Trennung nach 20 Ehe-Jahren - „Und dann meinte unser Sohn: 'Ich habe kein Problem damit, wenn ihr euch trennt'“
Wieso war die damalige Heidi nicht mehr die, mit der Sie zusammen sein wollten? Was ist damals, zehn Jahre vorher, passiert?
Jörn: Das, was mutmaßlich in ganz vielen Ehen passiert: Wir sind Eltern geworden. Nach der Geburt von Anton ist meine alte Heidi sukzessive weniger geworden.
Weil das Kind für Ihre Frau an erster Stelle stand?
Jörn: Auch für mich stand und steht das Kind an erster Stelle. Glauben Sie mir: Ich bin einer der überzeugtesten Papas auf dieser Welt. Mein Sohn ist die Nummer eins und auch mit seinen 1,86 Metern im Quadrat weiter mein Baby. Ich weiß, man hört das immer wieder, dass sich Männer darüber mokieren, dass sie nicht mehr die Nummer eins sind, seit der Nachwuchs da ist. Ein derartiges Hierarchiedenken wäre mir im Traum nicht eingefallen. Sowieso: Anton trifft zu 0,0 Prozent Schuld an dem, was passiert ist. Ich fand es super zu sehen, dass es Heidi und mir mit den überwältigenden Gefühlen zu unserem Kind offensichtlich ganz ähnlich ging. Der Punkt war ein anderer: Wo war meine leidenschaftliche, innige Frau geblieben?
Dass die Zweisamkeit erst mal leidet, wenn ein Baby kommt, ist nichts Ungewöhnliches…
Jörn: Stimmt, eine Zeit lang wäre das auch sicher kein Problem gewesen. Aber wir haben es einfach nicht geschafft, uns wiederzufinden. Auch nicht mit professioneller Hilfe.
Was haben Sie unternommen?
Jörn: Wir sind zur Eheberatung gegangen. Bei allem Respekt vor dem Versuch des psychologischen Ansatzes: Da hätte ich mir mehr erwartet. Was kam, war die Nummer mit den tollen Massagen, dem leckeren Essen, den schönen Filmen. Ich dachte: Will die uns veräppeln? Das hatten wir doch alles längst versucht. Es war unfassbar schmerzhaft, mir einzugestehen, was Heidi und auch Anton offensichtlich längst verstanden hatten: Heidi und Jörni, das Paar, das sich mit 17 und 18 gefunden hatte, gab es nicht mehr.
War diese Erkenntnis ein Türöffner, sowas wie der erste Schritt in ein anderes Leben?
Jörn: Letztlich ja, wobei Claudia, mit der ich dann zusammenkam und mit der ich seit nunmehr acht Jahren zusammen bin, im Rahmen der Trennung keine Rolle gespielt hat. Unsere Söhne haben zusammen Fußball gespielt, ich habe sie trainiert. Claudi war für mich zunächst irgendeine Spielermutter. Und dann, als ich bei Heidi ausgezogen war, wurde sie eben zu einer Spielermutter, die Single war – und damit auf dem Markt. Claudi hatte wie ich eine Trennung hinter sich und kannte vieles, was ich durchgemacht hatte, aus eigener Erfahrung. Für eines haben wir beide von Anfang an gesorgt: Dafür, dass wir Claudi und Jörni sind – und bleiben. Bis heute klappt das herausragend gut. Bei Heidi scheint es übrigens ähnlich. Auch sie ist wieder liiert und glücklich.
War die Trennung also schlussendlich für alle Beteiligten das Beste?
Jörn: Diese Sichtweise ist mir zu platt. Ich hätte mir wirklich gewünscht, mit Heidi die Kurve zu kriegen. Aber jetzt ist es gut, wie es ist. Das Letzte, was ich möchte, ist ein „Ranking“: Diese Beziehungen ist besser oder jene. Andererseits sehe ich keinen Grund, erfreuliche Entwicklungen anzuerkennen. Man kann das mit der Trennung schließlich auch so sehen: Ich bin kurz vor Ende 40 noch erwachsen geworden.
Das müssen Sie erklären. Wie definieren Sie Erwachsen-Sein?
Jörn: In mir ist Ruhe eingekehrt. Ich bin jetzt komplett. Warum ist das so? Einem Freund habe ich es mal so erklärt: Meine Persönlichkeit wurde um eine wichtige Facette ergänzt, die vorher gefehlt hat.
Und dabei hat Ihnen die neue Partnerschaft geholfen?
Jörn: Claudi ist ganz anders als Heidi, insofern: ja. Heidi und ich waren ziemlich ähnlich, beide sehr emotional, spontan. Claudi dagegen ist rational, reflektiert, schaut sich die Dinge in Ruhe an, schläft nochmal zwei oder drei Nächte drüber, bevor sie eine Entscheidung fällt. Aktuelles Beispiel: Wir wollen nach Paris und sie ist schon akribisch am Planen, was wir dort machen: Sacré-Cœur, Louvre, das ganze Ballett. Wenn es nach mir ginge, würden wir uns viel mehr treiben lassen. Ich liebe es, einfach im Straßencafé zu sitzen und mir die Leute anzuschauen.
Ist das nicht schwierig, wenn die Partnerin eine ganz andere Vorstellung vom Reisen hat?
Jörn: Ganz und gar nicht. Durch sie lerne ich vieles im Leben noch mal ganz neu kennen. Claudi hat einen anderen Basischarakter. Das macht was mit mir, mit meinem Leben. Ich entdecke Dinge an mir selbst, die mir bisher fremd waren. Gegensätze ziehen sich an – ich glaube, da ist wirklich was dran. Und ich meine, man darf das ruhig weiterdenken: Gegensätze ziehen sich nicht nur an, sie können einander auch längerfristig inspirieren und für Entwicklung sorgen.
Passt „Gleich und Gleich gesellt sich gern“ aus Ihrer Sicht nicht so gut?
Jörn: Ach doch, das kann auch toll sein. Bleiben wir doch ruhig beim Reisen und dem, was ich mit Heidi erlebt habe. Viel drauf los, viel Abenteuer. Mal waren wir die totalen Strandlieger, mal die exzessiven Bade-Geher, so wie wir eben gerade Lust hatten. Noch mal: Ich weiß nicht, ob es glücklich macht, zu vergleichen. Mir hilft es eher, zu sehen, was mir das Leben alles mitgegeben hat und wie bereichernd es ist, die Herausforderung anzunehmen.
Die Herausforderung einer späten Trennung? Das klingt fast so, als würden Sie zu diesem Schritt raten?
Jörn: Wie könnte ich das tun? Ganz ehrlich: Es gibt doch nichts Schöneres als eine goldene Hochzeit. Aber die Leute sollen ruhig wissen, dass es nicht nur schlimm ist, sich zu trennen, dass man auch beschenkt werden kann. In jedweder Hinsicht übrigens, für mich gesprochen. Denn Heidi und ich sind nicht nur in Kontakt geblieben. Wir sind sogar Freunde geworden.
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