Kommentar von Investor Martin Limbeck - Idee der „neuen Wehrpflicht“ zeigt, dass in Deutschland ziemlich viel schiefläuft

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Getty Images/fStop/Etienne Girardet Zurück zur Wehrpflicht? Bundeswehr setzt auf Fragebogen für junge Männer
Dienstag, 18.06.2024, 12:22

Durch den Ukraine-Krieg ist die Debatte über die Wiedereinführung der Wehrpflicht neu entfacht. „Wir müssen bis 2029 kriegstüchtig sein", forderte Verteidigungsminister Pistorius Anfang Juni im Bundestag. Unternehmer Martin Limbeck hat  zudem Vorgehen eine klare Meinung.

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Fragebogen statt echter Wehrpflicht

Der Personalstand der Bundeswehr befindet sich aktuell auf dem tiefsten Niveau seit 2018. Die Zahl der aktiven Soldaten liegt um mehr als 20.000 unter dem angestrebten Ziel von 203.000, das eigentlich schon vor Ausbruch des Ukrainekriegs hätte erreicht sein sollen. Boris Pistorius hat diese Woche seine Pläne vorgestellt, um das Personal-Dilemma in den Griff zu bekommen: Er will junge Männer verpflichten, Auskunft über ihre Dienst-Bereitschaft zu geben.

Ganz ehrlich? Dann können wir es auch direkt lassen. Diese Aktion wird nichts bringen, außer wieder Steuergelder verbrennen, die sinnvoller eingesetzt werden könnten.

Das Modell sieht konkret vor, dass künftig alle 18-jährigen Männer und Frauen ein Schreiben der Bundeswehr erhalten sollen. Darin nicht etwa wie früher der Musterungsbescheid – sondern ein Fragebogen, in dem sie ihre Bereitschaft und Fähigkeit zum Dienst dokumentieren. Männer sollen verpflichtet sein, den Fragebogen auszufüllen, Frauen können auf freiwilliger Basis Auskunft geben. Wer antwortet, Interesse an der Bundeswehr zu haben, könnte zur Musterung verpflichtet werden.

Über den Experten

Woher soll das Geld denn bitte kommen? Unternehmer und Autor Martin Limbeck
Martin Limbeck

Martin Limbeck ist Gründer der Limbeck® Group, Mehrfachunternehmer, Investor, Wirtschaftssenator (EWS), Mitglied des BVMW Bundeswirtschaftssenats und einer der führenden Experten für Sales und Sales Leadership in Europa. Neben seiner Unternehmertätigkeit hält Martin Limbeck Vorträge und engagiert sich als Botschafter von Kinderlachen e.V. für kranke und hilfsbedürftige Kinder in Deutschland. Sein Wissen aus 30 Jahren Unternehmertum gibt er in seiner Mastermind-Gruppe „Gipfelstürmer“ weiter.

Willkommen im Zeitalter der Digitalisierung

Erst mal: Euer Ernst? Im Jahr 2024 wollt ihr locker 700.000 Briefe drucken, eintüten und mit Porto verschicken? Und damit nochmal Kosten in siebenstelliger Höhe oder mehr erzeugen? Das ist wieder mal sinnbildlich für den Stand der Digitalisierung in Deutschland. Und natürlich sollen die jungen Menschen den Fragebogen dann ebenfalls händisch ausfüllen und zurücksenden.

Kein Unternehmer, den ich kenne, will noch haptische Bewerbungen per Post bekommen – und Boris Pistorius kommt allen Ernstes mit so einer Idee um die Ecke und hält sie auch noch für innovativ?

Und dann wäre da noch die Sache mit dem Fragebogen an sich. Was soll das bringen? Den meisten wird es schon zu anstrengend sein, den Bogen auszufüllen und wieder zurückzuschicken. Und was erhofft sich die Bundeswehr da an Antworten? Im vergangenen Jahr bewarben sich bis Ende Mai 23.414 Männer und Frauen – ein Rückgang von sieben Prozent im Vergleich zu 2022.

Es ist zu vermuten, dass die Zahl für 2024 noch geringer ausfallen wird. Und daran wird ein Fragebogen nichts ändern können. Die meisten werden im Sinne von „keinen Bock“ antworten. Oder, dass sie Angst vor einem möglichen Kriegseinsatz haben und das nicht wollen. Für mich absolut nachvollziehbar, schließlich ist in Artikel 4 unseres Grundgesetzes festgelegt, dass niemand gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden darf. 

Wir dürfen auch nicht außer Acht lassen, dass die Generation, um die es hier geht, anders tickt als die Jahrgänge zuvor. Sie ist sehr behütet aufgewachsen, geprägt von Pazifismus. Die einzige größere Krise, die diese jungen Erwachsenen bislang erlebt haben, ist die Corona-Pandemie. Da denkst du natürlich anders über einen möglichen Wehrdienst als die Generationen zuvor.

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Wehrdienst nur für die, die wollen und tauglich ist

Auf Nachfrage antwortete Pistorius, dass er hofft, durch die Einführung dieser Fragebogenpflicht 5.000 neue Wehrdienstleistende pro Jahr zu gewinnen. Er geht davon aus, dass rund ein Viertel der angeschriebenen Männer ihre Bereitschaft erklären würden. Ich finde diese Zahl schon ziemlich hochgegriffen. 

Und selbst die, die sich den Dienst vorstellen können, müssen erst mal durch die Musterung kommen. Auch hier sind die Durchfallquoten in den letzten Jahren vor Aussetzung der Wehrpflicht immer weiter gestiegen. Die Gründe: Mangelnde Fitness, Übergewicht, schon im jungen Alter chronische Rückenprobleme und so weiter. Ein Thema, das wir uns als Gesellschaft selbst auf die Fahnen zu schreiben haben mit Blick auf das marode Schulsystem, in dem kaum noch Raum für vernünftigen Sportunterricht und Bewegung ist. Oder die Turnhallen sowieso wegen Sanierungsbedarf nur teilweise oder gar nicht genutzt werden können. 

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Ohne die nötige Infrastruktur drehen wir uns im Kreis

Ich denke, auf komplette Freiwilligkeit zu setzen, ist der falsche Ansatz. Denn die Bundeswehr braucht verlässlich neues Personal. Mit der aktuellen Fragebogen-Idee ist es nichts Halbes und nichts Ganzes, was schlussendlich nur Steuergeld verbrennen, doch den Kern des Problems nicht lösen wird. 

Und dann ist da abschließend noch die Frage, wie das System Bundeswehr diesen Prozess überhaupt organisatorisch stemmen soll. In Folge der Aussetzung der Wehrpflicht 2011 haben sich auch die entsprechenden Strukturen verändert. Neben dem Personalmangel im aktiven Heer fehlt es auch an Mitarbeitern bei der Rekrutierung – ebenso an Ausbildern, Kasernen und schlicht und ergreifend Waffen.

Schon allein die 5.000 angestrebten Wehrpflichtigen würden Kosten in Höhe von ca. 1,4 Milliarden Euro bedeuten. Eine wichtige Investition für unser Land, keine Frage. Doch woher soll dieses Geld kommen?

Dieser Text stammt von einem Expert aus dem FOCUS online EXPERTS Circle. Unsere Experts verfügen über hohes Fachwissen in ihrem Themenbereich und sind nicht Teil der Redaktion. Mehr erfahren.