Bei Demenz denken die meisten vor allem an ältere Menschen, doch Demenz kann auch schon Kinder betreffen. Der Neurologe Mimoun Azizi gibt Einblicke in Ursachen, Symptome und mögliche Unterstützungswege für betroffene Familien.
Was ist Kinderdemenz und wie unterscheidet sie sich von Demenz bei Erwachsenen?
Kinderdemenz ist ein Sammelbegriff für verschiedene neurodegenerative Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen. Eine davon ist die sogenannte Neuronale Ceroid-Lipofuszinosen (NCL). Diese ist eine seltene Erkrankung, die in verschiedenen Formen auftritt und unterschiedliche Symptome auslösen kann. Es gibt mehr als zehn verschiedene Formen der NCL, die in verschiedenen Altersstufen auftreten können. Manche Formen treten bereits bei Säuglingen auf, andere im Kleinkindalter, bei Schulkindern, Jugendlichen oder jungen Erwachsenen.
In Deutschland sind etwa 700 Menschen von dieser Krankheit betroffen. Im Gegensatz zur Demenz bei Erwachsenen handelt es sich bei der Kinderdemenz um eine genetische Erkrankung.
Während Demenz bei Erwachsenen in der Regel erst im höheren Alter auftritt und oft mit Gedächtnisverlust und kognitiven Beeinträchtigungen einhergeht, kann Kinderdemenz bereits in den ersten Lebensjahren auftreten und sich durch eine Vielzahl von Symptomen manifestieren, einschließlich motorischer Probleme, Sehstörungen und geistiger Behinderung.
Trotz der Unterschiede im Alter des Auftretens und der spezifischen Symptome haben beide Erkrankungen eines gemeinsam: Sie führen zu einem fortschreitenden Verlust der Gehirnfunktion.
Erste Anzeichen und Symptome
Die seltene Erkrankung zeigt eine Reihe von Symptomen. Oft entwickeln sich die betroffenen Kinder zunächst normal für ihr Alter, beginnen aber ab einem bestimmten Punkt, Rückschritte zu machen. Dies kann in verschiedenen Bereichen auftreten. Ein erstes Anzeichen kann ein Rückgang der Sehkraft sein oder es kommt zu epileptischen Anfällen. Es ist typisch, dass bereits erlernte Fähigkeiten wieder vergessen werden und es zu allgemeinen Rückschritten in der Entwicklung kommt.
Über den Autor
Der Facharzt für Neurologie Dr. med. Mimoun Azizi, M.A., ist seit 2021 Chefarzt der Geriatrie/Neurogeriatrie am Allgemeinen Krankenhaus Celle. Darüber hinaus ist er Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und besitzt u.a. Zusatzqualifikationen in der Notfallmedizin, Geriatrie und Palliativmedizin. Der Autor verschiedener Fachbücher und -artikel besitzt zudem einen Magister der Politikwissenschaften und Soziologie sowie einen Master der Philosophie.
Die Bewegungsfähigkeit des Kindes kann abnehmen, da die Muskeln schwächer werden. Auch das Verhalten des Kindes kann sich verändern: Halluzinationen, Angstzustände oder Depressionen können auftreten.
In späteren Stadien der Erkrankung sind die Betroffenen oft auf einen Rollstuhl angewiesen und benötigen künstliche Ernährung. Es ist wichtig, dass Eltern bei Verdacht auf Kinderdemenz professionelle Hilfe suchen. Es gibt spezielle Kompetenz-Zentren sowie Fachärzte und Selbsthilfegruppen, die beraten und unterstützen können.
Durch frühzeitige Diagnose und Unterstützung kann das Leben des Kindes und der Familie bestmöglich gestaltet werden.
Ursachen des Krankheitsbildes
NCL wird durch eine genetische Anomalie verursacht. Dieser genetische Fehler führt dazu, dass sich der Stoff Ceroid-Lipofuszinosen in den Nervenzellen ansammelt und dort nicht abgebaut werden kann. Die betroffenen Nervenzellen, die sich hauptsächlich im Gehirn und in der Netzhaut befinden, sterben infolgedessen ab.
NCL ist eine Erbkrankheit, das bedeutet, sie wird von den Eltern auf das Kind übertragen. Wenn beide Elternteile eine fehlerhafte Erbanlage in sich tragen und diese weitergeben, erkrankt das Kind. Trägt nur ein Elternteil oder keiner von beiden diesen Erbfehler, wird das Kind nicht mit NCL geboren.
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Jede Form von NCL entsteht durch eine andere Stelle in der Erbanlage. Da die Krankheit sehr selten ist, dauert es oft mehrere Jahre bis zur Diagnose. Präventive Maßnahmen sind aufgrund des genetischen Ursprungs der Krankheit begrenzt. Eine genetische Beratung kann jedoch hilfreich sein, um das Risiko einer Vererbung der Krankheit zu verstehen und informierte Entscheidungen über eine Familienplanung zu treffen.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es bisher?
Die Krankheit kann derzeit nicht geheilt werden, die Forschung ist jedoch aktiv und konzentriert sich auf vielversprechende Bereiche wie Gen- und Stammzelltherapien. Darüber hinaus werden einige Wirkstoffe in klinischen Studien getestet, die Hoffnung auf zukünftige Durchbrüche bieten. Die Behandlung konzentriert sich derzeit darauf, den Betroffenen bestmögliche Unterstützung zu bieten und ihre Beschwerden zu lindern.
Hierbei können verschiedene Therapieformen zum Einsatz kommen, darunter Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie. Diese Therapien zielen darauf ab, die körperlichen Fähigkeiten des Kindes zu erhalten, seine Kommunikationsfähigkeit zu verbessern und die Lebensqualität insgesamt zu optimieren.
Die Lebenserwartung von Kindern mit Demenz ist deutlich verkürzt, die meisten Betroffenen erreichen ein Alter zwischen 20 und 30 Jahren. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass eine frühzeitige Diagnose und Therapie die Lebenserwartung verlängern können.
Bei der Einschätzung der Lebenserwartung spielen Faktoren wie die spezifische Form der Krankheit und das Alter bei Beginn der Erkrankung eine Rolle. Für Eltern ist es wichtig zu wissen, dass sie ihr Kind unterstützen können, indem sie ihm Zugang zu den besten verfügbaren Therapien verschaffen und eine liebevolle, unterstützende Umgebung schaffen.
Sie sollten auch nach Möglichkeiten der Unterstützung für sich selbst suchen, da die Pflege eines Kindes mit Demenz sowohl physisch als auch emotional herausfordernd sein kann.
Dieser Text stammt von einem Expert aus dem FOCUS online EXPERTS Circle. Unsere Experts verfügen über hohes Fachwissen in ihrem Themenbereich und sind nicht Teil der Redaktion. Mehr erfahren.