Die brutale Vergewaltigung in Hallbergmoos ist verstörend. Warum finden nur Männer nicht die richtigen Worte dafür?, fragt FT-Redaktionsleiter Manuel Eser.
Hallbergmoos - „Es ist eine Szene wie aus einem Horrorfilm: Eine junge Frau kommt nachts mit der S-Bahn an. Sie steigt aus, nach ihr verlässt auch ein fremder Mann den Zug. Und nur wenige Augenblicke später überfällt er sie, zerrt sie ins Gebüsch und vergewaltigt sie über mehrere Stunden.“ So hat meine Kollegin Magdalena Höcherl die brutale Gewalttat beschrieben, die sich in der Nacht zum Donnerstag am Bahnhof in Hallbergmoos abgespielt hat.
Auch einen Tag nach Bekanntwerden dieser unfassbaren Tat, bei der die junge 19-jährige Frau Zufallsopfer wurde, ist die Erschütterung groß – zumindest bei Frauen. Stimmen der Männer, die ihr Mitgefühl mit dem Opfer zeigen – Mangelware. Der Bürgermeister von Hallbergmoos, Josef Niedermair, beschränkt sich auf Nachfrage des Freisinger Tagblatts auf „Kein Kommentar“. Kein Wort der Betroffenheit, dass einer jungen Frau in seiner Gemeinde einen Wirklichkeit gewordenen Alptraum durchlitten hat, der dazu führen wird, dass ihr Leben nie mehr das Gleiche sein wird. Die Kommentatoren im Internet wiederum interessieren sich vor allem für die Herkunft des Täters, als ob Gewalttaten an Nationalität oder Herkunft gebunden wären und nicht in der Hauptsache an das Geschlecht.
Männliche Gewalt an Frauen findet andauernd statt – fast jeden Tag ein Femizid. Dass meine Kollegin Magdalena Höcherl in ihrem Artikel diese strukturell bestehende Gewalt beim Namen genannt hat, hat ein Kommentator im Internet als „woke Sache“ bezeichnet. Er (eine sie wird es nicht gewesen sein) habe „Gänsehaut“, wohlweislich nicht wegen der Tat, sondern wegen des Begriffs Femizid. Mehr soziale Kälte geht kaum. Und leider tragen derartige Abwertungen zu einem gesellschaftlichen Klima bei, in dem ein Mehr an Gewalttaten gedeiht.
Ändern lässt sich das nur mit Hilfe der Männer. Und ein Anfang wäre es, wenn Männer es schaffen, im Angesicht von Gewalttaten wie jener am Hallbergmooser Bahnhof Worte des Mitgefühls zu finden. Ich für meinen Teil kann dazu gar nicht schweigen. Es beklemmt mich zutiefst.
Als Heimatzeitung und damit als gesellschaftlicher Akteur in der Region setzt sich das Freisinger Tagblatt seit Jahrzehnten mit der Aktion „Menschen in Not“ für Solidarität mit Schwächeren ein und unterstützt selbstverständlich auch Organisationen, die sich um Gewaltopfer kümmern: das Frauenhaus, HILDA, das Kinderhilfswerk, den Weißen Ring. Vor allem sind es die rund 2000 Leser, die jedes Jahr Geld und damit auch soziale Wärme spenden. Und die brauchen wir mehr denn je.