Schilder-Zoff in Südtirol eskaliert: Bergretter warnt vor lebensbedrohlicher Gefahr für Urlauber

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Schmieraktionen auf Wanderwegen in Südtirol lassen alte Spannungen wieder aufleben. Doch sie stellen auch eine ernsthafte Gefahr für Touristen dar.

Bozen – Die malerischen Berglandschaften, die schmucken Ortschaften und das hervorragende Essen sind nur einige der Gründe, warum Italien-Urlauber die nördlichste Provinz Südtirol schätzen. Ein weiterer Pluspunkt, vor allem für Gäste aus deutschsprachigen Ländern: Die Mehrheit der Bevölkerung spricht Deutsch, die Verständigung fällt somit wesentlich leichter, als in anderen Urlaubsregionen.

Südtirols Mehrsprachigkeit ist so manchem aber ein Dorn im Auge. Es gibt auch Kritiker, die es störend finden, wenn etwa Ortsnamen auf Schildern sowohl auf Deutsch als auch auf Italienisch angegeben werden. Dies führt gelegentlich zu Vandalismus, insbesondere bei Wanderwegweisen. Laut Bergrettern ein potentielles Risiko für Touristen.

Wanderwegweiser in Südtirol von Unbekannten beschmiert –

Noretta G. ist 79 Jahre alt und wandert trotz ihres fortgeschrittenen Alters gerne durch die Bergwelt Südtirols. Letztens trübte jedoch eine Schmiererei an einem Wegweiser ihre Wanderung im Eggental, wie die Tageszeitung Alto Adige berichtete. Auf einer zweisprachigen Beschilderung waren die italienischen Bezeichnungen Nova Ponente für das Dorf Deutschnofen und Bolzano für die Provinzhauptstadt Bozen durchgestrichen.

Obwohl Unbekannte immer wieder zu ähnlichen Schmieraktionen greifen, befeuert der jüngste Vorfall alte Spannungen zwischen der deutsch- und italienischsprachigen Bevölkerung in der Region. Während die einen im „Ausradieren“ anderssprachiger Bezeichnungen einen feindseligen Akt sehen, sind andere verärgert über italienische Orts- und Flurnamen, die Südtirol nach der Annexion durch Italien und während der Zeit des Faschismus aufgezwungen wurden.

Wanderer beim Aufstieg von der Plätzwiese zum Gipfel des Dürrenstein dahinter der Gipfel des Monte Südtirol Italien
Ortsbezeichnungen sind in Südtirol auf Wanderschildern oft zweisprachig angegeben. Das gefällt nicht jedem. (Symbolbild) © Norbert Eisele-Hein/imageBROKER/Imago

Federführend dabei war der faschistische Politiker Ettore Tolomei, der in seinen 32 „Provvedimenti per l‘Alto Adige“ („Maßnahmen für Südtirol“) unter anderem vorsah, deutsche Ortsnamen zu italianisieren. Mit Ausnahme historisch gewachsener Flur- und Ortsnamen in Südtirol, wurden die meisten übersetzt. Bis heute sind allein die italienischen Ortsnamen amtlich, Bezeichnungen auf Deutsch und in der dritten Landessprache Ladinisch, werden lediglich geduldet. Seither ist der Namensstreit immer wieder Gegenstand innenpolitischer und ethnischer Diskussionen.

Unbekannte verunstalten zweisprachige Wanderschilder – Bergretter sieht Sicherheitsrisiko

Giorgio Gajer, Präsident der Südtiroler Berg- und Höhlenrettung, sieht in diesen Vandalismusakten jedoch mehr als nur ein politisches Problem. Er betrachtet sie als Sicherheitsrisiko, da Unkenntnis oder Verwirrung über Ortsnamen in Notfällen lebensbedrohlich sein können, sowohl für die Betroffenen als auch für die Rettungskräfte.

„Wenn eine Person in Schwierigkeiten die Rettungskräfte ruft, ist es wichtig, dass sie in der Lage ist, korrekte Angaben zu ihrem Standort zu machen“, wird Gajer vom Portal des Club Alpino Italiano (CAI) zitiert. Er fügt hinzu: „Wenn sie die Namen der Orte nicht lesen oder verstehen kann, weil sie in einer anderen Sprache geschrieben sind, besteht ein doppeltes Risiko: für sie, nicht gefunden zu werden; für uns (Bergretter, Anm.), uns in Gefahr zu bringen.“

Durchgestrichene Ortsbezeichnungen in Südtirol – Negative Auswirkungen auf Tourismus befürchtet

Carlo Alberto Zanella, Präsident des CAI in Südtirol, glaubt, dass man über die Notwendigkeit einiger Übersetzungen diskutieren könnte. „Ich bin davon überzeugt, dass es nicht nötig ist, jedes Toponym vollständig zu übersetzen“, sagt Zanella. Er hält einige Übersetzungen für nicht sinnvoll. „Bei touristisch bedeutenden Gipfeln ergibt es Sinn, nicht bei Nebengipfeln, die nur die Einheimischen kennen.“

Trotzdem ist Gajer der Meinung, dass jede Verzögerung bei der genauen Lokalisierung eines Unfallorts den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen kann. Darüber hinaus könnte das Entfernen der italienischen Bezeichnungen negative Auswirkungen auf den Tourismus haben, da viele italienischsprachige Besucher dies als beleidigend empfinden könnten, berichtet das Portal Südtirol News. Die Erneuerung der beschädigten Schilder verursache zudem erhebliche Kosten für die Gemeinden.

Wie hitzig die ethnische Debatte in Südtirol mitunter sein kann, zeigt auch das Beispiel einer neuen Fernsehserie, die sogar eine Senatorin auf den Plan rief. Eine weitere Vandalismusaktion in den Dolomiten hat unterdessen Touristen eine deutliche Botschaft vermittelt und weit über die Landesgrenzen hinaus für Aufsehen gesorgt. (jm)

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