Auf Zeitreise mit dem Schongauer Nachtwächter

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Lebhaft berichtet Kreisheimatpfleger Jürgen Erhard als Nachtwächter den Gästen von der langen Historie der Stadt Schongau. Im Frühjahr und im Herbst soll die Tour künftig angeboten werden. © Eleonore Fähling

Viele spannende Geschichten erzählt Kreisheimatpfleger Jürgen Erhard, der als Nachtwächter verkleidet seine Gäste durch die Schongauer Altstadt führt. Anfang April war Premiere. Wer sich ihm anschließt, erfährt beispielsweise, wie einst 500 Augsburger das Ballenhaus ausraubten.

Stimmungsvoller hätte der sternklare Abend nicht sein können für die erste Nachtwächter-Tour in der Schongauer Altstadt. Unter den Arkaden vor dem Schongauer Rathaus macht Kreisheimatpfleger Jürgen Erhard klar, dass wir dennoch nicht zum Spaß hier sind: „Wir haben ein strenges Programm, und dazu gehört auch, dass wir die Qualität des Angebots unserer Wirtsleute sicherstellen!“ Stilecht in Dreispitz, Lodenumhang und Kniebundhosen, wie sie ein Nachtwächter im 18. Jahrhundert vermutlich trug, sowie mit einer Laterne mit echter brennender Kerze bestückt, führt der Historiker hinüber zur ersten Station im Klosterhof.

Dreispitz, Lodenumhang und Kniebundhosen

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Dass es über das historische Schongau viel zu erzählen gibt, ahnt man ja – aber gleich so viel? Und so viel Vergnügliches? Etliche Geschichtsdaten vom 13. bis zum 20. Jahrhundert hat Erhard im Kopf, aber vor allem lässt er die Gäste seiner Stadtführung teilhaben am Alltag der Schongauerinnen und Schongauer früherer Zeiten. Feuer war die größte Gefahr und Feuerschutz die Hauptaufgabe des Nachtwächters. Noch heute erzählt man sich schließlich vom Stadtbrand im Jahr 1493. Die Hellebarde, die der Nachtwächter mitführt, zeugt davon: Mit dem Haken an der Spitze musste er, wenn es irgendwo brannte, die Glut zerteilen, um die Ausbreitung des Feuers zu verhindern. Dass er wachte, damit alle ruhig schlafen konnten, hörten die Bewohner an seinem stündlich vorgetragenen Lied, das auch uns durch die Altstadt begleitet.

Bewirtung im Ballenhaus

Am Ballenhaus werden wir mit Wein bewirtet und erfahren die unglaubliche Geschichte von den 500 Augsburgern, die einst das städtische Lagerhaus stürmten und venezianische Seide raubten – wie die wohl unbemerkt in die Stadt hinein und wieder hinauskamen? Wohl kaum durch das enge Gässchen, das zum Frauentor führt. An der Weinstube gibt es eine weitere Gelegenheit, die Kehle anzufeuchten, im historischen Rössle-Biergarten wartet das Schongauer Brauhaus auf und wir lernen noch etwas über die 13 Brauereien, die die Stadt einst beherbergte. Eine davon befand sich im Löwenhof, wo es einen kleinen Happen gibt, bevor wir durch die Christophstraße nach einer letzten Stärkung im „Ochsenblut“ zum Abschluss der Tour vor dem Stadtschloss gelangen.

Die heute eher beschauliche Gasse war einst berüchtigt, denn hier „reihte sich Beiz‘ an Beiz‘, und es gab immer wieder Ärger“. Einschlägig aktenkundig seien da beispielsweise gewisse Herren Frohnwieser und Wiedemann gewesen, „also die Schongauer Haute Volée“, berichtet der Nachtwächter.

Lang anhaltender Applaus bestätigt am Ende, dass die erste Nachtwächter-Tour in Schongau ein voller Erfolg war. „Im Frühjahr und im Herbst bieten wir diese Tour künftig an. Neben dem Nachtwächter gibt es auch Nachtschwärmerinnen, die führen werden, denn Frauen konnten ja keine Nachtwächter sein“, erklärt Stadtführerin Kornelia Funke, die diesmal als Gast dabei war und die die nächste Nachttour im Mai leiten wird. Der letzte historische Schongauer Nachtwächter hat übrigens sein Amt bis zu seinem Tod im Jahr 1930 ausgeführt. Er hätte sich vielleicht gefreut, dass sein Dienst heute noch gewürdigt wird.

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