Europas Abhängigkeit bei E-Auto-Batterien: „Kann doch nicht sein, dass wir hinterherlaufen“

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Opel-Elektroauto und im Vordergrund der dazugehörige Lithium-Ionen-Akku: Europas Autoindustrie ist international unter Zugzwang (Symbolbild). © Sebastian Geisler

Der Absatz von Elektroautos stagniert, potenzielle Käufer und die Industrie zögern mit Investitionen. Darunter leidet die technologische Kompetenz in Europa.

München - Europa und speziell Deutschland gehörten lange Zeit zu den Vorreitern im Automobilbau, was sich hervorragend auf Arbeitsplätze und Wohlstand auswirkte. Doch hat sich das Konkurrenzumfeld stark verändert und der hiesige Standort sieht sich einem harten Wettbewerb ausgesetzt, mit negativen Begleiterscheinungen.

Was mit dem raketenhaften Aufstieg von Tesla begonnen hat, zeigt sich heute durch bärenstarke Konkurrenz aus Asien: E-Mobilität gilt als zukunftsweisend für den Verkehr von morgen, angesichts des Klimawandels und fehlender Schadstoffemissionen von Elektroautos. Doch hat diese Entwicklung auch Schattenseiten.

Wie die Stagnation bei E-Autos den Standort Europa schwächt

Sie bedroht die Konkurrenzfähigkeit jener Regionen, die mit dem Verkauf von Modellen mit Verbrennungsmotor viel Geld verdienen. Die technologische Expertise bei E-Autos liegt nämlich nicht mehr (nur) in Europa: Vielmehr sind im Feld der Batterietechnologie Unternehmen aus Fernost tonangebend. Und das wird sich so schnell nicht ändern, denn aufgrund stagnierender Elektroauto-Zahlen in Europa bremst die hiesige Industrie Investitionen, die an der Vormachtstellung asiatischer Konzerne rütteln könnten.

So ist die schwächelnde Nachfrage ein Rückschlag für die deutsche Autoindustrie mitsamt Zulieferer, die mit einem schnelleren Umstieg von Verbrenner- auf Elektrotechnologie kalkulierten. Das führt dazu, dass deutsche Fahrzeughersteller wie bisher noch lange auf Batteriezellen-Kompetenz aus Fernost angewiesen sind.

Deutsche Autohersteller bleiben abhängig - „eine fatale Entwicklung“

Michael Brecht, Betriebsratschef der Daimler Truck Holding AG, ist die enorme Abhängigkeit von China, Südkorea und auch Japan ein Dorn im Auge. „Wir brauchen eine europäische Lösung. Wenn ich höre, dass Pkw-Hersteller den Aufbau von Zellenfabriken in Europa verschieben, ist das eine fatale Entwicklung“, wird der Arbeitnehmervertreter im Handelsblatt zitiert.

Brecht meint damit auch den Anteilseigner seines Arbeitgebers: Mercedes-Benz legte kürzlich zwei geplante Batteriefabriken des Joint-Ventures ACC mit Stellantis und Total Energies erstmal auf Eis, dazu kam die Meldung, dass BMW einen milliardenschweren Auftrag an Northvolt zurückzieht. Der Münchner Premiumhersteller soll bis auf Weiteres Energiespeicher unter anderem vom weltgrößten Anbieter CATL sowie Samsung (Südkorea) beziehen.

Der chinesische Batteriezellenhersteller CATL ist weltweit die Nummer eins - und nicht nur bei Stromspeichern für E-Autos
Der chinesische Batteriezellenhersteller CATL ist weltweit die Nummer eins - und nicht nur bei Stromspeichern für E-Autos. © IMAGO/ari

Die eingebrochene Nachfrage nach Elektroautos verzögere den Aufbau einer europäischen Batterieindustrie und das anvisierte Ziel der Branche, dass Ende der 20er-Jahre bereits 70 Prozent aller Neuwagen in Europa elektrisch sind.

Europa im Elektro-Wettbewerb mit Asien und Nordamerika

Europäische Batterieprojekte leiden unter der Stagnation - und damit auch der Standort, aufgrund fehlender Investionen und die Auswirkung auf Arbeitsplätze. So hinken hiesige Hersteller technologisch hinterher und sind gegenüber asiatischen Herstellern im Nachteil. Doch nicht nur dort ist die Konkurrenz übermächtig:

Europa steht zwischen Kampfpreisen der Konkurrenz aus China, sieht sich aber auch mit milliardenschweren Förderkulissen in Nordamerika konfrontiert, um die USA auf eine ähnlich innovative Stufe zu hieven. Auch das führt in deutschen Chefetagen oftmals zum Umdenken - und der Verlagerung von Investitionen.

