Gipfel-Abschlussdokument - Kasan-Deklaration zeigt: BRICS-Staaten setzen Putin klare Grenzen

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Getty Images/ Contributor Der russische Präsident Wladimir Putin hoffte, die Konferenz als Plattform für seine geopolitischen Interessen zu nutzen.
Freitag, 25.10.2024, 10:14

Der BRICS-Gipfel in Kasan offenbarte die schwindende Macht Russlands innerhalb der Allianz. Politik-Experte Berthold Kuhn analysiert, wie China, Indien und UN-Generalsekretär Guterres die Agenda bestimmten und Putin in die Schranken wiesen.

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Beim BRICS-Gipfel im russischen Kasan hatten die teilnehmenden Staats- und Regierungschefs die Gelegenheit, den Einfluss der Organisation und die künftige Richtung globaler Kooperationen zu diskutieren. Der 16. BRICS-Gipfel, an dem 34 Staatschefs teilnahmen, darunter auch Chinas Präsident Xi Jinping, Indiens Premierminister Narendra Modi sowie UN-Generalsekretär António Guterres, zeigte Putin ganz klar die Grenzen seines Einflusses auf.

BRICS als internationaler Akteur: Eine Organisation im Wandel

Gegründet im Jahr 2006 durch Brasilien, Russland, Indien und China und 2010 um Südafrika erweitert, umfasst BRICS heute auch Ägypten, Äthiopien, Iran und die Vereinigten Arabischen Emirate, weshalb die Allianz nun oft als BRICS+ bezeichnet wird. Die Vereinigung repräsentiert mittlerweile rund 45 Prozent der Weltbevölkerung und hat die G7-Staaten hinsichtlich des Bruttoinlandsprodukts überholt.

Doch trotz dieser beeindruckenden Kennzahlen ist die Integrationsstiefe der Gruppe begrenzt. Die Beziehungen der Mitgliedsstaaten sind nicht frei von Spannungen, besonders zwischen den asiatischen Schwergewichten China und Indien. BRICS ist daher nicht einfach eine Gegenbewegung zu westlichen Allianzen wie der G7, sondern eine eigene Plattform mit wachsender geopolitischer Bedeutung und unterschiedlichen Interessen unter den Mitgliedern.

Über den Top-Experten Berthold Kuhn

Über den Top-Experten Berthold Kuhn
Dr. Berthold Kuhn

Dr. Berthold Kuhn, Politikwissenschaftler, wurde an der Universität Leipzig promoviert und an der FU Berlin habilitiert. Kuhn arbeitet mit mehreren Universitäten in Europa und Asien als Experte für nachhaltige Entwicklung und internationale Beziehungen zusammen und berät die EU Kommission, internationale Organisationen und Denkfabriken. Er lebt aktuell in Xiamen (ggü. Taiwan) und in Berlin. Er ist Co-Autor des Buchs „ Global Perspectives on Megatrends“ (Ibidem, Columbia University Press).

 

Guterres’ Agenda: Reformen, Klimaschutz und Technologie

Die Anwesenheit des UN-Generalsekretärs António Guterres verlieh dem Gipfel eine besondere Note. Guterres nutzte die Gelegenheit, um umfassende Reformen der internationalen Finanzarchitektur anzumahnen, die stärker den Bedürfnissen des Globalen Südens entsprechen sollten. In seiner Rede hob er den Klimaschutz als zentrale Herausforderung hervor und verwies auf die bevorstehende 29. Weltklimakonferenz.

Dabei forderte er ein klareres Engagement der BRICS-Staaten im Bereich Nachhaltigkeit und umweltschonender Technologieentwicklung. Besonders drängte er auf die Einrichtung internationaler Strukturen zur Überwachung und Regulierung von Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz, da hier große Auswirkungen auf globale Sicherheit und Stabilität erwartet werden.

In den laufenden Konflikten weltweit setzte Guterres deutliche Akzente: Er forderte einen sofortigen Waffenstillstand in Gaza, die Freilassung von Geiseln sowie Fortschritte bei der Umsetzung einer Zwei-Staaten-Lösung im Nahostkonflikt. Auch die Krisenherde in der Ukraine und im Sudan wurden angesprochen, wobei Guterres auf die territoriale Integrität gemäß der UN-Charta verwies.

