Streit über atomare Abschreckung: Die SPD hat mächtig Stress mit den Linken
Das Statement von Katarina Barley, SPD-Spitzkandidatin für die Europawahl, zu einem eigenen atomaren Schutzschirm für Europa versetzt den linken Flügel der SPD in Aufruhr. Ein Kommentar von Merkur-Chefredakteur Georg Anastasiadis.
Dass man sie mal als Partei der „Säbelrassler“ schmähen würde, hätte sich die alte Tante SPD wohl wohl auch nicht träumen lassen. Seit ihre EU-Spitzenkandidatin Katarina Barley einen Atomschirm für Europa ins Spiel gebracht hat, steht das linke Lager kopf, voran der unvermeidliche Ralf Stegner und Linkenchef Martin Schirdewan. Der empfiehlt den Genossen, statt auf Aufrüstung lieber auf eine „Politik der Deeskalation und zivilen Konfliktlösung“ zu setzen. Stimmt, das klappte in den letzten Jahren ja ganz vorzüglich mit Putin! Und noch einen linken Gassenhauer hat Schirdewan in petto. Noch nie hätten mehr Atombomben die Welt sicherer gemacht.
Das zentrale Sicherheitsversprechen für Deutschland bleibt bis auf Weiteres die Nato
Leider ist dieses Argument so unausrottbar wie falsch: Eben weil die nukleare Abschreckung, das „Gleichgewicht des Schreckens“, atomare Kriege für alle Seiten unführbar gemacht hat, durfte Europa nach dem Zweiten Weltkrieg die längste Friedensperiode seiner Geschichte genießen. Und es ist bezeichnend, dass die Kriegsfurie heute in der Ukraine wütet, also in einem Land, über dessen Bewohner kein nuklearer Schutzschirm gespannt wurde.
Helmut Schmidt opferte für das Prinzip der Abschreckung sogar seine Kanzlerschaft, als er zu Beginn der 80-er Jahre die Nato-Nachrüstung mit Mittelstreckenraketen gegen den Widerstand der Pazifisten in seiner SPD durchsetzte. Die linken Realisten a la Schmidt waren zu Beginn des Ukrainekriegs eher in der Partei der Grünen zu finden. Die Sozialdemokraten mit ihrem Mützenich-Flügel und dem alten Hang zur Moskau-Romantik brauchten erst noch einen Moment der Neubesinnung. Doch spricht es für ihren neu erwachten Realitätssinn, dass die Debatte darüber, ob Deutschland unter den atomaren Verteidigungsschirm Frankreichs und Großbritanniens schlüpfen solle, jetzt von der erklärten „Friedenspartei“ SPD ausging. All das ändert allerdings nichts daran, dass das zentrale Sicherheitsversprechen für Deutschland bis auf Weiteres die Nato bleibt – auch wenn AfD, Linke, Sahra Wagenknecht und Donald Trump sie partout nicht leiden können.
Georg Anastasiadis