Deutscher Verkehr verändert sich - Wie viele Autobahnen braucht Deutschland? Experten warnen vor Denkfehler

Ein ähnliches Bild zeichnet die Prognose für den Güterverkehr in Deutschland. Auch hier wird die Verkehrsleistung bis 2040 deutlich um mehr als 31 Prozent zunehmen. Schiene und Straße wachsen dabei nahezu gleich stark um jeweils rund ein Drittel. Am Anteil des Schienengüterverkehrs von derzeit rund 20 Prozent wird sich damit bis 2040 nicht viel ändern. 

Gleich mehrere Ziele verfehlt

Damit stehen gleich zwei zentrale Ziele der Bundesregierung zur Disposition, die sie sich eigentlich schon für 2030 gesetzt hatte: die Verkehrsleistung im Personenverkehr auf der Schiene bis zum Ende dieses Jahrzehnts zu verdoppeln sowie den Anteil des Schienengüterverkehrs am gesamten Transportaufkommen in Deutschland von derzeit rund einem Fünftel auf dann ein Viertel zu erhöhen. Kassieren wollte Wissing diese Vorhaben nicht. „Es sind ambitionierte Ziele, am Ende können wir immer nur umsetzen, was machbar ist“, sagte er. 

Der Verkehr in Deutschland ist auch einer der wenigen Sektoren, in denen die CO2-Reduktionsziele seit vielen Jahren verfehlt werden. In den Jahren vor der Corona-Pandemie lagen die Emissionen laut Umweltbundesamt sogar über den Werten aus dem Jahr 1990. Das soll sich in den kommenden Jahren ändern. 

Die Autoren der Verkehrsprognose gehen davon aus, dass die CO2-Emissionen im Verkehr bis 2040 um rund 77 Prozent sinken werden. Den Hauptanteil daran haben demnach alternative Antriebsarten im Straßenverkehr. So sollen bis dahin rund zwei Drittel vollelektrische Pkw unterwegs sein, sagte Kluth.

Der Bericht räumt allerdings ein, dass auch mit dieser Reduktion das im Klimaschutzgesetz verankerte Ziel verfehlt würde, die Emissionen bis 2040 im Verkehrsbereich um 88 Prozent zu senken.

Die selbsterfüllende Prophezeiung 

Auf Basis der Verkehrsprognose will die Bundesregierung nun überprüfen, inwiefern die Pläne für künftige Investitionen in die Infrastruktur daran angepasst werden müssen. Weil sich die Vorhersage aber selbst auch an künftigen politischen Maßnahmen orientiert, sprechen manche Kritiker von einer selbsterfüllenden Prophezeiung. 

„Volker Wissing will tausende Kilometer Autobahnen und Bundesstraßen zusätzlich bauen oder erweitern lassen und stellt dann fest, dass der Autoverkehr nicht sinkt und mehr Lkw fahren“, kritisierte etwa Greenpeace-Verkehrsexpertin Lena Donat. Dabei zeigten andere Prognosen, dass die Entwicklung schon mit wenigen politischen Veränderungen völlig anders verlaufe.

„Selbsterfüllende Prophezeiungen waren selten ein guter Ratgeber für sachorientierte Politik", sagt Christoph Bals, politischer Geschäftsführer von Germanwatch. „Anstatt sich mit Verkehrsprognosen, die die verbindlichen Klimaziele nicht berücksichtigen, eine selbsterfüllende Prophezeiung zu schaffen, muss die Bundesregierung unsere Investitionen in die Verkehrsnetze an der Physik des Klimawandels und politischen Realität der Klimaziele ausrichten. Der dringende Ausbau einer starken Schiene kann die Straßen entlasten.“

Wissing: Politische Wünsche können nicht die Grundlage sein

Die zentrale Forderung vieler Verbände: Die Infrastrukturplanungen und -investitionen an den Klimazielen auszurichten und nicht an Verkehrsentwicklungsprognosen -wie es etwa Österreich seit einigen Jahren handhabt. Auch das Expertengremium International Transport Forum der OECD empfiehlt einen solchen Ansatz. “Wer die Verkehrswende von den Zielen her denkt, ergreift ehrgeizige Maßnahmen und versteckt sich nicht hinter Vorhersagen", hieß es von Dirk Flege, Geschäftsführer des Interessenverbands Allianz pro Schiene. 

Wissing wies die Kritik zurück. „Die Grundlage für diese Verkehrsprognose basiert auf der Annahme, dass wir bis zum Jahr 2040 den gesamten Bedarfsplan im Schienenbereich umgesetzt haben werden“, sagte er. „Natürlich ist eine solche Prognose nicht auf der Grundlage politischer Wünsche zu entwickeln, sondern auf der Grundlage realistischer Annahmen, die am Ende zu den berechneten Ergebnissen führen.“

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