Grüner & günstiger Strom: So will Bayerns Wirtschaft die Energieversorgung der Zukunft gestalten

  1. Startseite
  2. Wirtschaft

Grüner & günstiger Strom: So will Bayerns Wirtschaft die Energieversorgung der Zukunft gestalten

KommentareDrucken

Solarparks und Windanlagen senken mit ihrem günstigen Strom aktuell die Marktpreise. Über die Kosten wird aber die Umsetzung der Kraftwerksstrategie entscheiden. © Karl-Josef Hildenbrand / dpa

Der deutsche Strom soll grün werden und zudem bezahlbar sein. Nachdem die Bundesregierung mit der Kraftwerksstrategie den Rahmen gesetzt hat, machen bayerische Industriearbeitgeber jetzt einen Vorschlag.

München – Die Lage an den Stromgroßmärkten hat sich deutlich entspannt: Der hohe Anteil an Erneuerbaren im Netz drückt die Strompreise am Großmarkt derzeit auf erträgliche sechs Cent die Kilowattstunde. Auch die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) begrüßt die kostensenkende Wirkung der Erneuerbaren und fordert einen schnellen Ausbau von Kraftwerken und Netzen. Perspektivisch aber werden die Strompreise in manchen Stunden deutlich günstiger, in manchen deutlich teurer als heute. Beides ist ein Problem. Die vbw hat deshalb die Prognos AG mit einer Studie beauftragt, die den preiswertesten Weg für die Energiewende zeigen soll.

Kapazitätsmarkt

Durch den Zubau von Windrädern, Solarparks, Stromspeichern und Netzen gibt es an immer mehr Stunden im Jahr genug grünen, teilweise extrem günstigen Strom im System. Durch Tarife mit flexiblen Preisen werden Verbraucher wie E-Autos und Wärmepumpen ihren Bedarf auch zunehmend in diesen Stunden decken. Dadurch werden flexible Stromerzeuger wie Gaskraftwerke immer seltener gebraucht.

Paradoxerweise kann das ein Problem werden: Um weiter gesicherte Leistung für die Dunkelflaute zu haben, müssen neue, flexible Kraftwerke gebaut werden. Bisher wird in Europa aber nur der erzeugte Strom bezahlt. Neue Kraftwerke müssten ihre Investitionskosten also an nur sehr wenigen Stunden im Jahr erwirtschaften. Das heißt: Zu den Brennstoffkosten kämen pro erzeugter Kilowattstunde extrem hohe Aufschläge für die Kapitalkosten.

Das hätte am freien Strommarkt eine fatale Wirkung: Am europäischen Strommarkt setzt das teuerste Kraftwerk, das für eine Viertelstunde gebraucht wird, den Preis für alle anderen Stromerzeuger – das sogenannte Merit-Order-Prinzip. Dieser Mechanismus sorgt bei vergleichbaren Kraftwerkstypen sehr effizient für Wettbewerb und senkt die Strompreise. In Zukunft droht sich der Effekt ins Negative zu verkehren: Die erwartbar hohen Kosten der neuen Gaskraftwerke würden auch alle anderen Kraftwerkstypen unnötig teurer. Die Bundesregierung will laut ihrer Kraftwerksstrategie bis 2030 zehn Gigawatt wasserstofffähige Gaskraftwerksleistung zubauen.

Müssten diese Investitionskosten über den Stromverkauf gedeckt werden, rechnet die Prognos mit jährlichen Kosten von bis zu 7,6 Milliarden Euro. Die Regierung hat das Problem erkannt und will deshalb bis 2028 einen Kapazitätsmechanismus entwickeln, der die Kapitalkosten der neuen Kraftwerke vom Strommarkt entkoppelt. Die Betreiber bekommen also eine fixe Summe, ob das Kraftwerk läuft oder nicht. Die Details sind aber noch unklar. Die vbw schlägt vor, nur die neuen Kraftwerke zu bedenken. Das würde die Kosten auf eine Milliarde Euro im Jahr begrenzen.

Strommarkt

Nicht nur durch die Kapitalkosten, auch durch den Einsatz von Wasserstoff ab Mitte der 2030er-Jahre würden die neuen Gaskraftwerke den Strompreis in die Höhe treiben. Zwar werden die neuen Wasserstoff-Kraftwerke 2035 nur drei Prozent der gesamten Strommenge erzeugen. Durch den Marktmechanismus der Merit-Order könnten die Wasserstoffkosten die Börsenstrompreise von durchschnittlich 6,8 auf 11,1 Cent erhöhen, so die Rechnung der Prognos für das Jahr 2035.Die jährlichen Mehrkosten im Vergleich zu Erdgas-Kraftwerken: Rund 37 Milliarden Euro. Die vbw will die Merit-Order nicht abschaffen, schlägt aber einen Mechanismus vor, der die Brennstoffkosten für Wasserstoff subventioniert: Die Betreiber sollten demnach nur so viel bezahlen,wie Erdgas und die nötigen europäischen CO₂-Zertifikate kosten. Die jährlichen Kosten hier: Nur Fünf Milliarden Euro.

Wind und Sonne

Das zweite Problem entwickelt sich laut Prognos bei Onshore-Windrädern und Solarparks. Weil sie günstiger produzieren als fossile Kraftwerke, können sie sich aktuell am freien Markt finanzieren und senken gleichzeitig die Strompreise. Durch das immer größere Angebot der Erneuerbaren werden die Marktpreise jedoch perspektivisch sinken. Während die günstigsten Wind- und Solarparks mit vier beziehungsweise zwei Cent auch in den 2030er-Jahren am freien Markt funktionieren, werden Kraftwerke an schlechten Standorten weiter Förderung brauchen.

Auch hier schlägt die vbw im Grunde eine Entkopplung vor: Die bisherige EEG-Förderung bildet nur eine Untergrenze. Sind die Strompreise aber wie 2022 hoch, kommt es zu Zufalls-Gewinnen. Stattdessen schlägt die vbw ein Modell mit Differenzverträgen vor, Englisch Contracts for Difference. In Großbritannien gibt es die schon. Dabei gibt der Staat einen Preiskorridor für eine Technologie vor. Liegen die Marktpreise darunter, wird der Stromerzeuger entschädigt. Liegen sie darüber, gibt der Erzeuger den Mehrgewinn an den Staat ab.

Auch interessant

Kommentare