Die Lehren aus dem Pisa-Schock - die Ratschläge von Experten aus Bayern
Als 2001 die erste Pisa-Schülerstudie erschien, lösten speziell die deutschen Ergebnisse einen regelrechten Schock aus. 22 Jahre später sind die Ergebnisse noch schlechter als 2001. Was folgt daraus?
München/Berlin – Besorgniserregend, alarmierend, katastrophal – niemand redete gestern die deutschen Pisa-Ergebnisse schön. In Mathe und Lesen sind deutsche 15-jährige Schülerinnen und Schüler nur noch auf Durchschnittsniveau, nur in Naturwissenschaften leicht besser (die ganze Studie finden Sie hier). Wie groß das internationale Gefälle ist, zeigt der Abstand Deutschlands zum Pisa-Sieger Singapur: In Mathematik sind es 100 Punkte (575 gegenüber 475), in Lesen über 80 und in Naturwissenschaften noch knapp 70 – das entspricht jeweils mehr als einem Schuljahr. Zwar gingen die Leistungen auch im Schnitt aller 81 getesteten OECD-Länder zurück, sagen die Forscher (selbst Singapur schwächelte leicht im Lesen). Aber: In Deutschland und Niederlande, Norwegen oder Polen ergab sich „ein besonders deutlicher Einbruch“.

„Der Handlungsbedarf im Bildungssystem könnte größer nicht sein“, erklärte die Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP). Sie ist für Schulen gar nicht zuständig, doch das war gestern nicht wichtig. Sogar die CSU forderte – in seltener Übereinstimmung mit den Grünen – eine „nationale Kraftanstrengung“ und einen gemeinsamen Aktionsplan von Bund und Ländern.
Nur: Was soll der enthalten? Dass nach den Schulschließungen in der Corona-Pandemie nun die Kernkompetenzen Mathe und Lesen gestärkt werden müssen, war gestern fast von jedem Bildungsexperten zu hören. Bayerns Kultusministerin Anna Stolz (FW) etwa kündigte „schulartübergreifende Modellversuche“, um rechenschwache Schülerinnen und Schüler nach der Grundschulzeit zu fördern. Realschulen könnten in Mathe und den Naturwissenschaften verstärkt mit Unis kooperieren – erste positive Ansätze gibt es mit der TU München. Der Augsburger Gymnasialdirektor Stefan Düll, Präsident des Deutschen Lehrerverbands, wiederum hält den Weg verpflichtender vorschulischer Sprachstandstests in den Kitas für richtig. Erzieherinnen als Deutschlehrerinnen? Bisher ist das auch in Bayern noch nicht richtig ausdiskutiert. Der bayerische Philologenverbandschef Michael Schwägerl rät, in der Grundschule anzusetzen und die Englischstunden in der 3. und 4. Klasse zugunsten von Rechnen oder Deutsch zu streichen.
Mr. Pisa meldet sich zu Wort
Auch Mr. Pisa meldete sich zu Wort: Der Deutsche Andreas Schleicher hatte als „Koordinator“ die erste Pisa-Studie geleitet. Im Gegensatz zu früher vermeidet er nun radikale Thesen – etwa nach einer Abschaffung des gegliederten Schulsystems – und äußert sich differenziert zu den Leistungen von Schülern mit Migrationshintergrund. Diese machten fehlende Kenntnisse durch „großen Bildungshunger“ wett. Ganz geht die Rechnung aber nicht auf: Denn in Mathematik erzielten Schüler ohne Migrationshintergrund im OECD-Schnitt 29 Punkte mehr erzielten als Kinder mit ausländischen Wurzeln. Bei gleichzeitiger Armut verstärkt sich das noch – und in der Tat stammt im Schnitt die Hälfte der Migranten-Schüler aus sozioökonomisch benachteiligten Elternhäusern. Hier mit mehr Deutschförderung anzusetzen, dürfte nicht verkehrt sein.
Ergebnisse zur Handy-Nutzung
Ein Nebenergebnis der Studie kann Diskussionen auslösen: Häufige Handynutzung wirkt sich negativ auf Schülerleistungen aus. Schüler, die digitale Geräte täglich nicht mehr als eine Stunde zum Zeitvertreib nutzen, haben in Mathematik 49 Punkte mehr als solche, die fünf bis sieben Stunden pro Tag daddeln. Ein Digital- oder Handyverbot an Schulen forderte gestern aber niemand. Auch der Pisa-Test, an dem weltweit 690 000 Jugendliche teilnahmen (in Deutschland 6100, davon 1000 aus Bayern), fand in Form zweistündiger Multiple-Choice-Aufgaben am Computer statt.
Richtiges Ergebnis der Aufgabe: 40 Prozent