Eingefrorener Russland-Schatz – keine Chance auf Auszahlung an die Ukraine?
Milliarden russischer Staatsgelder liegen auf Eis. Brüssel will sie nun riskanter anlegen. Der Finanzverwalter Euroclear schlägt Alarm.
Brüssel – 300 Milliarden US-Dollar russischer Vermögenswerte sind aufgrund des Ukraine-Kriegs eingefroren. Die Europäische Union sucht nach einem Weg, das Geld gewinnbringender zu investieren und die Rendite für Hilfe für die Ukraine zu nutzen. Die Chefin des belgischen Finanzverwahrers Euroclear, Valerie Urbain, hält das für zu riskant.
Riskante Umschichtung geplant: EU will mehr Ukraine-Hilfe aus eingefrorenem Vermögen holen
Rund 191 Milliarden Euro der eingefrorenen russischen Vermögenswerte liegen bei dem Unternehmen Euroclear, das das Geld bislang konservativ bei der belgischen Zentralbank anlegte. Die Gruppe der wichtigsten Industrieländer G7 nutzte die Zinsen aus dem Geld unter anderem, um einen Kredit über 50 Milliarden US-Dollar für die Ukraine abzusichern. Da die Europäische Zentralbank aber die Zinsen senkte, fielen zuletzt auch die Einnahmen aus dem festgehaltenen Geld. Im Jahr 2024 lagen die Gewinne bei vier Milliarden Euro, 2025 waren es laut Urbain bislang 1,8 Milliarden Euro.
Die EU will der Ukraine mehr Geld bereitstellen können, indem sie diese russischen Zentralbankgelder in riskantere Anlagen umschichtet. Valerie Urbain, die Euroclear-Chefin, hält dafür die Gründung einer Zweckgesellschaft für nötig. Das käme rechtlich einer „Enteignung“ gleich, wie sie der Financial Times sagte. „Wenn man die Einnahmen steigert, erhöht man auch die Risiken. Und wer trägt dieses Risiko?“, fragt Urbain. Aus Ihrer Sicht könnte ein solcher Schritt Vergeltungsschritte des Kreml auslösen und Euroclears Rolle im Finanzsystem gefährden. Die Idee sei nur dann praktikabel, wenn „jemand den Betrag deckt“, falls die riskante Anlage schiefgeht.

Systemisches Risiko im Visier: Euroclear zieht Grenze bei der Risikobereitschaft
Euroclear verwaltet ein Vermögen von insgesamt 40 Billionen Euro, ist Europas größter Zentralverwahrer für Wertpapiere und hat eine zentrale Rolle im europäischen Finanzsystem inne. „Das systemische Risiko würde sicherlich dramatisch ansteigen, wenn wir über das Risikoprofil hinausgehen müssten, das wir haben und das von unseren Aufsichtsbehörden genehmigt ist“, formuliert die Euroclear-Chefin ihre Bedenken. Gegen das Unternehmen laufen bereits mehr als 100 Klagen, darunter von russischen Oligarchen und anderen sanktionierten Unternehmen.
Auch der russische Präsident Wladimir Putin hat die eingefrorenen Vermögenswerte auf dem Schirm. Der Kremlchef sieht die Rückgabe dieser Gelder als Bedingung für ein mögliches Kriegsende, wie drei russische Quellen unlängst der Nachrichtenagentur Reuters mitteilten. Dass der Westen Zahlungen an die Ukraine aus Zinsen des festgesetzten Vermögens tätigte, bezeichnete Putin als „Diebstahl“. Aus Sicht der stellvertretenden Leiterin des ukrainischen Präsidialamts, Iryna Mudra, käme eine Rückgabe des Geldes an Moskau hingegen einer Finanzierung des Ukraine-Krieges gleich. Dann werde es „in Panzer, Raketen, Drohnen und die Ausbildung neuer Soldaten umgewandelt“, so die Ukrainerin.
Eine direkte Nutzung der gesamten russischen Zentralbankgelder wird in der EU kontrovers diskutiert. Kritiker verweisen auf mögliche Verstöße gegen internationales Recht und befürchten Gegenmaßnahmen Russlands. Doch auch das Einfrieren der 300 Milliarden ist bereits ein echter Schlag gegen Moskau. Zum Vergleich: Russlands gesamte Militärausgaben im Jahr 2024 betrugen laut dem SIPRI-Institut 149 Milliarden US-Dollar. Dem Kreml gelingt es aber an vielen anderen Stellen, die westlichen Sanktionen zu umgehen: Mithilfe von Zahlungen über chinesische Banken, dem Transport von Öl und Flüssiggas über eine Schattenflotte oder Technik-Importen über verbündete Nachbarländer.