Bauernwut und Lebensmittel-Wertschätzung: Kaniber und Bär bei „Jetzt red’ i“
Wenn sich für „Jetzt red‘ i“ die Memminger Stadthalle in ein live-sendungstaugliches Fernsehstudio verwandelt, kündigt sich Prominenz an. Zum Thema ‚Bauernproteste‘ kam vergangene Woche Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber. Wer sie sehen und hören wollte, musste sich aber erst durch Blockaden aus Traktor und Co. arbeiten.
Moderator Tilmann Schöberl spricht in der Sendung von bis zu 500 „Bulldogs“, die die Anfahrtswege zur Halle blockieren. Ins Innere schaffen es schließlich rund hundert Zuschauer. Als Experten sind Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) und der Obmann im Agrarausschuss des Bundestages Karl Bär (B’90/Grüne) geladen. Im Publikum sitzen meist Menschen aus der Land-, Vieh- oder Forstwirtschaft, der Lebensmittelverarbeitung oder -produktion. Es gebe „ordentlich Druck im Kessel“, leitet Schöberl ein. Wut und Frust über die Bundesregierung haben sich angestaut.
Das wird bei den Diskutanten aus dem Publikum deutlich. Solle man als Bauer nun möglichst günstig für den Weltmarkt oder eher hochwertige Lebensmittel produzieren, fragt Gerhard Trunzer aus Bad Grönenbach. Die immer anspruchsvolleren Auflagen seitens der Politik machten beides schwieriger. Landwirtin Julia Eble moniert, dass nach Sozialabgaben, Altersvorsorge und Rücklagen – darunter auch die für von der Politik geforderte Investitionen – weniger als der Mindestlohn bleibe. Und der müsse ja für alle auf dem Hof samt Großeltern und Kindern reichen.
Den meisten Zuschauern geht es nicht um Steuervorteile, höhere Preise, Tariflöhne oder Arbeitszeitreduzierung. Sie wünschen vielmehr eine planbare Perspektive für die Landwirtschaft. Eine Neuausrichtung der Agrarpolitik wird gefordert. Die „ausufernde Bürokratie“ machen Geschichten aus dem alltäglichen Vorschriften-Dschungel deutlich.
„Am Regal endet die Moral“
Auch die Macht des Lebensmittelhandels samt Folgen für die Lebensmittelqualität sind Thema. Die Wettbewerbsfähigkeit gehe immer zuerst über den Preis: Nach dem Motto „am Regal endet die Moral“ werde den Verbrauchern statt den überkommenen Strukturen die Schuld gegeben.
Kaniber steht nahezu enthusiastisch Rede und Antwort. Die CSU mache schon einiges: zum Beispiel die in den Bundesrat eingebrachte bayerische Initiative für eine Neuordnung der Agrarsubventionen, die die kleinbäuerlichen Betriebe unterstützen solle – was aber von den anderen Akteuren abgelehnt worden sei. Grünenpolitiker Bär sieht eher das große Ganze. Nicht nur die Bauern müssten ihren Spar-Beitrag leisten, im Haushalt sei überall gekürzt worden. Das kam beim Publikum negativ an. Immerhin habe es beim Etat für Waffenlieferungen in die Ukraine und ‚Sondervermögen‘ zur Kriegstüchtigkeit auch einen politischen Willen zur Ausgabensteigerung gegeben. Bär prophezeit indessen, dass die Lage der Landwirtschaft Ende des Jahrzehnts eine deutlich andere sein werde – wenn die riesigen Agrarflächen der Ukraine vielleicht in der EU seien.
Erleichterung ist beim Publikum dennoch nicht zu spüren – auch, weil die 60 Minuten der Sendung für das große Themenfeld nicht ausreichen. Die Hoffnung, dass „der Druck im Kessel“ durch die Sendung ein Ventil gefunden haben könnte, verpufft. Der Grundtenor der Protestierenden, dass wieder auf ihrem Rücken und ihrer Zukunft Agrarpolitik gemacht werde, bleibt.