Streit um Paket - Der Renten-Zoff führt zu Bruchlinien in der FDP - vier Kräfte wirken ein

Die Ampel-Koalition streitet – wann täte sie das auch nicht? Und doch ist der Konflikt ums Rentenpaket II ungewöhnlich. Denn er wird nicht nur zwischen der FDP auf der einen Seite und SPD und Grünen auf der anderen Seite ausgetragen. Sondern auch innerhalb der Liberalen gibt es Bruchlinien.

Das Rentenpaket II ist vom Kabinett beschlossen und nun im parlamentarischen Verfahren. Doch aus der FDP-Fraktion kommt lauter Widerspruch gegen die Pläne. Was dahintersteckt und auf welche Köpfe es jetzt ankommt:

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1. Christian Lindner, Parteichef und Finanzminister

Er hat das Rentenpaket II im Frühjahr gemeinsam mit Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vorgestellt: Christian Lindner, Vorsitzender der FDP und Bundesfinanzminister.

Schon damals machte Lindner klar, dass er von der 48-Prozent-Garantie für das Rentenniveau, um die jetzt so erbittert gestritten wird, nichts hält. Er deutete an, eine Folgeregierung könne diese Garantie auch wieder einkassieren.

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Denn aus Sicht der Liberalen ist das hunderte Milliarden Euro schwere Versprechen schlicht zu teuer und eine unbotmäßige Belastung der jüngeren Generationen sowie der Staatskasse.

Doch Deal ist Deal. Für diese Legislaturperiode und diese Regierung gilt: Christian Lindner hat dem Rentenpaket II, so wie es ist, zugestimmt. Und damit ist der Aufstand der Bundestagsfraktion gegen den Kompromiss auch sein Problem.

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Oder ist Lindner womöglich einverstanden, dass aus den Reihen der Abgeordneten, angeführt von Johannes Vogel, nun so lauter Protest gegen das Paket kommt? Auszuschließen ist das nicht in einer Lage, in der die FDP verzweifelt nach Gelegenheiten sucht, ihr Profil zu schärfen.

Doch Lindner hat sich öffentlich festgelegt: Das Rentenpaket II sei ausverhandelt, er empfehle dem Bundestag, ihm zuzustimmen. Damit stünde Lindners Führungskompetenz infrage, sollte seine eigene Fraktion den Konflikt eskalieren lassen, ohne der SPD inhaltliche Zugeständnisse abringen zu können.

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2. Johannes Vogel, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion

Er ist der Renten-Rebell der Stunde: Johannes Vogel ist das Gesicht des Aufstands gegen das Rentenpaket II. Seit Monaten hat er immer wieder klar gemacht, dass das Paket aus seiner Sicht nicht bleiben kann, wie es ist.

Doch erst jetzt ist das Parlament auch formal gefragt, und so ist nun die Stunde der Wahrheit gekommen: Was kann Vogel im parlamentarischen Verfahren noch erreichen, nachdem das Rentenpaket II vom Kabinett verabschiedet wurde?

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Zum einen ist die Sozialpolitik Vogel ein echtes Herzensthema. Er war einst als Führungskraft bei der Bundesagentur für Arbeit beschäftigt, leitete die Arbeitsagentur Wuppertal-Solingen. Seit langem fordert er einen grundlegenden Umbau des deutschen Rentensystems hin zu einer starken kapitalgedeckten Säule.

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Doch was nun geschieht, ist nicht nur eine Frage von Inhalten, sondern es geht auch um die persönliche Profilierung. „Das Verhältnis zwischen Christian Lindner und mir ist stabil genug, dass wir es aushalten, wenn wir in unterschiedlichen Rollen unterschiedlich auf eine Sachfrage schauen“, sagte Vogel vor kurzem im Interview mit der „Zeit“.

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Der Konflikt ums Rentenpaket II könnte für ihn, der in der FDP seit langem als Kronprinz gilt, der Anlass sein, endgültig aus dem langen Schatten Christian Lindners herauszutreten.

Es ist derzeit zwar nicht akut, aber es steht zumindest im Raum, dass die Ampel-Koalition nach vielen harten Konflikten tatsächlich am Thema Rente zerbrechen könnte.

Und so muss Vogel klug überlegen, wie lange er die bisherige harte Linie fahren kann. Was auch immer die politischen Konsequenzen sein werden: Sie werden mit dem Namen Johannes Vogel verknüpft bleiben.

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3. Lukas Köhler, Vize-Fraktionschef

Er ist als Vize-Vorsitzender der Fraktion für das Thema Rente zuständig und daher derzeit gefragt, wenn es zum Beispiel darum geht, Verhandlungsrunden mit den Koalitionspartner zu koordinieren. Und Lukas Köhler weiß diese Rolle zu nutzen.

Ende September setzte er im Interview mit den „Tagesthemen“ den Ton und verwies selbstbewusst darauf, es sei ganz normal, dass das Parlament Gesetze überarbeiten würde. Der Aufstand sei nichts Ungewöhnliches.

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Bei der SPD sieht man das freilich ganz anders. Denn es geht bei weitem nicht nur um Details. Doch Köhler stützt Vogels Linie, das Paket könne nicht bleiben, wie es ist.

4. Christian Dürr, Fraktionschef

Er ist derjenige, der am Ende dafür geradesteht, ob die FDP-Fraktion sich koalitionstreu verhält: Fraktionschef Christian Dürr hat, wenn es hart auf hart kommen sollte, die schwere Aufgabe, die Linie des Parteichefs, der bei den Koalitionspartnern im Wort steht, in der Fraktion durchsetzen.

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Noch hofft man in der FDP darauf, der SPD Zugeständnisse abringen zu können. Ein Aufschlag für das Generationenkapital wäre eine naheliegende Idee, um argumentieren zu können, dass man der absehbaren Kostenexplosion entgegenwirkt. 

Doch die SPD zeigt keinerlei Verhandlungsbereitschaft. Sie pocht darauf, die Koalitionsverhandlungen nicht neu führen zu wollen.

Von Karin Christmann

Das Original zu diesem Beitrag "Die Liberalen und der Rentenstreit: Auf diese vier kommt es bei der FDP jetzt an" stammt von Tagesspiegel.

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