Die Kasan-Deklaration: China und Indien setzen Akzente

Das 33-seitige Abschlussdokument des Gipfels, die Kasan-Deklaration, ist in 134 Punkte gegliedert. Es reflektiert die Interessen von China und Indien in zentralen Fragen und weniger die Positionen Russlands. Die Rolle der Vereinten Nationen und die Themen Klimaschutz sowie Nachhaltigkeit nehmen breiten Raum ein. Insgesamt werden die UN 21 Mal und das Thema Nachhaltigkeit 46 Mal erwähnt, während der Begriff Klimaschutz 22 Mal vorkommt. Auch der Schutz der Biodiversität wird angesprochen – ein klares Signal, dass die BRICS-Staaten eine international ausgerichtete Agenda verfolgen und die UN als wichtigen Partner sehen.

Besonders bemerkenswert ist die Rolle der G20, der wichtigsten Industrienationen, in der Deklaration. Die BRICS-Staaten heben die Bedeutung einer stabilen Finanzarchitektur hervor, in der auch die G20 eine wesentliche Funktion erfüllt. Dennoch findet die Ukraine nur eine einzige Erwähnung.

Hieraus lässt sich ableiten, dass eine deutliche Parteilichkeit zugunsten Russlands im Gipfeldokument bewusst vermieden wurde. Die BRICS-Staaten sprachen sich generell gegen Sanktionen aus, um die globale Stabilität und Lieferketten nicht zu gefährden, doch eine spezifische Unterstützung für die russische Position fehlt. Dies zeigt, dass der Einfluss Russlands im Rahmen von BRICS begrenzt ist, wie auch das Institute for the Study of War (ISW) analysierte.

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Konflikte, Sanktionen und der Nahostkonflikt im Fokus

Während der Konflikt in der Ukraine eher zurückhaltend behandelt wurde, widmete die Kasan-Deklaration dem Nahostkonflikt und anderen krisenhaften Situationen größere Aufmerksamkeit. Die BRICS-Staaten verurteilten die militärische Eskalation im Nahen Osten, speziell Israels Angriffe auf humanitäre Ziele. Sie fordern dazu auf, internationale Resolutionen zu respektieren. Zudem forderten sie eine Neuordnung der globalen Finanzinstitutionen, darunter den Internationalen Währungsfonds (IWF) und die Weltbank, um Schwellen- und Entwicklungsländern mehr Mitspracherechte zu geben.

Im Hinblick auf „illegale Sanktionen“ wurde in der Deklaration eine klare Position eingenommen. Hier war ein starker Konsens unter den BRICS-Staaten zu erkennen, die sich für eine Reform der bestehenden Wirtschaftssanktionsregime einsetzen, um eine einseitige Benachteiligung des Globalen Südens zu vermeiden. Auch die Verurteilung von Terrorismus und die Forderung nach einer friedlichen Konfliktlösung in den krisengebeutelten Regionen zeigt das breite Anliegen der BRICS, sich als unabhängiger, multilateraler Akteur in der globalen Politik zu positionieren.

Fazit: BRICS als Plattform für einen neuen Multilateralismus

Der Gipfel in Kasan verdeutlichte, dass BRICS trotz interner Spannungen und geopolitischer Differenzen weiterhin eine Plattform mit wachsendem Einfluss darstellt. Die klare Positionierung zu Themen wie Klimaschutz, Finanzreformen und Konfliktbewältigung zeigt, dass die Organisation zunehmend als Sprachrohr des Globalen Südens auftritt und ihre Bedeutung in der internationalen Arena weiter ausbauen will.

Der eingeschränkte Einfluss Russlands und das wachsende Engagement von China und Indien legen nahe, dass BRICS sich in Richtung eines eigenständigen multilateralen Akteurs entwickelt, der in der Lage ist, globale Herausforderungen anzusprechen und dabei eine eigene, vielfältige Perspektive einzubringen.

Content stammt von einem Experten des FOCUS online EXPERTS Circles. Unsere Experts verfügen über hohes Fachwissen in ihrem Bereich. Sie sind nicht Teil der Redaktion. Mehr erfahren.