"Die Gefahr ist oft hoch, angespuckt oder sogar verprügelt zu werden"

Sie muss oft um ihre Sicherheit fürchten und wird im Alltag angefeindet – Barbie Breakout ist Dragqueen. Mit t-online spricht sie über die Ablehnung ihr gegenüber.

Barbie Breakout ist Dragqueen und Aktivistin: Vor zehn Jahren nähte sie sich den Mund zu – aus Protest gegen die Homophobie der russischen Regierung. Aber den Mund lässt sie sich nicht verbieten. Sie geht offen mit ihrer HIV-Erkrankung um und leistet Aufklärungsarbeit. Jetzt moderiert sie den deutschen Ableger des US-Erfolgsformats "RuPaul’s Drag Race".

Mit t-online spricht die Buchautorin über die Ausgrenzung von Dragqueens und über Konzepte, mit denen man Diskriminierung entgegentreten kann.

t-online: Wie häufig erleben Sie Ablehnung in Ihrem Alltag als Dragqueen?

Barbie Breakout: Manchmal reicht es, als sichtbar schwuler Mann die Straße entlangzulaufen, um für die eigene Sicherheit fürchten zu müssen. Ich bin so oft angegriffen worden, daher scanne ich mittlerweile jedes Mal unterbewusst meine Umgebung: Wer kann mir hier gerade gefährlich werden? Die Gefahr ist oft sehr hoch, beschimpft, angespuckt, bedroht oder sogar verprügelt zu werden. Und wie gesagt: das nur als sichtbar schwuler Mann. Als Dragqueen ist die Gefahr deutlich größer. Es gibt sehr viele Ressentiments gegen Dragqueens.

Dragqueen

Dragqueens sind – meist, nicht immer – Personen, denen bei Geburt das männliche Geschlecht zugewiesen wurde und die etwa bei künstlerischen Performances Weiblichkeit(-en) darstellen beziehungsweise parodieren. Beim gezielten Einsatz von Geschlechterzeichen geht es teils um das Aufzeigen der Konstruiertheit von Geschlecht, aber auch um den Ausdruck eigener Identitäten.

Solche Ressentiments wurden zuletzt auch von rechten Parteien geschürt – zum Beispiel mit Plakaten der AfD, auf denen Kinder von einer Dragqueen bedrohlich angeschaut werden. Was macht das mit Ihnen?

Es macht mich wütend und verletzt mich. Ich merke, dass sich mein Umgang mit Kindern in der Öffentlichkeit dadurch verändert hat und ich befangen bin: Neulich stand ich mit einem Vater und seinen zwei Kindern auf einer Rolltreppe. Als einem Kind etwas runtergefallen ist, habe ich es aufgehoben und dem Kind gereicht. Dabei habe ich mich selbst bei dem Gedanken ertappt: "Hoffentlich sende ich damit keine falschen Signale." Wenn man schon zögert, ob man helfen darf, ohne dass andere komisches Zeug denken, läuft doch wirklich was schief. Und alles nur, weil die Parteien, die diese Narrative pushen, ihren Wählenden nichts Besseres anzubieten haben. Es ist einfacher, gegen Migranten, Dragqueens, das Gendern und trans Menschen zu hetzen, als Politik zu machen, die tatsächliche Lösungen für die Probleme der Wählenden liefert. Es bräuchte dringend Konzepte, um auf die moderne Welt – und dazu gehören auch Dragqueens – zu reagieren.

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Wie könnten solche Konzepte aussehen?

Es wäre wichtig, dass Menschen vermehrt in Kindergärten und Schulen gehen und Aufklärungsarbeit leisten – nicht nur, um Queerfeindlichkeit zu bekämpfen, sondern beispielsweise auch Frauenhass oder Fremdenfeindlichkeit. So erhalten Kinder das Angebot, über den Tellerrand ihrer Eltern hinauszuschauen, und bekommen vermittelt: Du musst nicht glauben, was deine Eltern glauben. Das würde viele Probleme in unserem Zusammenleben lösen. Und ich rede da nicht von der viel beschworenen "Indoktrinierung", ich rede von Fakten. Von wissenschaftlich belegten Wahrheiten, die nun mal klarmachen, dass wir alle gleich sind. Kinder haben ein Recht auf Fakten, deswegen gehen sie zur Schule.

Im Frühjahr löste eine geplante Dragqueen-Vorlesung für Kinder in München eine hitzige Debatte aus. Die CSU wollte die Vorlesung zum Schutze der Kinder sogar untersagen. Wie denken Sie darüber?

Das ist doch einfach komplett hirnrissig. Wie kann es einem Kind schaden, wenn ein geschminkter Mensch aus einem Buch vorliest, in dem es um Selbstliebe geht? Es macht mich traurig, dass wir in einer so aufgeklärten Zeit leben, mit all dem Wissen der Welt in unserem Handy, das wir rund um die Uhr zur Hand haben, und Leute trotzdem lieber solchen Unsinn glauben. Dragqueens sind keine Gefahr für irgendjemanden.

Sie moderieren mit Gianni Jovanovic die deutsche Ausgabe von "RuPaul's Drag Race". Das Original aus den USA erhielt 27 Emmys und ist mit internationalen Ablegern, beispielsweise in Thailand oder Frankreich, erfolgreich. Worum geht es in der Show?