Punk lebt noch: Alternativer Jugendverein „Rülps“ feiert 25-Jähriges

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Damals und heute: Die ersten Bilder aus der „Baracke“ in der Florianstraße (l.), da gab es den Verein und den Namen „Rülps“ noch nicht. Noch heute veranstaltet der Verein Konzerte – wenn sich jemand findet, der sie organisiert. © und repro: bb

Alles begann in einem ehemaligen Wiesn-Fundbüro, heute feiert „Rülps“, der alternativer Jugendverein in Kirchheim, sein 25-jähriges Bestehen. Ein Blick zurück.

Kirchheim – Heute kämpfen die alten Punks und junggebliebenen Alternativrocker mit dem gleichen Problem wie alle anderen Vereine: Es mangelt an Nachwuchs. Daher gibt’s viel weniger Konzerte als früher. Das „Rülps“der alternative Jugendverein in Kirchheim, will sich die Party aber nicht vermiesen lassen: Am 3. Mai feiert es 25-jähriges Bestehen; und schon am 10. Mai gibt es die nächsten Konzerte.

Ludwig Sixt war eines der Gründungsmitglieder, „damals voll bunt, eben Punk, gegen alles – heute bin ich Kfz-Meister, Familienvater und Reihenhausbesitzer“. Vor 30 Jahren, in seiner wilden Zeit, da ging’s auch in Kirchheim so richtig ab. „Wir waren ein harter Kern von 20 Punks, trafen uns regelmäßig, um mit viel Alkohol laut Musik zu hören am Bolzplatz am Schlehenring. Da gab es ständig Ärger mit den Anwohnern und der Polizei.“ Es folgte eine Hütte in einem kleinen Wäldchen, die sie selbst zusammengezimmert hatten. Doch die habe der benachbarte Landwirt angezündet, sagen die Ex-Punks..

Prediger wollte „arme Seelen“ retten

Durch die vielen negativen Berichte in der Presse kam dann sogar ein Prediger, der die „armen Seelen“ retten wollte. Leider auch eine Clique von Nazis, die die Punks vertreiben wollte.

Das „brave“ Jugendzentrum war in der Zwischenzeit aus einer Holzbaracke, die vorher als Fundbüro auf der Münchner Wiesn gedient hatte, in das neue Domizil an der Hauptstraße gezogen. „Streetworker Jörg Breitweg gab uns den Tipp, wir sollten zur Sprechstunde von Bürgermeister Heinz Hilger gehen. Da kreuzten wir mit 20 Mann auf, das beeindruckte den schwer“, erinnert sich Sixt. Auch in der nächsten Gemeinderatssitzung waren die Punks anwesend und zur Überraschung vieler erhielten sie und nicht der Schützen- oder Minigolfverein die Schlüssel für die Baracke. „Ein selbstverwaltetes Jugendzentrum.“ Zunächst auf Probe, später langfristiger.

Aufmarsch der Alternativen: Als die Baracke wegen Brandschutzmängeln geschlossen werden sollte, organisierte das Rülps eine Demo vom Bahnhof zum Rathaus. Die und zahlreiche Aktionen führten zum Umzug unter das Jugendzentrum.
Aufmarsch der Alternativen: Als die Baracke wegen Brandschutzmängeln geschlossen werden sollte, organisierte das Rülps eine Demo vom Bahnhof zum Rathaus. Die und zahlreiche Aktionen führten zum Umzug unter das Jugendzentrum. © bb

Doch auch dort gab es wegen lauter Musik und regelmäßiger Randale vor dem Haus ständig Probleme mit Anwohnern und Polizei. „Die griffen sich jedes Mal wahllos einen von uns als Verantwortlichen raus.“ Da half nur eines: eine Vereinsgründung. Die fand am 4. März 1999 zur „Förderung und Unterstützung der Jugend- und Subkultur“ statt. Der Name „Rülps“ war bei viel Bier schnell gefunden: „Er eckt an, provoziert und gefiel uns“, so Sixt. Sofas wurden organisiert, aus einer Tischtennisplatte eine Bühne gebaut, die Wände gestrichen und vor allem wurden wilde Partys gefeiert. Dazu kamen Punk-Freunde aus München, Erding, Dorfen oder Markt Schwaben – das „Rülps“ hatte einen guten Namen in der Szene.

Im Jahr 2000 wollten aber einige Anwohner, dass das Gebäude geräumt wird. Erst die Aktivierung von wohlgesonnenen, anderen Anwohnern und ein Tag der offenen Tür gab den Ausschlag zum Überleben. Im Jahr 2008 kam doch die überraschende Schließung – über Nacht. Eine Prüfung der Feuerwehr sowie der elektrischen Leitungen ergab, dass die Baracke nicht mehr sicher war. „Hierauf organisierten wir eine Demo mit über 300 Leuten, auch vor dem Rathaus und Gemeinderat, mein heutiger Mann wurde sogar verhaftet“, berichtet Lea Zenner, Gemeinderätin der Grünen und seit vielen Jahren im Rülps-Vorstand. Was keiner erwartet hatte: Der Gemeinderat gab grünes Licht für den Umzug in den Keller des Jugendzentrums. Nach einigen Umbauarbeiten gab es nach ein paar Jahren ohne Konzerte sogar einen neuen Veranstaltungsraum. Doch zwei große Wasserschäden 2017 und 2018 bremsten erneut alle Aktivitäten aus, Corona kam erschwerend dazu.

Noch heute veranstaltet der Verein Konzerte – wenn sich jemand findet, der sie organisiert.
Noch heute veranstaltet der Verein Konzerte – wenn sich jemand findet, der sie organisiert. © bb

„Wir alle sind älter geworden, haben Familien und Kinder, leider gibt es nur wenig junge Kirchheimer, die nachkommen. Anfragen für Konzerte haben wir ständig, in großer Zahl – doch keine Leute vom Rülps, die das managen können“, bedauert Zenner. So müssen sie heuer erstmals auf einen Stand am Dorffest verzichten, auch auf Aktionen oder Konzerte während der Landesgartenschau. „Doch jetzt freuen wir uns auf unser 25. Jubiläum am 3. Mai mit den Bands Fahnenflucht, Frustkiller und ESA. Da haben sich schon über 150 Leute angemeldet – Punk lebt offensichtlich doch noch.“

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