Jobcenter-Abfrage zeigt - 2024 wurde keinem einzigen „Totalverweigerer“ das Bürgergeld komplett gestrichen
Arbeitsminister Hubertus Heil hatte vor einem Jahr angekündigt, durch eine härtere Gangart gegenüber sogenannten „Totalverweigerern“ das Bürgergeld notfalls vollständig für zwei Monate zu streichen. Wie eine Abfrage der „ Welt “ unter 60 Jobcentern ergab, wurde jedoch bisher kein einziges Mal das Bürgergeld komplett gestrichen. Die Regelung, die das ermöglicht, trat im April 2024 in Kraft.
„Wir sehen keine Effekte“, bestätigt ein Behördenleiter, der anonym bleiben will. Sieben Briefe müssen verschickt und die Antworten bearbeitet werden, bis jemand mit dem Stempel „Totalverweigerer“ in der Statistik auftaucht. Mit der Maßnahme sollten 170 Millionen Euro eingespart werden, hieß es im Gesetzentwurf aus dem Januar 2024 - das gelang bisher nicht ansatzweise.
Bürokratie stoppt Komplett-Streichung von Bürgergeld
Der Hauptgrund, warum wohl noch niemandem das gesamte Bürgergeld gestrichen wurde, ist dem Bericht zufolge Bürokratie: Der betroffene Empfänger muss in jedem Fall zur Sache angehört werden – schriftlich oder persönlich. Eine Sprecherin erklärt dazu: „Die bestehenden Regelungen zur Sanktionierung sind komplex und oft schwer durchzusetzen.“
Zeigt ein Empfänger Kooperationswillen zeigt, darf ihm nichts mehr gestrichen werden. Dafür reicht ein nachgereichter Krankenschein, eine mündliche Erklärung, warum ein Vorstellungsgespräch nicht wahrgenommen wurde oder die Beteuerung, eine Streichung des Bürgergelds würde zu einem besonderen Härtefall führen. Meldet sich die betroffene Person oder berichtet von einem Sinneswandel, beginnt der Prozess wieder von vorn und kann sich über Monate ziehen. „Es muss in die Köpfe rein, dass es nichts umsonst gibt“, fordert ein Jobcenterleiter.
„Armutszeugnis“: Opposition kritisiert Heil-Reform des Bürgergeldes
Die Statistik bringt Stephan Stracke, arbeitsmarktpolitischer Sprecher der CSU, auf die Palme. „Es war Bundesarbeitsminister Heil, der sich für die angeblich verschärften Sanktionsregelungen im Bürgergeld als Reformer feiern ließ“, kritisiert er. „Doch sein Gesetz scheitert an der eigenen Unumsetzbarkeit.“ Auch die CDU übt Kritik. „Die fehlende Konsequenz gegenüber Totalverweigerern ist ein Armutszeugnis“, moniert Kai Whittaker, CDU-Politiker und Mitglied im Sozialausschuss. “Lasche Sanktionen und hohe Hürden“ würden so das Prinzip „Fördern und Fordern“ untergraben.