Präsident der Gesellschaft für Ernährung: „Maximal 300 Gramm Fleisch pro Woche – gerne auch weniger“
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt immer weniger Fleisch- und Wurstkonsum – auch, weil Faktoren wie Klima berücksichtigt werden.
Was sollen die Deutschen essen? Richtlinien gibt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE). Vor einigen Jahren hat sie ihre Kriterien grundsätzlich geändert. Mittlerweile spielen bei den Empfehlungen nicht mehr nur gesundheitliche Aspekte eine Rolle, sondern auch Themen wie Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Auch das führt unweigerlich dazu, dass die DGE etwa immer weniger Fleischkonsum empfiehlt. Ebenso beim Alkohol, wo die Ernährungsgesellschaft mittlerweile eine Null-Tropfen-Linie fährt. Dürfen wir nie mehr fünfe grade sein lassen? Fragen an den Vorsitzenden Bernhard Watzl.
Herr Watzl, die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt in ihrem neuen Positionspapier, komplett auf Alkohol zu verzichten. Muss man sich schlecht fühlen, wenn man mal ein Feierabendbier trinkt?
Wir hatten zuvor einen Referenzwert für Alkoholkonsum. Dadurch entstand der Eindruck, dass, wie bei Referenzwerten üblich, eine gewisse Zufuhr empfehlenswert ist. Es ist aber wissenschaftlich nicht haltbar, den Eindruck zu erwecken, die Zufuhr von Alkohol sei empfehlenswert oder förderlich für die Gesundheit. Wenn man null Risiko haben möchte, ist null Alkoholverzehr passend. Das Feierabendbier ist sicherlich noch in der Kategorie von einem geringen oder moderaten Risiko. Jeder trifft letztlich selbst die Entscheidung für sein Risiko.
Wie riskant ist es, auf dem Oktoberfest ein paar Maß Bier zu trinken?
Naja: Oktoberfest ist nicht jede Woche. Also das ist eine Ausnahme und dafür gibt es gar keine Regeln.
Das heißt, Sie haben Ihr 70-jähriges Vereinsjubiläum auch nicht nur mit Sprudelwasser und Hülsenfrüchten gefeiert?
Ich sehe das so: Bei einer Feier, einer Hochzeit oder einem Geburtstag ist der moderate, geringe Konsum durchaus drin. Das sind grundsätzlich Ausnahmesituationen, wofür es keine allgemeinen Empfehlungen gibt.
Deutsche Gesellschaft für Ernährung: „Maximal 300 Gramm Fleisch pro Woche – gerne auch weniger“
Lassen Sie uns über Fleischkonsum sprechen. Sie empfehlen aktuell 300 Gramm Fleisch pro Woche. Vergangenes Jahr waren es noch bis zu 600 Gramm. Warum kam es zur Änderung?
Wir sagen: Maximal 300 Gramm Fleisch und Wurst pro Woche, es darf aber gerne auch weniger sein. Wenn die empfohlenen Werte überschritten werden, dann stirbt man nicht. Aber es ist wie beim Alkohol. Mit höherem Verzehr hat man ein stärkeres Risiko für Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Dickdarmkrebs. Die Anpassung der neuen Empfehlungen kommt aber auch daher, weil wir nicht nur Gesundheitsaspekte, sondern auch die Klima- und Umweltwirkungen des Fleischverzehrs mit berücksichtigen.
Liegen diese Bereiche wirklich im Zuständigkeitsbereich einer Gesellschaft für Ernährung?
Wir reden über Klimaveränderungen und Auswirkungen unseres Lebensstils auf die globale Gesundheit. Da kommen wir nicht umhin. Bis zu ein Drittel der Treibhausgasemissionen sind auf das Ernährungssystem zurückzuführen. Wenn wir uns als Nation durch Verträge verpflichten, Treibhausgasemissionen reduzieren zu wollen, kann deshalb niemand den Bereich Ernährung außen vor lassen.
Kritiker Ihrer Fleischempfehlungen sagen, bei Fleischverzicht fehlten wichtige Nährstoffe wie Eiweiß.
Wir haben das natürlich sehr detailliert berücksichtigt. Erreichen wir die Bedarfsdeckung bei Proteinen oder Aminosäuren, die letztendlich über die Proteine aufgenommen werden? Wir sehen, dass wir dieses Ziel sowohl bei Proteinen als auch anderen Nährstoffen, inklusive Aminosäuren oder auch Eisen, erreichen. Man hat überhaupt keine gesundheitlichen Probleme, wenn man sich vegetarisch ernährt oder komplett auf Fleisch verzichtet. Tiere sind trotzdem eine sinnvolle Ergänzung bei der Ernährung. Hier geht es um den Fleischkonsum in Maßen oder Milchprodukte und Eier.
Auch bei Milch und Eiern hat die DGE in der Vergangenheit ihre Empfehlung angepasst.
Bei Milchprodukten galt früher: maximal drei Portionen pro Tag, also Milch, Käse, Joghurt oder Butter. Diese Menge hat die deutsche Bevölkerung ohnehin nicht erreicht. Deshalb sind wir nun auf zwei Portionen gegangen. Auch, weil es für den Kalziumbedarf ausreicht und die Produktion von Milch mit einer hohen Methanproduktion bei den Rindern einhergeht. Methan ist eines der starken Treibhausgase, die zur Klimaveränderung führen. Insofern haben wir einen sehr guten Kompromiss.
Und bei Eiern?
Hier gilt aktuell: ein Ei pro Woche. Das ist der Konsum der Deutschen laut Studien. Das bezieht sich aber nur auf die reine Form Ei, zum Beispiel als Frühstücks- oder Spiegelei. Wir haben keine Information, wie viele Eier in Form von Nudeln, Backwaren oder Ähnlichem konsumiert werden.

Wie sieht ein guter und gesunder Wochenplan an Gerichten aus?
Wir empfehlen eine pflanzenbetonte Ernährung. Das heißt, etwa Dreiviertel der Nahrungsmenge sollten aus Pflanzen kommen, in erster Linie Obst und Gemüse. Beim Getreide, der wichtigen Quelle für Kohlenhydrate, ist es sinnvoll, häufiger Vollkornprodukte zu essen. Wichtig sind auch Hülsenfrüchte, die wir in den letzten Jahren stiefmütterlich behandelt haben: Linsen oder Kichererbsen in verschiedenen Formen wie Falafel oder Hummus. Zu dieser pflanzenbasierten Ernährung kann man ein bis zwei tierische Gerichte hinzunehmen, am besten Fisch aus nachhaltiger Aquakultur oder ergänzend Fleisch aus guter Tierhaltung, idealerweise Bio.
Die DGE wird in sozialen Medien immer wieder angefeindet. Da ist die Rede von Bevormundung und Moralpredigern, die den Menschen den Spaß am Leben nehmen wollen. Wie reagieren Sie darauf?
Wir reagieren gar nicht darauf. Das gehört zur Meinungsvielfalt. Wir bekommen auch viele positive Kommentare. Gerade im persönlichen Bereich der Ernährung gibt es aber viele Reibungspunkte. Die Leute regen sich auf, dass wir irgendetwas verbieten möchten. Das stimmt nicht, wir geben nur Empfehlungen. Dabei leitet uns die Wissenschaft.