Strom-Schock für Millionen Menschen: So stark steigen die Strompreise wegen der Ampel-Krise
Wegen der Haushaltskrise steht hinter vielen staatlichen Unterstützungsleistungen plötzlich ein Fragezeichen. Beim Strom werden dadurch deutliche Erhöhungen erwartet.
Berlin – Im neuen Jahr steigen die Strompreise, das steht schon lange fest. Doch wie deutlich die Erhöhung für private Haushalte ausfallen wird, das entscheidet sich gerade in Berlin, genau genommen im Kanzleramt. Dort verhandeln seit Tagen die drei Ampel-Spitzen Olaf Scholz (SPD), Robert Habeck (Grüne) und Christian Lindner (FDP) über den Haushalt 2024, nachdem die Verfassungsrichter in Karlsruhe ihren bisherigen Etat für nichtig erklärt hatten. Seitdem hängen sämtliche staatliche Zuwendungen in der Schwebe. Mit im Boot: Zuschüsse zur Stabilisierung der Netzentgelte.
Strompreise 2024: Milliarden-Zuschuss der Bundesregierung in der Schwebe
Konkret geht es um 5,5 Milliarden Euro, die der Bund im kommenden Jahr zugesichert hat, um die Erhöhung der Strompreise 2024 etwas zu dämpfen. Zusammengenommen machen die Netzentgelte für Haushalte knapp ein Viertel des Strompreises aus. Sie setzen sich neben den Kosten aus den Entgelten für Messungen und Messstellenbetrieb sowie aus den örtlich unterschiedlichen Gebühren für die Verteilnetze zusammen. Nach Berechnungen des Wirtschaftsministeriums wird ein Preisanstieg von elf Prozent für private Haushalte im kommenden Jahr erwartet.
Diese Berechnung geht aber vom Milliarden-Zuschuss des Bundes aus. Der sollte nämlich aus dem nun geschlossenen Wirtschaftsstabilisierungsfonds kommen. Wie sehr die Preise steigen, wenn der Zuschuss nicht kommt, ist nicht ganz klar. Denn die Netzentgelte werden regional festgelegt. Die Stabilisierung des Bundes hätte sich auch nur auf die bundesweit einheitlichen Gebühren für die vier großen Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz, Amprion, Tennet und Transnet BW begrenzt.
Das Vergleichsportal Verivox hat auf Anfrage mitgeteilt, dass ein großer Netzbetreiber bereits angekündigt hat, dass die Preise für Haushalte ungefähr um 4,15 Cent/kWh brutto steigen würden. Der Netzbetreiber berechnet, dass das bei einem Jahresverbrauch von 4000 kWh (Durchschnitt Einfamilienhaus) damit die Strompreise um 170 Euro im Jahr steigen würden.
Nach Angaben der Welt, die sich auf Kreise in der Bundesnetzagentur bezieht, wird dort von einer Erhöhung von 2,34 Cent/kWh im Falle eines Wegfalls des geplanten Zuschusses ausgegangen. „Das würde bei einem Jahresverbrauch von 4.000 kWh Mehrkosten von 94 Euro netto bzw. 110 Euro brutto entsprechen“, so der Verivox-Sprecher weiter. Es kursieren auch andere Berechnungen, so geht das Vergleichsportal Check24 von 103 Euro mehr pro Jahr für Strom in einem Musterhaushalt mit 5000 kWh/Jahr. Die Bundesnetzagentur will sich offiziell nicht zu möglichen Preissteigerungen äußern.
Stromanbieter warnen Ampel: Insolvenzen drohen
Klar ist: Nichts ist klar. Auch die Stromanbieter wissen nicht, wie es im neuen Jahr weitergehen wird, und können ihren Kunden keine verlässlichen Angaben machen – oder sie wissen nicht, ob das, was sie ihren Kunden bereits versprochen haben, am Ende auch so kommt. Darum haben die Chefs des Ökostromanbieters LichtBlick in einem Brandbrief in der vergangenen Woche an den Ausschuss für Klimaschutz und Energie eindringlich davor gewarnt, die 5,5 Milliarden doch nicht zu zahlen. „Sie muten ansonsten nicht nur Millionen Stromkunden und -kundinnen deutlich höhere Preise zu, sondern gefährden auch insbesondere wettbewerbliche Energieversorger“, heißt es in dem Brief.
Die Energieversorger hätten ihre Preise für das Jahr 2024 bereits berechnet und ihre Kunden informiert – auf Basis der Information, dass die Netzentgelte vom Bund subventioniert werden würden. „Wenn der geplante Zuschuss entfällt, dann wird er von den Versorgern, soweit es rechtlich möglich ist, an die Kunden und Kundinnen weitergegeben“.
Allerdings dürften viele Energieversorger, die ihren Kunden eine Preisgarantie anbieten, rechtlich gesehen den Wegfall der Entgeltstabilisierung nicht weitergeben. Sie blieben also auf den Mehrkosten sitzen, was zu Insolvenzen führen könnte, so LichtBlick. „Uns ist bewusst, dass die derzeitige politische Lage enormen Druck erzeugt. Jedoch darf die Haushaltskrise nicht zu einer erneuten Verschärfung der Energiekrise führen.“
Energiepreisbremsen laufen aus: Vielen droht der Preis-Schock
Gleichzeitig fallen zum 1. Januar 2024 auch die Strom- und Gaspreisbremse weg, die die Energiepreise für Verbraucher und Verbraucherinnen auf einem erträglichen Niveau sicherten. Im Bundestag begründete der Kanzler den Wegfall der Preisbremsen wie folgt: „Inzwischen sind überall in Deutschland wieder Strom- und Gastarife verfügbar, die zwar deutlich höher liegen als vor der Krise - aber meist unterhalb der Obergrenzen, die wir mit den Preisbremsen gezogen haben.“ Sollten die Preise wieder steigen, könne die Regierung wieder helfen, so ein Versprechen.
Doch viele Verbraucher und Verbraucherinnen haben Langfristverträge mit Preisen, die oberhalb dieser Grenzen liegen. Nach Angaben des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) liegt der Durchschnittspreis für Strom noch immer über dem Niveau der Strompreisbremse, nämlich bei 44 Cent pro kWh. Darüber berichtet tagesschau.de. Den Kunden, die im kommenden Jahr ohne Preisbremsen und womöglich ohne Netzentgeltstabilisierung ihren Strompreis stemmen müssen, droht also ein wahrlicher Preis-Schock.