Änderungen bei Erwerbsminderungsrente: Experten fehlt im Koalitionsvertrag „klare Zusicherung“
Die Koalition aus CDU/CSU und SPD hat sich einige Reformen vorgenommen. Laut Koalitionsvertrag auch bei der Erwerbsminderungsrente – doch Experten warnen.
Frankfurt – Der Koalitionsvertrag, den die Union um Bald-Kanzler Friedrich Merz mit der SPD aushandelte, sieht zahlreiche Änderungen vor. Auch bei der Rente sind Neuerungen angedacht, unter anderem bei der Erwerbsminderungsrente. Eine zentrale Rolle spielt hierbei der sogenannte „Ü45-Check“ der Deutschen Rentenversicherung (DRV).
Änderungen bei Erwerbsminderungsrente: Merz-Regierung will „Feststellung der Erwerbsfähigkeit beschleunigen“
Laut DRV-Website gilt: Alle Menschen, die eine Erwerbsminderungsrente beziehen wollen, müssen unterhalb der Regelaltersgrenze (Zeitpunkt, an dem die reguläre Altersrente bezogen werden kann) liegen. Weiter heißt es dort: „Wenn Sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeitsfähig sind, soll eine Rente wegen voller Erwerbsminderung Ihr Einkommen ersetzen. Können Sie noch einige Stunden täglich arbeiten, ergänzt die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung das Einkommen, das Sie selbst noch erzielen.“ Dabei ist auch ein Vollzeit-Job trotz Erwerbsminderungsrente möglich – seit 2025 gelten dabei neue Hinzuverdienstgrenzen.
In der Regel wird die EM-Rente für drei Jahre gewährt, sie kann jedoch auch verlängert werden. Außerdem ist es möglich, eine unbefristete Erwerbsminderungsrente zu gewähren, sofern keine gesundheitliche Verbesserung bei einem oder einer Betroffenen zu erwarten ist. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD steht: „Wir stärken den Grundsatz ‚Prävention vor Reha vor Rente‘. Wir setzen den Ü45-Check flächendeckend um. Wir wollen mit Reha-Leistungen diejenigen zielgenauer erreichen, die bereits in einer befristeten Erwerbsminderungsrente sind.“
Die neue Regierung unter Merz plant, im Sozialgesetzbuch (SGB) VI „ein Fall-Management auf Basis der Bewertungen laufender Modellprojekte“ zu etablieren. Dies soll kontinuierlich prüfen, ob Bezieher der Erwerbsminderungsrente arbeitsfähig sind. „Um Klarheit und Verbindlichkeit zu schaffen, beschleunigen wir die Feststellung der Erwerbsfähigkeit“, verspricht die Koalition aus CDU/CSU und SPD. Kritiker befürchten jedoch, dass bestehende Erwerbsminderungsrenten überprüft werden könnten.
Das steckt hinter dem „Ü45-Check“
Der sogenannte „Ü45-Check“ wird auf der Website der Deutschen Rentenversicherung angeboten. Der Test, den alle Bundesbürgerinnen und Bundesbürger dort mit wenigen Klicks durchführen können, besteht aus sieben Fragen. „Hier können Sie mit dem Ü45-Check etwas über Ihre momentane Gesundheit und Belastungen in Alltag und Beruf erfahren“, schreibt die DRV dazu.
Nachdem der „Ü45-Check“ absolviert wurde, wird umgehend ein Ergebnis angezeigt. „Hat der Test die Empfehlung für eine mögliche Rehabilitationsleistung oder eine Präventionsleistung ergeben, können Sie am Ende gleich einen Antrag stellen“, schreibt die DRV auf ihrer Website. Und ergänzt: „Der Check ist kein Ersatz für eine ärztliche oder psychologische Beratung. Wenn Sie sich krank fühlen, gehen Sie zur Ärztin oder zum Arzt.“
DRV-Daten zeigen: Immer mehr psychische Erkrankungen diagnostiziert – Fachmann warnt vor „Generalverdacht“
Aktuelle Daten der DRV zeigen, dass 2020 der Anteil der EM-Rente-Beziehenden mit psychischen Erkrankungen 41,5 Prozent betrug, während er 20 Jahre zuvor noch bei 24,2 Prozent lag. Dies liegt auch daran, dass psychische Erkrankungen „immer häufiger erkannt und diagnostiziert werden“.
Rentenberater Frank Weise äußert indes auf dem Fachportal rentenbescheid24.de Bedenken, dass der Koalitionsvertrag „ein aktives Eingreifen in die bestehende EM-Rente“ auslösen könnte. Er warnt davor, man solle Beziehende der Erwerbsminderungsrente „nicht unter Generalverdacht stellen“. Weise fordert diesbezüglich konkrete Verbesserungen von CDU/CSU und SPD: „Im Koalitionsvertrag fehlt die klare Zusicherung, dass Reha nicht zur ‚Rente durch die Hintertür‘ wird.“ Zudem könnten die Pläne der neuen Merz-Regierung eine große Rentenlücke bei Frauen verursachen.
Erwerbsminderungsrente: Reha-Expertin warnt vor möglichen Folgen des Koalitionsvertrags
Auch eine Expertin für Gesundheitsprävention und Rehabilitation erkennt Risiken bei den Plänen zur Erwerbsminderungsrente im Koalitionsvertrag. Carolin-Jana Klose betont bei gegen-hartz.de, dass „medizinische Reha ist erwiesenermaßen erfolgreich, wenn sie früh einsetzt und passgenau erfolgt“. Die in der Gesundheitsprävention und im Reha-Sport für Menschen mit Schwerbehinderungen arbeitende Klose warnt aber gleichermaßen: „Ihr Charakter ändert sich, sobald sie Voraussetzung für den Rentenbezug wird. Reha‑Kliniken müssten dann zugleich behandeln und begutachten, was das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Therapeut belastet.“
Wie die geplanten Änderungen bei der Erwerbsminderungsrente konkret umgesetzt werden und welche Auswirkungen sie auf die Beziehenden haben, bleibt abzuwarten. Die Formulierung „Wir wollen“ im Koalitionsvertrag deutet auf eine „Absichtserklärung“ hin, wie auch br.de berichtet. Begriffe wie „wollen“ oder „möchten“ signalisieren, dass Union und SPD sich auf ein Vorhaben geeinigt haben, es jedoch noch nicht endgültig verhandelt ist. Weitere Absprachen zur Erwerbsminderungsrente sind daher notwendig, bevor die Merz-Regierung aktiv wird. Unterdessen sollten alle Menschen, die einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente stellen, einige gängige Fehler vermeiden. (kh)