganz Deutschland angereist kamen. Die Gemeinde half bei allem: Tickets, Unterkunft, Essen. Es wurde ein Fest.

Mussten Sie auch mal wegen eines größeren Problems eine Veranstaltung retten?

Genin: Natürlich. Kranke Musiker, kaputte Technik, Verspätungen, gecancelte Flüge. Aber wir finden immer eine Lösung. Und oft sind es gerade diese Abende, die am meisten bleiben, weil dann alle zusammenhalten. Und am Ende zählt nicht, ob alles perfekt war, sondern ob es ehrlich war.

Hochkarätiges Konzert-Wochenende

Die Konzertreihe erstKlassiK hat ihr traditionelles Sommerfest mit Sokolov & Friends zu einem kleinen Festival erweitert. Wie die Veranstalter mitteilen, werden heuer erstmals zwei Konzertabende sowie ein Meisterkurs für Streicher angeboten. Insgesamt 13 international renommierte Musiker aus Europa und Kanada, darunter die preisgekrönten Künstler Dmytro Udovychenko, Gary Hoffman und Valeriy Sokolov, kommen nach Hallbergmoos. Am Samstag, 28. Juni, stehen um 19 Uhr im Gemeindesaal Werke von Mendelssohn-Bartholdy, Schubert und ein Trio von Sofia Gubaidulina auf dem Programm. Zum Abschlusskonzert am Sonntag, 29. Juni, um 19 Uhr präsentieren ausgewählte Teilnehmer des Meisterkurses mit ihren Dozenten in der Kirche St. Theresia unter anderem Streichquartette von Debussy und Schostakowitsch.

Der Meisterkurs für Streicher findet von Freitag, 27. Juni, bis Sonntag, 29. Juni, jeweils von 10 bis 14 Uhr statt. Laut Veranstalter ist der Kurs für Zuhörer kostenlos und ohne Anmeldung zugänglich. Eintrittskarten kosten im Vorverkauf 18 Euro pro Konzert oder 32 Euro für beide Konzertabende, an der Abendkasse werden 20 Euro berechnet. Kinder bis einschließlich 14 Jahre sowie Schüler der Musikschule Hallbergmoos-Neufahrn haben freien Eintritt. Weitere Informationen und Ticketbestellungen unter www.erstklassik.info oder per E-Mail an ticketshop@erstklassik.info.

Was war ihr persönliches Highlight in all der Zeit?

Genin: Es gab viele Momente, in denen ich dachte: Mehr kann Musik nicht sein. Aber einer bleibt besonders: Ein Abend, an dem ein einzelner Celloton den ganzen Saal für Sekunden stillgelegt hat. So still, dass man fast das Denken hörte. Diese Momente tragen einen durch viele Jahre Arbeit.

Es ist eine große Freude, wenn das Publikum nach dem Konzert begeistert nach Hause geht.

Lamina: Für mich war es das Duo Silver-Garburg: zwei Pianisten an zwei Flügeln! Unvergessen auch das Konzert „Der Duft Koreas“ 2016 mit koreanischer Musik, Tanz und der traditionellen Kleidung. Das war keine bunte Show, sondern echter Originalklang auf authentischen Instrumenten. Und ich freue mich jetzt schon auf die Munich Brass Connection, die uns bereits zum dritten Mal beehren und im Herbst ihr brandneues Programm „Cavatina – Eine Bayerische Opernreise“ vorstellen werden.

Was treibt Sie an?

Lamina: Für uns Helfer steckt viel Arbeit in einer Konzertvorbereitung. Aber jedes Konzert entschädigt um ein Vielfaches den Aufwand, und es ist eine große Freude, wenn das Publikum nach dem Konzert begeistert nach Hause geht. Die Musiker sollen spüren, dass sie in Hallbergmoos sehr herzlich willkommen sind. Ihr aufrichtiger Dank ist für uns Helfer immer wieder Ansporn.

Genin: Musik ist mein Leben. Und wenn ich sehe, dass Kinder in der ersten Reihe ganz still Mendelssohn oder Schostakowitsch hören, dann weiß ich: Das lohnt sich.

Im Rahmen des Festivals findet auch ein Meisterkurs statt. Was hat es damit auf sich?

Genin: Er richtet sich an junge Streicher, die mehr wollen als Technik. An Musiker, die wirklich zuhören, Fragen stellen, sich verändern lassen. Und auch wer nur zuhört, kann viel mitnehmen. Denn hier sieht man, wie Musik entsteht. Wie Musiker miteinander arbeiten, Dinge ausprobieren, manchmal auch scheitern – und neu ansetzen.

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