Militär-Expertin Ulrike Franke - Putin freut sich, weil Deutschland die Bedrohung durch unbekannte Drohnen unterschätzt
Letzte Woche musste der Flughafen in Stockholm für mehrere Stunden geschlossen werden, weil Drohnen den Flugverkehr behinderten. Auch an der deutschen Nordseeküste wurden Drohnen über Industriegebieten mit kritischer Infrastruktur gesehen. Ist uns die Folge nicht bewusst?
Immer mehr unbekannte Drohnen werden gemeldet, was passiert da gerade?
Es wurden in der Tat in den letzten Wochen vermehrt Drohnen über Deutschland und Europa gesichtet. Das ist besorgniserregend – vor allem, da in den allermeisten Fällen nicht festgestellt werden konnte, woher diese Drohnen kamen, und wer sie gesteuert hat.
Allerdings ist es viele Menschen nicht bekannt, dass wir bereits seit Jahren immer wieder Drohnen über Flughäfen, Bundeswehrstützpunkten, Atomkraftwerken und anderer kritischer Infrastruktur sichten. Die Zahl ist gestiegen, aber es gibt aufgrund des geopolitischen Kontexts auch mehr Interesse an diesen Vorfällen.
Über die Expertin Ulrike Franke

Ulrike Franke ist Expertin für deutsche und europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Ihr Forschungsbereich ist der Einfluss neuer Technologien auf die Kriegsführung, die Zukunft des Krieges, und EU sowie NATO Verteidigungspolitik. Sie ist Teil des Teams, das den „Sicherheitshalber“-Podcast produziert. Die promovierte Politikwissenschaftlerin hat in Frankreich, England, Schottland und der Schweiz studiert und lebt mit ihrer Familie in Paris.
Also kein Grund zur vermehrten Sorge wegen der jüngsten Drohnenflüge?
Doch. Im Gegenteil, es gibt Grund zur Sorge, nur sollten wir uns schon länger sorgen! Das größte Problem ist unser Unwissen: Welchem Zweck dienen diese Drohnenüberflüge? Sind das russische Spionageversuche, vielleicht mit dem Ziel der späteren Sabotage oder gar Angriff? Oder handelt es sich “nur” um neugierige Anwohner, die mit ihrer Privatdrohne “einfach mal gucken” wollen?
Wie kann es sein, dass die Drohnenüberflüge nicht aufgeklärt werden?
Für den Laien klingt das erstaunlich: Da fliegen Drohnen über deutsches und europäisches Staatsgebiet und wir wissen nicht, wo sie herkommen, was sie tun, wer sie fliegt – und kriegen sie auch nicht aus dem Himmel geholt. Das ist aber leider die Situation. Es ist keinesfalls so, dass unser Luftraum so umfassend überwacht wird, dass solche Drohnen automatisch entdeckt werden. Selbst an Flughäfen werden Drohnen in der Regel durch Piloten der Flugzeuge, oder Bodenpersonal entdeckt, nicht durch irgendwelche High-Tech Systeme.
Letztes Jahr hat die Deutsche Flugsicherung im Übrigen 151 Behinderungen durch Drohnen notiert – also Momente, in denen der Flugverkehr an einem deutschen Flughafen temporär unterbrochen werden musste, wegen Drohnen. Dieses Jahr sind es knapp 100 Fälle.
Aber selbst, wenn Drohnen entdeckt werden, heißt das nicht, dass identifiziert werden kann, wer sie fliegt und warum. Meistens verschwinden sie nach einiger Zeit wieder, und das ist dann das Ende der Geschichte.
Handelte es sich bei den Drohnen über Brunsbüttel wirklich um russische Militärdrohnen?
Diese Vermutung basiert nach meinen Informationen darauf, dass die Drohne schneller unterwegs war als handelsübliche zivile Modelle, nachts flog, und der Polizei erfolgreich auswich. Wenn das alles ist, sind das aber lediglich Indizien, keine Beweise dafür, dass es sich nicht um Hobbydrohnen handelt. Denn auch Hobbysysteme werden immer besser.
Können Drohnen wirklich relevante Informationen sammeln?
Ich denke nicht, dass die aus der Luft gesammelten Informationen zwangsläufig das Wichtigste hier ist. Natürlich können hier schon Dinge ausgekundschaftet werden, die von Interesse sind: wo liegt was, wann sind wo Menschen, wie funktionieren Prozesse etc.
Vieles weiß ein Staat wie Russland sowieso schon durch Satellitenbilder, aber Drohnen können natürlich genauere Bilder und Daten sammeln. Aber meines Erachtens ist so eine Aktion eine Win-Win Situation für Russland. Wird die Drohne nicht entdeckt und nicht bekämpft, bekommt Russland die von der Drohne gesammelten Informationen. Fast noch wichtiger ist aber, dass es dann lernt, dass wir im Bereich der Drohnenaufklärung und -bekämpfung Probleme haben. Das ist eine militärisch höchst relevante Information.
Wird die Drohne entdeckt, hat Russland zum einen den Kenntnisgewinn zu unseren Drohnenbekämpfungsfähigkeiten. Und es hat Unruhe gestiftet. Genau das passiert gerade: wir machen uns Sorgen. Sind unsere Kraftwerke, unsere kritische Infrastruktur, Bundeswehrübungsplätze, gerade solche, wo ukrainische Soldaten trainiert werden, sind die sicher? Unsicherheit in der Bevölkerung breitet sich aus, und das russische Regime freut sich.
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Wie kann die Situation in Deutschland verbessert werden?
Eine umfassende Drohnenbekämpfung ist eine Herausforderung, und vollständige Sicherheit werden wir hier kaum erlangen. Aber es kann viel mehr getan werden im Bereich der Detektion von Drohnen – gerade um Flughäfen und zumindest die wichtigsten und gefährdetsten Orte: die neuen LNG-Terminals, oder Bundeswehrstützpunkte, an denen ukrainische Soldaten trainiert werden. Teilweise fehlt das Gefahrenbewusstsein, teils die Bereitschaft, Geld auszugeben.
Allerdings ist es auch so, dass die Technik noch nicht perfekt ist: es gibt viel Systeme, um Drohnen zu entdecken und zu bekämpfen. Aber jedes System hat Schwachstellen. Vielleicht werden nur manche Drohnenarten erkannt. Oder die Abfangart geht nur in besonders gesicherten Gebieten. Oder das Ganze ist so teuer, dass es als nicht wirtschaftlich angesehen wird.
Welche Wege gibt es, Drohnen vom Himmel zu holen?
Die Bandbreite ist hier hoch: man kann Drohnen kinetisch bekämpfen, also abschießen. Dann darf die Munition aber nicht teurer sein, als die Drohnen, die man zu bekämpfen versucht. Auch ist so ein Einsatz über zivilem Gebiet höchst problematisch: man kann ja nicht einfach in Innenstädten in die Luft schießen, und schauen was runterkommt!
Elektronische Störmaßnahmen sind hier besser geeignet – hier wird versucht, die Verbindung zwischen Drohne und Pilot/in zu trennen. Das ist in der Regel auch preisgünstiger. Dann gibt es noch Netze, Netzwerfer, Laser, Mikrowellenstrahlen, Drohnen, die andere Drohne bekämpfen, sogar Greifvögel – es wird gerade viel getestet.
Aber da zeigt sich die Herausforderung: Welches System in welchem Kontext das Beste ist, ist nicht immer so eindeutig.
Content stammt von einem Experten des FOCUS online EXPERTS Circles. Unsere Experts verfügen über hohes Fachwissen in ihrem Bereich. Sie sind nicht Teil der Redaktion. Mehr erfahren.