Das gilt selbst für asiatische Unternehmen, die in Europa investieren wollten: zum Beispiel die verworfenen Pläne des chinesischen Akkuherstellers Svolt für eine Zellfertigung in der Lausitz. Europachef Kai-Uwe Wollenhaupt verweist ebenfalls im Handelsblatt auf mehrere Hürden für das Unternehmen: „drastische Strategieanpassungen“ bei Autobauern, eine „geringe Planungssicherheit“ auf unterschiedlichsten Ebenen und die Diskussionen über das Verbrenner-Aus in der EU.

Deutschlands Versäumnisse bei E-Mobilität: „Europa hat zu spät angefangen“

Der Vorwurf von Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive Management (CAM): „Europa hat zu spät damit angefangen, das teuerste Bauteil in einem Elektroauto – die Batterie – lokal zu fertigen.“ Doch gibt es auch positive Entwicklungen: BMW plant mit Northvolt eine neue Batteriegeneration für 2025, dafür entsteht ein Fabrikkomplex in Heide (Schleswig-Holstein).

Volkswagen hält derweil an den Bauprojekten für zwei Batteriefabriken in Salzgitter und Valencia (Spanien) fest - wenngleich eine dritte in Kanada statt Osteuropa hochgezogen wird. Im Hause VW will man sich nicht von Asien abkoppeln, sondern eine „Balance“ herstellen. „Wir werden auch in Zukunft auf externe Lieferanten unter anderem aus Asien und China setzen“, stellt ein Manager klar.

Beispielhaft für die Stagnation von E-Mobilität in Europa ist der Fall von Zulieferer Eberspächer:

Europas Abhängigkeit von China: „Tektonische Verschiebung der Machtbalance“

Langfristig benötigt die europäische Autoindustrie eine unabhängige Batteriezellenfertigung, um wettbewerbsfähig zu bleiben und nicht vom Ausland abhängig zu sein. Das sieht auch der bereits erwähnte Brecht so: „Die Abhängigkeit von wenigen Anbietern hauptsächlich aus China ärgert mich als Arbeitnehmervertreter gigantisch. Wir sind erpressbar, anstatt eigene Kompetenz und Arbeitsplätze aufzubauen.“

Derweil zeigt eine Studie des CAM, dass asiatische Unternehmen nicht nur bei der Batterietechnologie die Spitzenstellung einnehmen. Studienleiter Bratzel spricht laut Wirtschaftswoche von einer „tektonischen Verschiebung der Machtbalance zugunsten chinesischer Automobilunternehmen“.

Diese Entwicklung sei immer stärker an der Innovationsstärke ablesbar und betrifft Zukunftsfelder wie E-Mobilität, Fahrzeugsoftware und Vernetzung. Hersteller aus Fernost haben sich sukzessive Kompetenzen angeeignet, auf deren Basis „mit hoher Geschwindigkeit innovative Serienfahrzeuge“ gebaut werden.

Chinesische Autobauer haben bei Innovationsstärke massiv aufgeholt

So verwundert es nicht, dass das Institut Autoherstellern aus China nun 46 Prozent der globalen Innovationsstärke zuordnet. Die Auswertung dreht sich um den Zeitraum von Februar 2023 bis Januar 2024 mit Neuerungen im Automotive-Sektor, die bereits in Serie gefertigt werden. Ein Vergleich mit 2019/20 verdeutlicht, wie schnell das Reich der Mitte aufgeholt hat: Da lag der Anteil chinesischer Autobauer noch bei 21 Prozent.

Bei deutschen Autokonzernen ist die Innovationsstärke derweil gesunken, von 45 auf aktuell 23 Prozent. Die aktuellen Ergebnisse des jährlichen Berichts umfassen über 700 Serieninnovationen von 30 Konzernen mit mehr als 100 Automarken. Berücksichtigt werden Faktoren wie Innovationsgrad, Kundennutzen und Originalität.

Innovativste Autokonzerne: BMW thront über China-Herstellern

So ist es nicht überraschend, dass sich unter den zehn weltweit innovativsten Autokonzernen gleich fünf aus der Volksrepublik befinden. Jedoch ergattert in dem Ranking mit BMW ein traditioneller Autobauer die Spitzenposition: Die Münchner punkten mit Errungenschaften beim automatisierten Fahren sowie der Reichweite und Ladeleistung.

Abgeschlagen bei den Innovationen sind laut dem Bericht interessanterweise Autokonzerne aus den USA, die allesamt nicht in den Top Ten vertreten sind - das trifft selbst auf Elektropionier Tesla zu. (PF)

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