Volkswagen-Audit zu Fabrik in Xinjiang setzt alle Beteiligten unter Druck: Gab es dort Zwangsarbeit?

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Demnächst wird ein Prüfbericht zu Menschenrechts-Standards in der Volkswagen-Fabrik in Xinjiang veröffentlicht. Für Konzern und Auditfirma steht die Glaubwürdigkeit auf dem Spiel

Das Jahresende hält für Besitzer der Volkswagen-Aktie noch eine große Überraschung parat. Bis dahin will der Konzern das Ergebnis einer externen Untersuchung seines Werkes in Chinas Uiguren-Region Xinjiang veröffentlichen. Das Audit setzt alle Beteiligten unter Druck – den Konzern, die Prüfungsgesellschaft und die Investoren. Denn deren Glaubwürdigkeit steht gleichermaßen auf dem Spiel.

Chinas Regierung geht in Xinjiang hart gegen die muslimischen Uiguren vor. Experten werfen Peking dabei auch Zwangsarbeit vor. Das Audit soll nach Vorstellung der Konzernspitze wasserfest dokumentieren, dass solche Menschenrechtsverletzungen an dem heiklen VW-Standort in der Provinzhauptstadt Urumqi ausgeschlossen sind – und damit die Skepsis an der Investierbarkeit in die Aktie zerstreuen. Für den Aktienwert von Volkswagen birgt das Resultat – oder besser gesagt, dessen Glaubwürdigkeit – möglicherweise langfristige Konsequenzen.

Nur ein überzeugendes Audit würde die US-Ratingagentur MSCI dazu bewegen, ihre „Red Flag“ einzuholen, die im Herbst vergangenen Jahres gehisst wurde. Die rote Flagge war ein Schlag gegen das Selbstverständnis von Volkswagen, ein sozial nachhaltiges Unternehmen zu sein. Eine Kehrtwende von MSCI wäre ein Signal an institutionelle Investoren, dass sie ihr Geld wieder guten Gewissens in das VW-Papier stecken könnten.

Aufwischen nach einem Protest auf der VW-Hauptversammlung im Mai 2023. Ethischen Fragen erhalten auch bei Investoren zunehmend Aufmerksamkeit.
Aufwischen nach einem Protest auf der VW-Hauptversammlung im Mai 2023. Ethische Fragen erhalten auch bei Investoren zunehmend Aufmerksamkeit. © IPON/Imago

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Name des Audit-Unternehmens noch nicht veröffentlicht

Bislang herrscht Verschwiegenheit, welches Unternehmen die Untersuchung in Xinjiang durchführt. Erst im Oktober hatte Volkswagen gemeldet, einen Partner gefunden zu haben. Dessen Name soll erst zusammen mit dem Audit-Bericht veröffentlicht werden. Volkswagen wolle damit vermeiden, dass der Bericht schon vorab diskreditiert werden kann. Die Prüfer sollen in aller Ruhe ihrer Arbeit nachgehen, sagte ein VW-Manager, der auch schon in China für das Unternehmen tätig war, zu China.Table.

Auch die Union Investment macht den Verbleib von Volkswagen-Aktien in ihrem Nachhaltigkeitsfonds vom Ausgang des Audits abhängig. Deutschlands zweitgrößte Fondsgesellschaft, mit einem verwalteten Aktienvolumen von mehr als 430 Milliarden Euro, dürfte mit ihrer Entscheidung hierzulande eine starke Signalwirkung entfalten, die Volkswagen sehr schmerzen könnte.

Union Investment hatte von Volkswagen seinerseits bis Jahresende eine unabhängige Untersuchung durch eine renommierte Prüfungsgesellschaft gefordert. Am Kapitalmarkt-Tag des Konzerns im Juni am Hockenheimring sicherte Konzern-Chef Oliver Blume den Anlegern ein Audit zu. Man wolle die Red Flag von MSCI loszuwerden, hatte Blume gesagt.

Volkswagen-Aktie droht Rauswurf aus Nachhaltigkeits-Index

Jetzt steht er in der Pflicht. Seine vollmundige Ankündigung birgt Risiken, weil der deutsche Autobauer nur begrenzt Einfluss nehmen kann. In seinem Gemeinschaftsunternehmen mit dem staatlichen chinesischen Hersteller SAIC ist Volkswagen zwar nominell gleichberechtigt. Allerdings betreffen die Vorwürfe der systematischen Zwangsarbeit und Verbrechen gegen die Menschlichkeit an Uiguren in Xinjiang höchste politische Kreise in China. Die Reputation des Staates steht weit über der Reputation des deutschen Herstellers. Volkswagen ist im Härtefall ein Bauernopfer für den chinesischen Staat.

Bei Union Investment will man in Sachen Audit keine Zugeständnisse machen. Nur eine international renommierte Gesellschaft könne den Verdacht ausräumen, dass Volkswagen in Xinjiang unter internationalen Arbeitsrechts- und Menschenrechtsstandards Autos zusammenschraubt. Andernfalls könnte schon in Kürze der Rauswurf von Volkswagen-Papieren aus dem Nachhaltigkeitssegment folgen, wie die Fondsgesellschaft China.Table bestätigt.

TÜV Süd bietet seit 2020 keine Audits in Xinjiang mehr

Das Problem der verseuchten Lieferketten, unter denen die gesamte Automobil-Branche in China leidet, spielt noch nicht einmal eine Rolle dabei. Die Unternehmen beschränken sich darauf, vor der eigenen Haustür zu kehren, wohl wissend, dass sie am ausgestreckten Arm ihrer Joint-Venture-Partner zappeln, wenn es um Lieferketten geht, in denen chinesische Zulieferer zweiten und dritten Grades integriert sind. Volkswagen und andere Konzerne geben sich keinen Illusionen hin, dass sie jenseits davon die Integrität der Lieferketten garantieren können.

Auch für die Prüfungsgesellschaft steht einiges auf dem Spiel. Große Akteure der Branche können es sich nicht leisten, wohlwollende Berichte zu verfassen, wenn sie ihre Reputation nicht riskieren wollen. Nicht umsonst hatten sich 2020 eine Handvoll Unternehmen dazu entschieden, keine Prüfungen mehr in Xinjiang anzubieten. Dazu gehörte auch der TÜV Süd. Man habe damals offiziell mitgeteilt, dass man keine neuen Aufträge aus der Region annehmen werden, teilt das Unternehmen mit. Weiter äußern will sich TÜV Süd dazu nicht.

Die Fondsgesellschaft Deka hat die Volkswagen-Aktie bereits aus ihrem Nachhaltigkeits-Angebot ausgeschlossen. Die Deka allerdings führte bei ihrer Entscheidung auch Mängel bei Transparenz und der Besetzung des Aufsichtsrates der Wolfsburger an. Selbst ein erfolgreiches Audit würde möglicherweise nicht ausreichen, um die harten Kriterien der Deka im Bereich Governance zu erfüllen.

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